My, my. Hey, hey, Rock 'n' Roll is here to stay.
Lakonisch und doch voller Begierde scheppert der trockene Bluesrock der Black Keys aus der Industrie Metropole Akron, Ohio.
(the lenghts)
Im New York des Jahres 1957 wurde eine Platte veröffentlicht, welche einen prägnanten Titel trug und damit ursprünglich den Beginn einer Stilrichtung initiieren sollte, nebenbei jedoch gleich noch einen Begriff prägte, welcher in der heutigen Jugendkultur nicht wegzudenken ist, und laut Duden gleichbedeutend mit nüchtern, lässig und sachlich ist; Birth Of The Cool von Miles Davis, als Ursprung des Cool Jazz. Was in der heutigen Zeit alles unter dem Sujet cool betrachtet wird, haben sich die neun Musiker um Miles Davis wahrscheinlich nicht träumen lassen, als sie erwähnte Platte in einem New Yorker Studio aufgenommen haben.
Verlassen wir jetzt aber das New York der fünfziger Jahre als Schmelztiegel expressionistischer Künste, literarischem Geschick, Jazz, Psychoanalyse und sexueller Revolution, hin zur Gegenwart und der desolaten Industrie Stadt Akron, Ohio, Geburtsort der Anonymen Alkoholiker und ehemalige Hochburg der Gummiproduktion der Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Ort, an dem der Begriff cool durchaus in einem ungleich nüchterneren Kontext betrachtet werden muss. Dennoch ist es der wohl treffsicherste Begriff meines Wortschatzes, welcher zumindest ansatzweise den Sound der Black Keys zu charakterisieren weiß. Auf den ersten Blick wirken Gitarrist und Sänger Dan Auerbach und Schlagzeuger Patrick Carney auch weniger nach Prêt-à-Porter, als vielmehr nach detailverliebtem Indie Nerdismus; Während Auerbach in der Armeejacke eines Großstadtguerilleros wie eine jugendlich derbe Mischung aus Kevin Devine und Steven Malkmus erscheint, erinnert der hünenhafte, hornbebrillte Carney so introvertiert wie der Archetyp des achtziger Jahre Computerfreaks, äußerlich gewiss an den Weilheimer Martin Gretschmann alias Console.
Die Geschichte der beiden Jugendfreunde erzählt sich dann auch so anekdotenbesetzt wie ein Film von Richard Linklater oder Cameron Crowe; als Gartenbautechniker für einen Grundstücksbesitzer in Akron und Umgebung, mähen sie fremde Rasen und verdienen sich so Geld, um ihre Musik zu finanzieren. Aus dem gleichen Grund verlieren sie aber irgendwann ihre einzige Geldquelle, und touren jetzt in einem Pick-Up durch die umliegenden Regionen, und produzieren eine Debüt Platte, welche bei den Kritikern überraschend für Aufsehen sorgte.
Auch die Tatsache, dass sie ihr zweites Album "Thickfreakness" in einer verschwindend kurzen Zeit - unterschiedliche Quellen schwanken zwischen zwölf und sechzehn Stunden – produziert haben, dürfte einer legendären Hintergrundgeschichte dienlich sein. Während die stilverwandten White Stripes - ein nahe liegender Vergleich nicht nur aufgrund der instrumentalen Reduktion auf Schlagzeug und Gitarre – jedoch ein großes Augenmerk auf eben solche Gerüchte schürenden Legenden Kollagen richten, scheint das die beiden Mittzwanziger der Black Keys nur peripher zu interessieren. So liegt es auch nahe, ihr drittes Album nach dem selbsteingerichteten Studio im zweiten Geschoß einer ehemaligen Reifenfabrik, wenig Aufsehen erregend "Rubber Factory" zu betiteln. Eine Wahl, die dem klaren Schema ihrer Musik gleichkommt. Ohne Umschweife oder verklärten Ausschweifungen kommen die Black Keys in ihren, zwischen Minimalismus und schrägen Explosionen angesiedelten Stücken, direkt auf den Punkt.
Ihre schweißtreibende Musik ist ein dreckiger Lo-Fi Mix aus Auerbachs trockener Fuzz Gitarre, und dem leidenschaftlichen Klang seiner Stimme, die , ähnlich wie bei Ryan Adams, so ausgewogen reif klingt, wie man es gewöhnlich bei Sängern entdeckt, die mühelos doppelt so alt sind wie der Fünfundzwanzigjährige. "And hold me now, or never hold me again. No more talk can take me from this pain I’m in." Vorangetrieben wird beides durch Carneys schepperndes, geradlinig auf den Punkt kommendes Schlagzeug. Die Black Keys generieren damit einen sperriger Rock 'n' Roll Sound, sozialisiert durch die gesamte Blues Geschichte begonnen bei den traditionellen Ursprüngen der Plantagenarbeiter des amerikanischen Südens bis hin zum reduzierten Ansatz der Gegenwart. Sowohl Auerbach als auch Carney, der neben dem Schlagzeugspiel auch noch für die Produktion Verantwortung zeigt, sind enorm talentierte Songschreiber und Musiker. Auerbach kann subjektiv betrachtet, mit seinem virtuosen und eigenständigen Umgang mit der Gitarre als einziges melodiebildendes Instrument in dem Duo, als einer der innovativsten Gitarristen unserer Zeit betrachtet werden. Sein Spiel erinnert nicht selten an die gequält jammernde Gitarre eines Jimi Hendrix oder Jimi Page, ohne dabei nur Plagiat zu sein. Stücke wie das lässig ausgefeilte 10 AM Automatic oder All Hands Against His Own sind mit ihrer scheppernd ruppigen Abgeklärtheit einer mittlerweile bornierten John Spencer Blues Explosion Meilen weit voraus. Den Black Keys gelingt es mit "Rubber Factory" so herrlich subversiv und unaffektiert, ihren rohen Blues Rock über die gesamte Albumlänge zu transportieren, ohne dabei an Qualität zu verlieren. Und roh ist hier im Sinne von Garagen Blues, von einem Gegenentwurf zum trägen, Guiness trinkenden dartpfeilwerfenden Bluesrockers gemeint, in einer Produktionsweise, die Rick Rubin mit all seinem Talent nicht hätte erzielen können. Es scheint, der Hype steht vor der Tür.
"You’ve got pains like an addict, I’m leaving you 10 am, Automatic."
Es gibt nur cool und uncool und wie man sich fühlt.
foto:
The Black Keys [Rubber Factory]
"to treat somebody so, the care he took, the lengths to which he'd go."
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