Destroyer [Trouble in Dreams]

Wenn man bedenkt, dass mich mein 15 Jahre jüngerer Großcousin beim Kinderkniffel um Längen schlägt und ich Kreuzworträtsel nur mit Fantasiewörtern fülle, weil mir die richtigen Lösungen nicht einfallen wollen, dann gehören Knobeleien aller Art nicht zu meinen Stärken.

A blind doe learns to work the rig /
A once-thin man turns into a pig /
The endless groves wherein my soul
pukes the night away

(Shooting Rockets)


Doch weil ich mir diese Schande nicht eingestehen will und sie mich wie ein schlechtes Omen Tag für Tag verfolgt, habe ich mir heute das schwierigste aller Rätsel vorgenommen. Mein Lehrmeister sei in diesem Fall Daniel Bejar, Mastermind und Kniffelkönig der kanadischen Band Destroyer. Dieser hat mit „Trouble in Dreams“ ein wahrlich kryptisches Meisterwerk veröffentlicht, für dessen Entschlüsselung man eine eigene Dechiffriermaschine entwerfen müsste.

„Trouble in Dreams“ ist kein Kreuzworträtsel im herkömmlichen Sinne, sondern die bereits 10. Veröffentlichung der kanadischen Band Destroyer und ihres Heads Daniel Bejar, der nicht nur in Vancouver für sein unorthodoxes Songwriting und seine herausfordernden Lyrics bekannt geworden ist. In der alten Welt werden ihn einige durch seine Kollaborationen mit The New Pornographers kennen (man denke nur an das wunderbare Myriad Harbour oder an das etwas bedächtigere Entering White Cecilia auf dem letzten New Pornographers-Album “Challengers“). Doch nicht nur bei den Pornographers hat Bejar seine Spuren hinterlassen: zusammen mit Spencer Krug von Wolf Parade engagiert er sich bei der Merge-Allstar-Band Swan Lake und unterstützt seine Freundin Sydney Vermont bei den hauptsächlich akustisch gehaltenen Hello, Blue Roses. Destroyer, Bejars Hauptband, bleibt leider noch immer hinter den vielen erfolgreichen kanadischen Exportschlagern zurück. Nichtsdestotrotz haben sie sich mit Merge Records eine wirklich förderungswillige Plattform gesucht, auf dem auch schon Arcade Fire ihr Portfolio hinterlegt haben.

Abseits der vielen Referenzanalysen und Kollaborationsketten öffnet Daniel Bejar mit “Trouble in Dreams“ wieder einmal seinen ganz persönlichen Rubik Cube, in dem alles von seiner markanten Stimme umgeben ist. Dieser Zauberwürfel besteht – um zu dem eigentlichen Rätsel der Band Destroyer zurückzukehren –aus verschiedenen Klangfarben, die ständig miteinander kombiniert werden. Der rote Faden im Destroyer-Kosmos ist Bejars charismatische Stimme, die sich wie ein Teppich über die Musik legt. Variabel, jedoch nicht unbeständig füllt er den Raum aus und erhebt sich mit seiner poetischen Tiefe zu schier unendlichen Assoziationsketten. Die Songs auf „Trouble in Dreams“ sind allesamt aus mehreren Blickwinkeln betrachtbar. In The State beispielsweise berichtet Bejar auf der einen Seite von einer animalischen Staatsmacht, die dem Erzähler die Augen mit ihren Nägeln auskratzt, auf der anderen Seite jedoch wird diese Allmacht zu der Metapher einer sich langsam auflösenden Beziehung, die nur noch durch Verlustängste zusammengehalten wird.

Nachzulesen sind diese und andere Interpretationsansätze auf dem hauseigenen Destroyer-Wiki (Destroyer-Wiki) – einem Wikipedia-Clon, der sich mit der Dechiffrierung der Destroyer-Texte befasst. Im bekannten Wiki-Design kann man sich durch einen Großteil der Lyrics manövrieren und wird durch Querverweise zum Diskussionsforum geführt, dass neben textlichen Analogien zur griechischen Mythologie auch populärwissenschaftliche Ansätze möglich macht. Außerdem findet man eine Übersicht des bisher veröffentlichten Destroyer-Backkatalogs und ein wirklich gut sortiertes Rezensionsarchiv. Und dank des bekannten Wiki-Prinzips kann jeder seinen Beitrag leisten. Herausragend sei in diesem Sinne auch der Ansatz der Betreiber der Seite: „This is an attempt to annotate Destroyer lyrics. However, no attempt is made at describing what a song is about. I don't know what any of them are about." Wie Recht sie doch haben.

Ob es letztendlich eine richtige Auslegung von „Trouble in Dreams“ gibt, weiß nur Daniel Bejar selbst. Hat es überhaupt jemals die eine universelle Antwort auf eine Frage gegeben? Vielleicht führt er uns alle nur an der Nase herum und denkt sich irgendeinen diffusen Kram aus, den niemand verstehen kann oder aber er versucht einer einseitigen Textaussage durch eine vorzeitig angelegte Universalität zuvorzukommen. Vielleicht liegt die Antwort auch näher als vorerst angenommen: letzte Woche habe ich erneut mit meinem kleinen Großcousin geknobelt und wieder haushoch verloren. Danach habe ich ihm Destroyer vorgespielt. Er verstand den „komischen Onkel mit der leiernden Stimme gar nicht so richtig", aber zur Musik hat er sich dennoch geäußert: „Englisch haben wir erst nächstes Jahr, aber dazu kann man bestimmt schön tanzen.
foto:

Destroyer
"Trouble in Dreams"
Merge Records, 2008, CD
Destroyer bei myspace
Destroyer-Wiki