Sonntag Nachmittag [September 2008]













fotos: manuel kaufmann

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Mogwai [Young Team]

Vor einigen Jahren geizte Steven Malkmus nicht mit Superlativen, als er über Mogwai sagte, sie seien die Band des 21. Jahrhunderts, während ein gewitzter Journalist ergänzte: „It should be noted that the 21st Century has now arrived". Mehr als eine Dekade nach der Veröffentlichung, erscheint Mogwai Young Team jetzt erneut.


"cos music is bigger than words and wider than pictures."
(yes! i am a long way from home)


Als ich vor drei Jahren von den Kollegen des Nillson Magazins darum gebeten wurde, einen Beitrag für ihre vor subjektivem Overkill strotzenden Kolumne "Platten für die Ewigkeit" zu verfassen, musste ich nicht lange darüber nachdenken, was ich der illustren Reihe von Pavements "Crooked Rain Crooked Rain", "Left And Leaving" der Weakterhans oder "Fuel For The Hate Game" von Hot Water Music hinzufügen sollte. "Young Team". Erstmals 1997 als Mogwais Debüt Album erschienen und jetzt beim eigenen Label wiederveröffentlicht. Die Notwendigkeit solcher Rereleases - meist mit einer zusätzlichen DVD, in diesem Fall, ganz wie im ebenfalls wiederveröffentlichten "Crooked Rain Crooked Rain" um eine zweite CD erweitert und den orginären Part etwas druckvoller remastert - ist sicherlich fraglich, meist nur als Sell Out in einer Schaffensflaute zu verstehen und wenn überhaupt als nostalgischer Rückblick berechtigt, doch sagt das nichts über die Qualität dieses Albums aus.

Das offizielle Debüt der Schotten beginnt mit einem Stück, dass sich im Stande sieht, alles zu erklären, worauf es hier ankommt. Da steht ein "Yes" mit einem Ausrufezeichen am Zeilenanfang und eine mädchenhafte, zerbrechliche Stimme lässt ein Pamphlet verlauten, dass größenwahnsinniger nicht sein könnte: Mit dieser Musik würde der Mensch dem schleichenden Gefühl der Existenz beraubt und stattdessen in einen schwebenden Zustand versetzt. Musik sei umfassender als Worte und weiter als Bilder. Und dann greift man zu fantastisch triumphierenden Vergleichen: "Erm, if someone said that mogwai is - are the stars, I would not object." Die eröffnenden Worte sind der Konzertbesprechung einer Bergener Studentenzeitung der frühen Tagen der Band entnommen, und die Stimme gehört einer norwegischen Freundin, die das gesamte Konzept Mogwais auf den Punkt bringt.

"MYT" gelang es bereits am Ende der Neunziger Jahre alles zu zeigen, was die Band jemals sein würde. Allen Entwicklungen ihrer späten Alben griffen sie hier bereits im Ansatz vorweg, und auch die Stilvorlagen zahlreicher anderer Bands, die sich in der Nische des Postrock behaupten würden, lassen sich wie in einem ungeheuren Masterplan schon hier erkennen. Das Spiel zwischen den fragilen, zärtlichen Melodien vor dem Hintergrund der brechenden, erdbebenartigen Klangmauern wird noch von ihnen perfektioniert werden, klingt hier noch rudimentär, experimentell, unsicher, unkonkret, und dennoch ist ein Stück wie Like Herod, einem fast zwölfminütigen, sich langsam entfaltenden und immer wieder die Richtung wechselnden Feuerwerk, kaum einholbar. Flöten, Glockenspiele, Soundfragmente und sogar Fieldrecordings werden ganz selbstverständlich eingebaut; Wie Details auf der akustischen Leinwand arrangiert, um das große Bild in seiner Gesamtheit zu verfeinern. Dabei erfanden sie hier nicht einmal das musikalische Rad neu, sondern verbanden ihrerseits prägnante Stilmittel zu einer beängstigenden Schönheit. Die bombastischen, stellenweise (Ohren-) betäubenden Feedbackorgien erinnern an Sonic Youth, die präzisen, doch dröhnenden Gitarren an My Bloody Valentine, die klanglichen Eskapaden der verwendeten Orgeln an Stereolab. Was Mogwai in ihrem Schaffen jedoch auszeichnet, sich als innovativer Wegweiser verstehen lässt, ist, dass sie jedem Augenblick seine Zeit lassen, niemals durch die gewaltigen Themen hetzen, minimalistische Piano Klänge stetig wiederholen und ein gewaltiges Klangmanifest ringsherum erschließen.

Von den vier neuen, bislang unveröffentlichten Kompositionen, die sich neben fünf Liveaufnahmen unterschiedlichster Orte – fast alle stammen tatsächlich aus dem Jahr der Veröffentlichung von "MYT" - auf der angesprochenen zweiten CD befinden, sind das pianogeführte Young Face Gone Woring sowie das auf disharmonisch verstörenden Klangaufnahmen und scheinbar wahllos eingefügten Gesprächsfetzen eines verzweifelten Telefonanrufers basierende I Don'T Know What To Say eher fragmentarischer Art. I Can't Remember im Anschluss hingegen hätte der erste, wenn auch instrumentale, repititive und tendenziell eher düstere Pophit der Band werden können – lange vor Hunted By A Freak aus dem Album "Happy Songs For Happy People" oder Acid Food aus "Mr. Beast". Doch der wirkliche Augenöffner der vier ungehörten Stücke ist das fast viereinhalb minütige Honey, welches mit sanften Gesangslinien, einem blumigen Glockenspiel und zuckersüßen Harmonien überrascht. Das Schweigen wird hier gebrochen, um über Liebe zu sprechen. Vielleicht traute man sich damals zur Wahrung eines noch eher rüpelhaften, Streetgang-Images nicht, gleich zwei solcher Stücke zu veröffentlichen und entschied sich daher eher für das melancholische Anti-Liebeslied R U Still In 2 It? (Im Übrigen ein sehr schönes Duett mit Arab Strab's Aidan Moffat).

Dabei scheinen alle Stücke der originalen "MYT" Veröffentlichung nur auf einen zusammenfassenden Punkt hinaus zu laufen. Das dringlich anschwellende Katrien, die betont verspielte, melodiöse aber tieftraurige Balade Tracy und auch das unruhig scheppernde A Cheery Wave From Stranded Youngsters. Alle gehen fließend und harmonisch ineinander über, nur um zu guter Letzt in dem sechzehnminütigen Mogwai Fear Satan, dieser epischen, bittersüßen und doch unaufhaltsam brodelnden Hymne zu münden; Dem vielschichtigen, mit massiven Verzerrungen überbordenden, kolossalen Abschluss des Albums, welcher durch die zarte Flötenmelodie getragen, eine bemerkenswert feinfühlige Ruhe erlangt. "If the stars had a sound, it would sound like this." Das gilt noch immer.
foto: steve gullick



mogwai
"young team"
chemical underground 2008 2cd
mogwai

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