Was bedeutet es eigentlich für einen Künstler im "Schatten von jemanden zu stehen"? Im Falle der australischen Folk-Perle Laura Imbruglia, die in diesen Tagen ihr Debutalbum veröffentlicht, bedeutet dieser Schatten die immer gleichen Fragen nach der eigenen Herkunft. Aber reicht dies, um auch international Erfolg zu haben?
"i'm all out of faith / this is how i feel
i'm cold and i am shamed / lying naked on the floor"
(natalie imbruglia, torn)
Laura singt und schwitzt neben ihrer Backing-Band – im Trio. Auf ihrem selbstbetitelten Erstlingswerks huldigt sie nicht nur der klassischen Schrammelgitarren-Fraktion, sondern entwirft ihre eigene Formel aus Folk, Punk und einer Brise Selbstironie. Besonders letzteres wird zum Faszinosum der Platte und ergießt sich in Kaskaden über den Hörer. Laura hält sich den Spiegel vor das Gesicht und erzählt surreale Geschichten aus ihrem Leben, von verrückten Wissenschaftlern und den spätestens seit "Donnie Darko" in der Popkultur angekommenen Kaninchen-Mythos.
„I had a trolley full of carrotts
and started looking for a rabbit.
I passed a guy whose eye was cabbaged,
and searched his unattended baggage."
Nicht nur Looking For A Rabbit ist ein Beweis für Lauras unübertreffliche Fantasie, die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Sie macht keinen Unterschied zwischen Kopfsalat und Anarchisten (Lettuce And Anarchists). Alles hat seinen Platz und wird Teil ihrer Fantasiewelt.
Doch reicht der Hang zur Selbstironie leider nicht aus, um auf der ganzen Linie zu überzeugen. My Opus beispielsweise ist der augenzwinkernde Versuch in psychedelische Nostalgie abzudriften und verliert sich in cheesigen Melodien und belanglosen Themen. So hart wie es klingt, aber „It’s getting worse". Leider hält der Song, was er verspricht und spätestens mit „Hurt my feelings" zuckt der Finger und sucht die Skip-Taste.
„An insignificant other? Tell me and I’ll put on a mask."
Und während Laura im Wunderland immer noch auf der Suche nach dem entschwundenen Kaninchen ist, drängt sich spätestens beim zweiten Hördurchgang ein kleiner Schimmer von Banalität in die noch entzückten Gehirnwindungen. Es war doch alles so sympathisch? Die schroffe Art, die lustigen Texte, der Hang zum Dilettantismus – alles Dinge, die man heutzutage zu schätzen weiß. Es sind vor allen Zeilen wie: „I sense impending doom is being signified. I don’t need doom, I need apple pie" (My Opus), über die man stolpert und einfach nicht darüber hinweg kommt. Sicherlich ist der Reiz von surrealistischen Texten und sinnentleerten Textphrasen nicht auszuschließen, aber es kommt immer auf die Umsetzung an und die wird in diesem Fall wie ein D-Zug gegen die Wand gefahren. Was übrig bleibt ist das Kondensat von drei Songs für die auch allemal eine EP ausgereicht hätte.
Liebe Laura,
es war schön mit dir, nur leider kann ich nicht mehr bei dir bleiben. Ich mag deine Stimme und deine Art sie einzusetzen, nur willst du mir manchmal einfach zu viel und realisierst dafür zu wenig. Nimm dir beim nächsten Mal etwas mehr Zeit und fange endlich an Songs zu schreiben. Mein Gott, du sollst ja nicht die Welt verändern. Kopf hoch, ich weiß, dass du das schaffst. Zur Not kannst du dir ja jemanden engagieren, zum Beispiel den netten Herrn, der die Songs für deine Schwester schreibt.
Die besten Grüße,
Holger.
foto: motor fm
laura imbruglia
"laura imbruglia"
silversonic 2007 cd
laura imbruglia
Laura Imbruglia [Laura Imbruglia]
Laura Imbruglia macht Musik. Tolle Musik sogar. So toll, dass sie in ihrer Heimat Australien bereits wahre Begeisterungsströme und hektische Hamsterkäufe ihres selbstbetitelten Debüts auslöst. Man schätze eben ihre verschrobene Art und kenne ihre große Schwester; der Name Imbruglia ist schließlich bekannt, sogar weit außerhalb Australiens. Doch anders als ihre glatte, popverzogene, große Schwester Natalie, die dem Kitsch und der großen Geste der Musikindustrie zum Opfer fällt, wandelt die 24-jährige Laura auf eigenen Pfaden. Und wie könnte es auch anders sein, liegen diese musikalischen Pfade weit ab vom konventionellen Liedgut ihrer Schwester Natalie. Man könnte fast von einer kindlichen Rebellion ausgehen – bloß nicht so werden, wie die eigene Schwester. Aber Laura Imbruglia wäre nicht Laura Imbruglia, wenn sie das alles nicht schon wissen würde. Sie spielt die Rolle der kleinen nörgelnden Schwester ziemlich gut. Außerdem macht sie nicht den Fehler und versucht ihrer Schwester Natalie nachzueifern, sondern geht ihre eigenen Wege.
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