BootBooHook Festival [21. + 22. August 2010, Hannover]

Natürlich war die zuletzt geschriebene Ankündigung nicht nur ein bisschen Werbung, sondern auch eine Hypothese – und ein bisschen Hoffnung. Das BootBooHook hat sich der Prüfung unterzogen und sich, zumindest auf das Nötigste, bewährt.

„BootOoKooHooTooHook – or what?“ (Ninja, The Go! Team)



Unser Festivalwochenende beginnt nicht mit der euphorischen Bändchenabholung. Es beginnt mit dem Drücken der Klingel an einer Neuner-WG, denn: Das BootBooHook ist nur mit raren Campingplätzen ausgestattet, und weil das Campingticket auch noch studentischruinöse acht Euro extra kostet, haben wir uns fürs Couchsurfing entschieden, wobei man bemerken muss, dass wir eigentlich nicht so richtig wussten, auf welchen Host wir uns da einlassen.

Letzteren bekommen wir während des Wochenendes in Hannover in der Wohnung auch gar nicht zu Gesicht, dafür einige andere nette Menschen, die WG ist eigentlich eher ein persönlich eingerichtetes Hostel als ein persönlich belebter Raum – und ist und bleibt deswegen harte Konkurrenz für das schnuckelige Festival, wegen dem wir ja eigentlich von Berlin hierher getuckert sind. Nach Niedersachsen.

Dafür treffen wir auf dem Gelände, das wenige Minuten von unserer Unterkunft entfernt mitten im Studentenviertel Linden liegt, gleich ganz viele Freunde. Das ist ein undiskutierbarer Vorteil jeglicher kleiner Festivals, und auch der Grund aus dem ich sie einfach lieber mag als ihre großen Brüder. Die Musik wird, wie auf jedem Festival, ziemlich schnell eine besonders schöne Nebensache; das Publikum, auf dessen großer Anteil die Bezeichnung Hipster unüberraschenderweise sehr gut passt, die Location, die alte Bettfedernfabrik zwischen Wohnhäusern in Straßen, auf denen kleine türkische Kinder fangen spielen, und der Pizzastand sind mindestens genauso interessant. Wir verlieren uns schnell im Strudel des verlaufenden Tages, der mit Sonne gesegnet ist, und die Auftritte von Friska Viljor und The Notwist rauschen auf der Hauptbühne an uns vorüber. Sie sind legendär feuerwerksähnlich wie erwartet (und erhofft) und fabrizieren Gänsehaut sogar in den Gesichtern.

Als wir am nächsten Mittag ausgeschlafen und gutgelaunt zu unseren Bekannten treffen, die noch verkatert zwischen den Zelten hocken, gibt es Neuigkeiten, die ganz offensichtlich die Stimmung trüben: Nachts hat es Diebstähle gegeben, ganze Zelte wurden komplett ausgeräumt, Wertgegenstände wurden teilweise trotz Anwesenheit der Schlafenden aus den Zelten geklaut – zumindest ist es das, was gemunkelt wird. Jetzt gibt es mehr Ordner und mehr Zäune, die Organisatoren sind selbst schockiert und tun ihr Bestes; das muss man ihnen zugestehen. Es kann wohl nur besser werden. Wir werfen uns eindeutige Blicke zu: Unser Host klaut nicht. Es lebe das Couchsurfing.

Als wir neben der Hauptbühne das erste Bier erwerben, kommt statt Bambi Kino Teles Frontsänger, Francesco Wilking, auf ebendiese. Bambi Kino fallen aus, aber der Ersatz ist nicht schlecht, also: Alle zufrieden. Bernd Begemann hebt befreiend die Stimmung noch weiter hoch, denn er ist lustig und dreht ganz nebenbei auf dem BootBooHook den Trailer für den Bundesvision Song Contest, an dem er dieses Jahr augenscheinlich aktiv beteiligt ist. Dafür muss das Publikum sich natürlich von seiner besten Seite zeigen, deswegen ziehen wir uns mit unseren Pornobrillen in den Schatten zurück und jubeln von weiter hinten.

Den ganzen Nachmittag verbringen wir auf der großen, vollen Wiese vor der Blue Stage und freuen uns ganz besonders über The Go! Team: Die Briten beweisen wieder einmal, dass Gott sie auf der Bühne sehen will. Während der ersten drei Lieder ist Fotografieren im Graben erlaubt, und natürlich können es nur fantastische Bilder werden. Diese Frontsängerin! Sie kann nicht von dieser Welt sein. Ihre Energie ergreift die leuchtenden Gesichter der Menge, die fasziniert von unten heraufstarren und gar nicht verstehen, wieso ihre Beine sich ganz von selbst bewegen.

Die „Atmo“, wie Frank Spilker (Die Sterne) sagt, verändert sich, sobald Hot Chip die Bühne betreten – natürlich, die Jungs sind eben keine Ninjas, aber die Musik wirkt erfüllend und irgendwie befriedigend. Kurz bei Fertig, Los! Reingehört, zwei Lieder genügen, wir sind glücklich. Wir denken, nach diesen Auftritten kann es eigentlich nur schlechter werden, denn eine Steigerung ist kaum noch möglich – und leider haben wir auch Recht damit. Denn von der übrigen Musik sehen wir nicht mehr viel.

Die Hauptbühne wird geschlossen. Ein Hereinkommen in die Green Stage, die Bratze und Egotronic bereichern sollen, ist schier unmöglich. Wir versuchen es zwischen 24 und 3 Uhr ständig, aber die Schlange wird nur länger. Bratze wird, spontan scheinbar, auf eine Leinwand übertragen, die auf der Hauptbühne draußen hängt, aber wegen der Anwohner wird der Ton auf kaummehrhörbar gedreht. Wie sie aussehen wissen wir doch.

Tatsächlich schaffen wir es kurz bevor Egotronic Good-Bye sagen doch noch, uns irgendwie hereinzuquetschen, und das Quetschen hat sich gelohnt. Egotronic überziehen als könnten sie unsere Gedanken lesen, und wir kommen in den Genuss eines fast kompletten Konzerts. Wir kommen verschwitzt und euphorisiert zurück in die WG und freuen uns, dass wir am nächsten Tag an einem riesigen Tisch in Ruhe frühstücken können und kein Zelt abbauen müssen. So ein Festival mitten in der Stadt stellt alle anderen in der Pampa in den Schatten.

Tapete Records, die das BootBooHook-Festival dieses Jahr zum dritten Mal auf die Beine gestellt haben, entschuldigen sich auf ihrer Homepage offiziell für alles, was so schiefgelaufen ist. Natürlich läuft auf einem Festival immer etwas schief, aber meistens ist es vor allem das Wetter, zumindest in dieser Hinsicht ist das BootBooHook 2010 davongekommen. Aufgrund des Staus vor der Green Stage soll zu 2011 das Konzept nochmals stark durchdacht werden; was das für das BootBooHook, das sich ja gerade durch seine Lage und die Location definiert und außerhalb dieser Gemäuer kaum vorstellbar ist, bedeutet, wird sich wohl in naher Zukunft klären. Wie auch immer: Solang sich der tolle Name nicht ändert, werde ich auch nächstes Jahr wieder dort sein.

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