3 Kurze [Culture Reject, Eamon McGrath, Clorinde]

Immer wieder schön, wenn man in den allmonatlichen Veröffentlichungen noch kleine Perlen entdeckt, die von solcher Strahlkraft sind, dass man sie am liebsten an einem bedächtigen Ort für die Nachwelt ausstellen möchte.


"come culture reject expect respect / you protect what is good ."
(inside the cinema, culture reject)



Immer wieder schön, wenn man in den allmonatlichen Veröffentlichungen noch kleine Perlen entdeckt, die von solcher Strahlkraft sind, dass man sie am liebsten an einem bedächtigen Ort für die Nachwelt ausstellen möchte. Platten, auf die man verweisen kann, wenn wieder die Rede ist vom Nachlassen der Qualität in der Popkultur. Platten, die nicht nachträglich als Staubfänger im Regal landen. Eine Platte wie zum Beispiel das selbstbetitelte Album des Kanadiers Michael O’Connell, der unter dem Pseudonym Culture Reject sein Debütalbum kürzlich bei White Whale Records vorgelegt hat.

Bei Culture Reject bekommt man wirklich Lust die LP wieder als Ganzes wahrzunehmen, anstatt sich von Single zu Single zu hangeln und sich im Vorfeld erst einmal durch halbgare bis mittelprächtige Songs wühlen zu müssen. Dieses ganze Selektieren wird man bei Culture Reject vermissen, denn konzeptuell dreht sich bei dem Kanadier alles um einen homogen Sound, um Anknüpfungspunkte zwischen den Songs und um Motive, die in veränderter Form von Track zu Track getragen werden. "Fast schon klassisch" könnte man da in den Raum werfen. Und so intuitiv diese erste Vermutung auch anmuten mag, um den Sound von Culture Reject zu beschreiben, so greifbar und triftig ist sie jedoch auch. Schon der Opening Track "Ain’t it on the Floor" wird von einem durchaus präsenten Glockenspiel begleitet, welches immer wieder durch andere Instrumente durchbrochen wird. Nicht mehr ganz so minimalistisch wirkt "Inside The Cinema" – direkt im Anschluss. Das Glockenspiel hört man hier vergeblich, ansonsten aber Bombast und repetitive Motive, die nacheinander von verschiedenen Instrumenten aufgenommen werden, sich ablösen, wiederkehren und später für immer im unteren Frequenzbereich der Lautsprecher verstummen.

Die einzige Komponente, die in dieses Schema nicht so ganz reinpasst ist der Bandname. Culture Reject beschreibt, im übertragenden Sinne, ein kulturelles Abfallprodukt, das man in den 11 Songs des Albums vergeblich suchen wird. Ein anderes kleines Manko mag sich auch bei der Umsetzung der Songs ergeben, denn Culture Reject ist in erster Linie der Multiinstrumentalist Michael O’Connell, der einfach gerne seine Bekannten zu sich ins Studio einlädt, um dann die inspirierendsten dieser Momente auf Band festzuhalten. Auf Tour wird er, wenn er nicht gerade mit allerlei Samplern und Sequenzern solo unterwegs ist, von Benji Perosin und Bernardo Padron (verantwortlich für die Bläsersektion), Paul Costello (Bass/Percussion) und Dylin North (Schlagzeug) unterstützt.

Bleibt nur noch abzuwarten, wie sich Michael O’Connell im November hierzulande präsentieren wird. Der Bonus im gleichem Atemzug mit Chad VanGaalen genannt zu werden, wird ihm hoffentlich volle Häuser bescheren. Culture Reject Live: 01.11. Galao (Stuttgart) /// 03.11. Mme. Claude (Berlin) /// 04.11. Keller Kunsthochschule (Kassel) /// 05.11. Schokoladen (Berlin)

Eamon McGrath hat mit Michael O’Connell jedoch nur wenig gemeinsam. Na klar, beide sind Kanadier, beide haben sich einen Ehrenplatz in der Riege von White Whale Records verdient und beide werden sich den Herbst über in Europa den Arsch abspielen. Aber so allmählich versickern auch schon die Argumente des Vergleichbaren. Eamon McGrath ist im Gegensatz zu Michael O’Connell ein bierseliger Geschichtenerzähler, der sich vielmehr in zwielichtigen Kaschemmen zuhause fühlt, als in der Gesellschaft von Kunststudenten jenseits der Festanstellung.

Gerüchten zufolge soll der nicht mal Zwanzigjährige McGrath schon unglaubliche 18 Alben mit gerade mal 100 Songs in seinem Kämmerlein produziert haben. Davor sollte man getrost den Hut ziehen, das heißt wenn diese Infos ihre Richtigkeit besitzen. Was man jedoch ohne Zweifel sagen muss, ist der Fakt, dass McGrath auf "13 Songs of Whiskey and Light" eine unglaublich rohe, alles vereinnahmende Energie versprüht, die hoffentlich der Anfang einer großen Karriere als erdiger Singer-Songwriter mit Hang zum psychedelischem Punk und Karohemden sein wird. Vergleichsweise könnte da der junge Bruce Springsteen herhalten, dessen Alben "Greetings from Asbury Park, N.J." (1973), "The Wild, the Innocent & the E Street Shuffle" (1973) und "Born to Run" (1975) so etwas wie ein Blaupause für bluesige Singer-Songwriter sind. Doch wobei Springsteen in diesen Jahren immer wieder die Nähe zum Soul gesucht hat, gibt es bei Eamon McGrath soulige Momente nur als Reibungswärme auf der Tanzfläche: roh, kurzweilig und kathartisch. Gitarre einstöpseln. Gain hoch drehen. Einzählen. Fertig.

Doch das soll nicht heißen, dass McGrath nur Testosteron und juvenile Energie versprüht und dass nach der großen Verpuffung keine großen Taten folgen. Ganz im Gegenteil. McGrath ist, wie auch sein herbeizitiertes Vorbild Springsteen, ein exzellenter, bisweilen sogar ausdrucksstarker Geschichtenerzähler, der seine Zuhörer durch lebensnahe Berichte von der Talsohle des Lebens in den Bann zieht. Addiert man dazu noch seine charismatischen Live-Performances wird man sicherlich besser verstehen, warum McGrath seine Texte eher schreit als singt. Er will sich Gehör verschaffen, obwohl er das eigentlich nicht müsste. Die betörende Lautstarke ist eher ein Nebenprodukt. Notfalls lässt sich die Bedächtigkeit, die die Geschichten, wie McGrath sie erzählt, eigentlich verlangen, zuhause herstellen - auf der heimischen Stereoanlage.

Bedächtigkeit ist allerdings auch ein gutes Stichwort, um den Ansatz des italienischen Ambiet-Duos Clorinde zu beschreiben, die derzeit auf "The Creative Listener" die Rückkehr zur Langsamkeit feiern.

Clorinde haben ihren Namen vermutlich einem Asteroiden zu verdanken, der 1889 von Auguste Charlois entdeckt wurde. Falls das jedoch nicht der Fall sein sollte, dann haben sich die Brüder Andrea Salvatici and Simone Salvatici wenigstens einen wirklich wohl klingenden Namen für ihr Projekt ausgewählt. Homogen ist auch ihr Ansatz von Musik, der immer wieder verschiedene Instrumente miteinander kombiniert, die in dieser Form höchstens bei den experimentellen Isländerinnen von Amiina oder bei Hauschka zu hören sind. Da finden sich neben den herkömmlichen Saiteninstrumenten, die die Popmusik für sich gepachtet zu haben scheint unter anderem auch Xylophone, Glockenspiele, analoge und digitale Synthesizer und auch diverses Schlagwerk.

In der Summe fallen die kleinsten Teile jedoch nur noch als bloße Geräusche auf. Als Versatzstücke, die miteinander spielen und sich umkreisen, die sich ohne Herkunft in den cinemascopen Sound von Clorinde einspeisen lassen. Bei der Fülle an Instrumenten, die auf "The Creative Listener" verwendet werden, hört man auch irgendwann auf, nach ihren eigentlichen Namen zu forschen und gibt sich ganz der Versenkung hin. Man lässt sich in den Strom hineinziehen.



Culture Reject
"s/t"
white whale records, cargo 2009 cd
Culture Reject





Eamon McGrath
"13 songs of whiskey and light"
white whale records, cargo, 2009, cd
Eamon McGrath





Clorinde
"the creative listener"
etruscan records, 2009, cd
Clorinde

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