Wie du immer auf den AB gesprochen hast, nur damit ich nicht nach Hause komme und allein bin.
Ich bin vorbeigekommen, weil ich dich noch einmal sehen wollte. So, wie ich dir das damals versprochen hatte. Damals, als wir noch rote Marmeladenflecken an die weiße Tapete in meiner nun leer stehenden Wohnung malten. Weißt du das eigentlich noch? Du hast versucht, Herzen zu malen, so, dass ich sie nicht erkennen kann. Weil du nicht wolltest, dass es kitschig ist. Dass ich mir denken könnte, du malst sowas gerne. Dabei hast du es für mich getan und weil du mir Herzen schenken wolltest. Dein eigenes hast du jedoch immer behalten. Ich wollte dich noch einmal sehen, kurz, bevor ich gehe. Weil du der bist, der mir als einziger noch ganz fest in Erinnerung ist und ich kann dich dort nicht vorziehen. Daher dieser Besuch.
Vielleicht lässt du dich dann ja doch dazu herab, mich allein zu lassen. So, wie du das damals nie wolltest. Weißt du noch, wie du mir immer auf den AB gesprochen hast, nur, damit ich nicht nach Hause komme und allein bin? Es waren lange Monologe, über dich und deinen Tag, über dich und deine zwei Daumen. Weil du die immer so hässlich fandest und dir das immer nur beim Telefonieren auffiel. Oder du hast mir von den Mustern deiner Socken erzählt, weil du immer neue kauftest, wenn dir langweilig war. Aber da hast du mich nie besucht.
Ich möchte dich zum ersten Mal in den Arm nehmen, so, wie wir das früher immer nicht machen wollten. Weil das ja doch schon jeder Fremde zur Begrüßung gemacht hat und, dass uns ein einfacher Handschlag reichen würde, das wussten wir auch. Aber irgendwann wollte ich dich umarmen. Doch dann konnte ich nicht mehr, weil alles viel zu schnell ging und wir uns schon über irgendetwas unterhielten.
Ich habe dich manchmal vermisst in diesen Gesprächen, denn du warst nicht ganz da. Hast mich angesehen, jedoch so leer, als wärst du schnell auf Reisen gegangen und würdest erst dann wiederkommen, wenn ich fertig bin. Dabei hattest du auf alles eine Antwort, auch, wenn dein Blick so leer war.
Weißt du noch, als ich hingefallen bin, weil etwas im Weg lag und du mir hoch geholfen hast? Wie ich nach deiner Hand gegriffen habe, weil ich diese wirklich brauchte? Es war komisch, aber du hast sie danach nicht mehr losgelassen. Ich habe mir nicht weiter Gedanken darum gemacht, weil ich nicht darüber nachdenken wollte.
Ich wollte dir eigentlich noch etwas geben, aber mein Mut hat mich verlassen. Ist geradewegs zur Tür hinaus gewandert und schreit sich jetzt im kalten Herbstwind die Kehle aus dem Leib. Weißt du, ich wollte ihn festhalten, aber er hat mich gekratzt und gebissen, sodass ich nicht anders konnte als ihn laufen zulassen. Sowas ist schrecklich, denn immer dann, wenn man ihn braucht, ist er nicht da.
Weißt du noch, wie du mir heimlich einen Zettel zugesteckt hast und ich ihn erst fand, als ich Wochen später meine Taschen leerte? Ich wusste zuerst nicht, dass er von dir war, doch dann hast du mich irgendwann danach gefragt und alles was ich sagen konnte war "danke". Ein Zettel, auf dem nur ein Wort stand, so ähnlich wie "gefunden". Ganz genau weiß ich das nicht mehr. Ich wusste auch in diesem Moment nicht, was du mir sagen wolltest. Oder wie du versucht hast, mir klar zu machen, dass Denkschablonen vernichtet gehören. All das hatte ich nie verstanden. Bis ich selber denken wollte um dich zu verstehen.
Ich bin eigentlich nur vorbei gekommen, um dir das alles zu sagen. Doch wie gesagt, mein Mut spielt draußen Quatsch mit Soße, also bitte entschuldige mich. Ich muss ihn suchen gehen.
Text: Anna-Maria Dahms
illustration: heiko windisch
600 Wörter [Marmeladenflecken Und Mut]
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