Lost in Zeitlosigkeit.
Das Schwedische Sextett mit dem hingebungsvollen Namen, wird mit dieser Platte endgültig unter den ganz großen Bands unserer Tage avancieren. Versprochen.
(transcendental suicide)
The Soundtrack Of Our Lives. Nein. THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES. Hier sind Großbuchstaben nötig. Hinterlässt das neue Album "Origin (I)" beim ersten Hören eine anfängliche Euphorie von Pop, eröffnet sich einem mit der Zeit eine Detailverliebtheit, die in ihrer Ausgiebigkeit und Entschlossenheit eine nahezu zeitlose musikalische Relevanz aufweist. Zeitlos. Nicht jedoch als platte Attitüde, als Plagiat, im Revival Wahn, zweckdienlich bestimmte Epochen kopierend, sondern als intensive Reflexion der Vergangenheit im Spiegel der Gegenwart. Zeitlos im "Exile on Mainstream Sinne". Im "White Light / White Heat" Sinne. Fällt der adoleszente Soundtrack des Lebens der Musiker einer Band zurück auf die späten Sechziger und frühen Siebziger Jahre, dann ist es eben nicht verwunderlich, dass musikalische Stilzitate auf eben diese Zeit zurückgreifen.
Hier geht es um mehr als einfache Musik. Der Name The Soundtrack Of Our Lives ist nicht profaner Ausspruch, sondern selbstbeschwörerischer Anspruch. Leidenschaft im Imperativ. Mit den drei Vorgänger Alben haben sich TSOOL ganz offensichtlich auf das zu bewegt, was sie mit "Origin (I)" erreicht haben; die Spatzen pfeifen sich mit Superlativen die Stimmbänder wund, ganz gleich auf welchen Dächer sie sitzen. Eine solch leidenschaftliche Intensität, ein solch abgeklärter und selbstverständlicher Umgang mit melodieverliebten Kunstgriffen, eine solch gereifte Umsetzung der Essenz einiger Jahrzehnte Popmusik dürfte seines Gleichen oft vergebens suchen. 12 Stücke Rockpop im Konzert auf hohem, spielerischem Niveau als erlesene Auswahl der Arbeitsergebnisse der Origin Sessions. Schließlich wurden hier rund 45 Stücke nach einer zwei Jährigen US Tour entwickelt.
Wähnt man sich zu Beginn der Platte noch für einen kurzen Augenblick in einer rauchigen Drei Groschen Oper, indiziert durch das verwegene Zusammenspiel von Swing Schlagzeug und Bass, entwickelt Belive I've Found durch die einsetzenden Gitarren, den Handclaps und den Backgroundgesängen eine verspielt sehnsüchtige Cachiness, aus welcher andere Bands mit Freude das Konzept für ein ganzes Album herausschälen würden. "And there goes my heroes, and all that i used to trust." Wie in der Overture zu The Who's "Tommy" werden im Intro zu Trancendental Suicide, dem zweiten Stück der Platte, die verschiedenen Bausteine des Stückes durchlaufen, um danach, zurückgesetzt, geordnet und im Songwriting präzise auf gut sechs Minuten, ein mächtiges psychedelisches Stück Leidenschaft epochalem Ausmaßes zu entfalten. "And love is in the air for a trancendental suicide." Vor dem geistigen Augen malträtiert Keith Moon sein Schlagzeug während Townsend die Windmühle gibt. Und während das Lied ausklingt, bleibt wenig Zeit zum durchatmen, weil die Rockpop Zeitmaschine schon wieder angeschmissen scheint, und man in das nächste Stück über gleitet. Bigtime. Zwei Gitarren für ein Hallelujah und eine Basslinie für die Ewigkeit! Instrumente, die so verschwenderisch mit Hooklines umgehen, dass anderen Bands schwarz vor Augen wird. Ein Stooges Schlagzeug, die Gitarren von Ian Person und Mattias Bärjed jagen mit der grazilen Präzision zweier Falken nach vorn, dazu die mit ausreichend Soul belegte Stimme von Reverend Ebbot Lundberg, und man verliert sich in Bewegung. "Does anybody know you? Will anybody need you? Can anybody please you? Does anybody have to?" Repeat Button, bitte! Im Lone Summer Dream überzeugt das Sextett aus Schweden durch eine verspielte Leichtigkeit, bei der die beiden Gitarren wie Drachen in den morgendlichen Himmel zu steigen scheinen, gehalten von dieser wundersam kindlichen Orgel und dem sanft antreibenden Schlagzeug. "But then I wake up to a sound, and I hear it call my name." Lundbergs Stimme wird von einer Trompete aufgegriffen und scheint endgültig alle Wolken zu vertreiben. Ganz im Gegensatz hierzu scheint das geradezu laszive Stück Midnight Children auf einer durchaus erotischen Ebene zu schweben. Maßgeblich hierfür steht ein Name. Jane Birkin. Jane - Je t'aime... Mon non plus - Birkin. Ebbot lamentiert lässig. Jane Birkin haucht auditive Aphrodisiaka. Ein kindlicher Traum hat sich mit diesem Duett erfüllt, gesteht der markante Sänger. Anekdotenhaft berichtet er, dass sein Vater die Platte mit dem begehrlichsten Stück Pop Duett Geschichte zerbrechen musste, da der kleine Ebbot nicht davon ablassen konnte Serge Gainsbourg und Jane Birkin in seinem Zimmer sinnlich Liebesgeständnisse flüstern zu lassen.
In ganz andere Richtung wiederum scheinen sich die beiden letzten Stücke des Albums zu bewegen. Song For The Others, wie im Booklet erwähnt, soll neben einer Freundin der Band an Rocco Clein erinnern, den Anfang des Jahres verstorbenen Archetyp des Musikliebhabers. Rocco selbst prophezeite in nicht zu minderndem Enthusiasmus, 2004 als das Jahr für TSOOL. Das Piano, gesangsbegleitend im Vordergrund, führt in diesem Stück Gedanken an ein Jenseits vor Augen, Gedanken an ein niemals ganz erlischen, ohne dabei esoterisch oder plump zu wirken. "When you’re gone to never disappear." Ein hoffnungsvoller Umgang mit dem Kommen und Gehen von Menschen. Mit dem gleichen Thema befasst sich der Cliffhanger des Albums, Age Of No Reply, das auf fast sieben Minuten Länge zunächst als Midtempo Stück beginnt, und sich im Verlauf in einem wabernden Doors Orgel Solo, und später in einem endlosen Gitarrensolo verliert, um dann sanfte Pet Sounds Chöre erklingen zu lassen, und den Hörer auf das Nachfolge Album Origin (II) warten lassen.
Groß. GANZ GROSS. danke.
foto:
The Soundtrack Of Our Lives [Origin I]
"cause we need new songs to sing and it feels like we know everything."