Hansen Band [Keine Lieder Über Liebe]

"Und erst recht nicht dieses hier".
Die Hamburger Band Hansen, eigentlich dem Film Keine Lieder Über Liebe des Regisseurs Lars Kraume entsprungen, bewegt sich zwischen gekünstelt real und authentisch gespielt.



"na klar hab ich angst. die können mich trotzdem am arsch lecken!"
(markus hansen)


Die "Rocklopedia Fakebandica" von T. Mike Childs beschäftigt sich biographisch mit denjenigen populären Bands, welche nur in dem Paralleluniversum des Films existieren. Dazu gehören natürlich Spinal Tap genauso wie Fuck You Yankee Blue Jeans aus Kevin Smith’s "Clerks" oder Barry Jive and the Uptown Five aus "High Fidelity". Was die Hansen Band anbelangt, so sind diese ein hochspezieller Fall, der sich zwischen unserer Wirklichkeit und eben jener Scheinwelt bewegen. Keiner der vielen Konzertbesucher der inszenierten Clubtour der Band aus dem Hamburger Grand Hotel Van Cleef kann deren Wahrhaftigkeit bestreiten. Dennoch leben sie auch in und durch den pseudodokumentarischen Film "Keine Lieder Über Liebe" von Lars Kraume. Wenn dort Sänger Markus Hansen sagt, dass sich das letzte Album der Band nicht sonderlich gut verkauft habe und sie auf der anstehenden Tour einfach nur eine gute Zeit haben wollen, dann klingt das selbstverständlich authentisch, bis auf den Aspekt, dass das vorliegende Album der Hansen Band in unserer Welt tatsächlich deren Debüt Album ist. Und es fraglich sein dürfte, ob diesem noch ein weiteres Folgen wird. Nicht, weil es sich wie das fiktive Vorgänger Album schlecht verkauft, sondern vielmehr, weil es fraglich ist, ob die einzige fiktive Person der Band, eben jener namengebende Markus Hansen, in unserer Welt als Schauspieler Jürgen Vogel tätig, tatsächlich Zeit für eine weitere Aufnahme mit der Band haben wird. Das alles nur zur einleitenden, allgemeinen Verwirrung.

Selbstverständlich ist jedem, der sich mit dem auseinandersetzt, was weitläufig als deutschsprachiger Indie Rock subsumiert wird klar, dass sich hinter dem Namen Hansen keine Geringeren als Tomte’s Thees Uhlmann, Kettcar’s Marcus Wiebusch, Olli Schulzes Hund Max Martin Schröder und Home Of The Lame Singer/Songwriter Felix Gebhard verbergen. Und eben Jürgen Vogel, aka Markus Hansen als Sänger. Somit sind Hansen ein wenig wie die Blues Brothers, eine aus einem Film herausgewachsene Band, die es mit der echten Welt aufzunehmen weiß.

Hansen erscheinen zwar wie ein Allstar Projekt des Hotel Labels, schließlich sind die drei Köpfe des Hauses, Uhlmann, Wiebusch und Reimer Burstorf – letzterer nicht leibhaftig, aber als Liedschreiber anwesend – involviert. Da sich im allgemeinen jedoch die Stimme als überblendendes Charakteristikum durchsetzt, klingen sie auch ein wenig nach einer tomtekettcaraffinen Coverband, einer jener Bands, die es sich auf dem Trittbrett einer populären musikalischen Ausrichtung bequem gemacht haben, um hier und da Aufmerksamkeit und Verträge einfahren zu wollen. Dies dürfte unzweifelhaft daran liegen, dass die Stücke von Thees Uhlmann nun einmal eindeutig nach Tomte klingen, selbst wenn der notorisch mürrisch daherkommende Uhlmann nicht persönlich am Mikrofon steht; Jürgen Vogel hat eindeutig von ihm gelernt, denn diese melancholisch gequälte Stimme intoniert auch dieser in Frankreich einwandfrei. hansen Und Marcus Wiebusch, der als Songschreiber schon Parallelen zwischen seiner alten Band …but Alive und der Jetzigen kaum von der Hand weisen kann, erfindet sich für Hansen ebenfalls nicht neu. Das wäre auch schwer vorzustellen, schließlich fischt man mit der Band in den gleichen Gewässern wie eben erwähnte. (Mit Strand hat man sogar ein Stück im Programm, welches nicht nur wie ein Alternate Take des alten Non-Album Tracks Hippie von Kettcar klingt, sondern tatsächlich bis auf ein paar Detail Veränderungen am Text und einem überarbeiteten musikalischen Arrangement Kettcar ist.) So erinnern Zeilen wie "Und niemand ist gerne alleine / Wenn ein Krieg ausbricht / Und niemand ist gerne zu dritt / wenn eine Träne fließt" (Frankreich) nicht von ungefähr an den kantigen Seelenschmerz von Tomte Songs, oder "Und was man verdient / Ist nicht was man bekommt / Willkommen an der Front" (18. Stock) an die optimistische Midlifecrisis Theatralik von Kettcar Stücken. Lediglich die von Max Martin Schröder geschriebenen Beiträge klingen ein wenig neu, ein wenig nach dem Stil, den man Hansen vielleicht zuschreiben möchte, würden sie denn tatsächlich existieren. Dies liegt aber vermutlich eher daran, dass Schröder mehr als Backgroundmusiker hinter seinem Bandkollegen Olli Schulz steht, und sein persönlicher musikalischer Output weniger geläufig ist.

Das Songwriting ist natürlich nicht alles, und so sticht Jürgen Vogel als Besonderheit ins Auge. Nur vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Band, des Films, seiner selbst als Figur des Markus Hansen, kann Vogel tatsächlich überzeugen. Kann damit überraschen, dass man es ihm nicht zugetraut hätte. Dass man die vielen singenden Schauspieler und Schauspielerinnen kaum ernst nehmen möchte, ob der vielen gescheiterten Versuche, auch wenn sich darunter immer wieder unerwartete Überraschungen wie zuletzt Julia Hummer verbergen. Fühlt mit, wenn er hinter der Bühne Salz in Wunden gestreut bekommt und dann doch raus muss. Freut sich über den Enthusiasmus der so authentisch rüberkommt und der Angst die sich lampenfiebrig in seinen Augen spiegelt. Lässt man all dies jedoch beiseite ist Vogel ein mittelmäßiger Sänger, der kaum wirklich zu überzeugen weiß. Das ist aber genau der Aspekt, den es zu betrachten gilt. Während man im Film mit großen Augen die Akteure auf den Clubbühnen unseres Landes verfolgt, verlieren sich diese visuellen Bestandteile des Konzeptes Hansen auf Platte gepresst. Kein zwischenmenschliches Drama hinter der Bühne nachdem Markus Hansen mit Tränen in den Augen trotzig auf die Bühne kommt, ganz der Profi, ein pflichtbewusstes "Ich muss da jetzt raus" auf den Lippen.

Was hier also mit dem Album "Keine Lieder Über Liebe" vorliegt ist mehr eine Zusammenfassung, eine originell arrangierte Best Of Kompilation des Grand Hotel Van Cleefs, als eine eigenständige, innovative Neuerrungenschaft. Und über die Existenzberechtigung von Best Of Platten außerhalb ökonomischer Perspektiven darf man getrost streiten. Dann lieber die Tour besuchen oder gleich auf das neue Tomte Album warten, welches im Frühjahr erscheinen wird.
foto: felix gerhard


hansen band
"keine lieder über liebe"
grand hotel van cleef 2005 cd
hansen band