Zuhause [Dinge An Ihrem Platz]

Zuhause ist es am schönsten.
Die vier Hamburger generieren mit ihrem Debüt Album einen vertrauten Platz, an den man sich zurückziehen will, wenn man sich vor der bösen Welt verkriechen muss.


"ich höre mir platten an und da singt jemand, love is such a beautiful thing."
(so viel näher)


Die frühen Neunziger. Raider heißt jetzt Twix, die Sterne sind mit dem Universal Tellerwäscher in aller Munde und Thomas Gottschalk löste, nach einem kurzen Intermezzo, Wolfgang Lippert bei Wetten, Dass ab. Die Bevölkerung hat die gesellschaftspolitischen Ausmaße der Wiedervereinigung noch nicht vollständig erfasst, und Helmut Kohl ist seit gefühlten vierzig Jahren Bundeskanzler. Eine Zeit, in welcher man mit Hamburg ein neues musikalisches Verständnis assoziierte, und in der deutschsprachige Pop Bands noch nicht ohne Hemmung durch die Medien gedrückt wurden.

Fast zehn Jahre später, im Sommer des zweiten Jahres der Nullerdekade, gründen sich Zuhause in Hamburg und wollen, so liest sich der Pressetext, "nicht in die Falle des Selbstmitleides tappen, sondern hitverdächtige Refrains und Melodien erfinden". Die Regierung und Tom Liwas Flowerpornoes werden als Haupteinflüsse genannt. Ende 2003 wurde bereits mit Folke Jensen, Tilman Rossmys Gitarrist, eine vier Track EP produziert, und jetzt stellen zuhause ihr Debüt Album, ebenfalls mit Jensen arrangiert, vor. "Dinge An Ihrem Platz", so der Titel der Platte.

"Willkommen zu Hause / hier ist alles so wie es war / als du es verlassen hast / Willkommen zu Hause / hier sieht es aus, als wäre nichts geschehen / ich habe auch nichts angefasst", wissen die vier Hamburger in ihrer eigenen kleinen Hymne Willkommen Zu Hause zu berichten. Alles so wie es damals war, nur dass die Zeit sich eben doch weiter bewegt hat. Gitarrenpop im Stile von Samba, Virginia Jetzt! oder etwa Anajo assoziiert man beim durchhören der Platte. Harmonische Gitarrenmelodien, zweite Stimmen im Hintergrund, verspielte Keyboardklänge die sich alle zwischen der unaffektierten Ästhetik von frühen und britpoppigen Mid Tempo Stücken bewegen. Inhaltlich bewegt man sich zwischen Popzitaten und Selbstreflexion. "Ich werde das Gefühl nicht los / dass ich das Gefühl nicht mehr los werde / all das, was ich jetzt noch hab / hab ich mir irgendwo geborgt" (Nicht Loswerden).

Das alles klingt nicht uninspiriert, und Textzeilen wie "Und meine Freunde lesen Spex / und ich glaub nicht dass sie’s wissen / dass Steve Malkmus die Black Crowes / Gut gefunden hat" (Meine Geschichte Und Ihr Preis), zeugen auch von einem charmanten Humor, doch fehlt die Überraschung in den sehr gefälligen Stücken sanftestem Pop. Beim hören der Platte neigt man rasch dazu, seine Konzentration anderweitig zu verschwenden, drängt sie sich mit ihrer zuckersüßen Verspieltheit doch zu sehr in den Hintergrund. Die Harmonien sind nach einer Zeit zu harmonisch, alles ist weich und Reibungspunkte sucht man vergebens. Es ist alles ein wenig zu sehr wie zu Hause, zu sehr so, wie man es kennt, es nicht missen, aber eben doch nicht immer vor Augen haben möchte. Und dieses heimelige Gefühl, diese retrospektiven Betrachtung der Dinge, suggeriert auch das Booklet, welches mit schönen Bildern alter Fernsehgeräte, Wohnzimmerlampen, Memory Spiel und Mainzelmännchen daher kommt. Und auch wenn Lars Poecks unaffektierte Stimme schöne Zeilen wie "Ich fühl mich heute ein wenig / wie die Beatles vor Rubber Soul / die ganze Welt hält plötzlich still / es geht mir einfach wundervoll" hervorbringt, die mit ihrer Mal mehr Mal weniger geglückten Wortwahl, aber unbeholfenen Reimschul-Versen, das ein oder andere angenehme Lächeln provozieren, Leidenschaft würde ich anders buchstabieren.

Zuhause haben sich aus Mitgliedern von Indie Pop Bands wie Scholle, Brideshead und mit Bassistin Barbara Conrad, sogar aus der semi-legendären Hamburger Band Blobkanal, bei welcher sie bis zur schmerzlichen Auflösung spielte, rekrutiert. Mit den Berliner Reptiphon hat man sich dann auch ein passendes, kleines Label zum veröffentlichen gesucht, dass sich mit genügend Hingabe ihren Bands widmet. Der Hintergrund stimmt also, und mit etwas mehr gefühlter Euphorie will ich ihnen auch nicht den Weg nach vorn verweigern. Und während andere Gitarrenpop Bands mit Impressionen aus der Retorte im musikindustriellen Gewächshaus herangezogen werden, ist es dennoch schön zu bemerken, dass mit zuhause auch heute noch ein eigenständiger, sympathischer Underground im Popbereich hervortreten kann. Und das ist, den frühen Neunziger Jahren doch gar nicht so unähnlich.
foto: kerstin schomburg



zuhause
"dinge an ihrem platz"
reptiphon 2005 cd
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