Ani DiFranco [Trust]

She is trying to evolve.
Ani Difranco offenbart uns einen weiteren Punkt ihrer künstlerischen Entwicklung.




"art is why i get up in the morning, but my definition ends there and it doesn't seem fair."
(out of habit)


Sie ist eine außergewöhnliche Frau; Feministin, Poetin, Künstlerin, politisch engagiert und immer in Bewegung, sei es auf der Bühne oder in ihren ständig variierenden Outfits. Aber vor allem ist sie eines: Musikerin mit Herzblut, großartige Gitarristin und Folksängerin mit Hingabe. Ani DiFranco's neues Livealbum mit dem schönen Titel "Trust" spiegelt all das wieder. Vielleicht war es wieder ein Drang nach Veränderung, der die auf den ersten Blick spärliche Besetzung der Musiker bewirkte: Ani, fast allein mit ihrer Gitarre, wird begleitet von dem fantastischen Kontrabassisten Todd Sickafoose und teilweise kommt noch der New Yorker Gitarrist Tony Scherr hinzu. Die Virtuosität, mit der die beiden Hauptakteure ihre Instrumente erklingen lassen lässt jedoch nichts vemissen, Ani ist wohl eh am Besten, wenn sie ganz auf sich selbst gestellt ist; nur sie und ihre Gitarre.

"But I am tired of being your savior and I am tired of telling you why."

An den stahlenden Gesichtern im Publikum lässt sich leicht ablesen, warum das bunt gemischte Publikum gekommen ist: sie wollen Ani's Musik hören, spüren, fühlen, in sich aufsaugen. Ein bisschen zerbrechlich wirkt Ani, wie sie dort fast allein auf einer bescheiden ausgestatteten Bühne steht. Und doch hat sie ein starkes und kraftvolles Wesen, wirkt wie eine, die alles schaffen kann. Eine Einzelkämpferin. In ihrer Musik und ihren Gedichten, welche sie an diesen Abenden ebenfalls darbietet, tauchen demnach auch Verzweiflung, Trauer und Wut ebenso häufig auf wie Glück, Liebe, Dankbarkeit und Schönheit. Meist geht es um Zwischenmenschlichkeit, Probleme oder kleine Glücksmomente. Ani versteht es, ihre Unzufriedenheit oder Glücksgefühl über wunderbare Augenblicke in passende Worte zu bringen, welche an diesen Abenden von einer Dolmetscherin in Gebärdensprache übersetzt werden. Ani hat ihre Anhänger nicht nur aufgrund ihrer Musik, es ist auch ihre Person und ihre Aussagen, die die Menschen anzieht. Der nicht rein musikalische Charakter der Veranstaltung, welcher wir hier nachträglich beiwohnen dürfen, wird auch durch die Anwesenheit politischer Gruppierungen, zum Beispiel feministischen Vertreterinnen oder Mitarbeitern der Graswurzelwerkstatt, klar, welche versuchen, die Besucher für sich zu gewinnen oder einfach über ihre Tätigkeiten zu informieren; überall sieht man Buttons und T-Shirts mit politischen Statements oder Lebensweisheiten. "Die Leute sind nicht nur wegen der Musik hier, sondern wegen der Gemeinschaft", sagt Ani selbst. Doch nicht nur ihre Anhänger äußern ihre politische Meinung, mit dem Auftritt des Kongressabgeordneten Dennis Kucinich gibt Ani auch ein Statement ab. "Dennis ist einer von uns", sagt sie, "er ist so, wie ein Politiker sein sollte". Ihre folgende "Vote Dammit! Tour" verkündete somit auch, dass ein Regierungswechsel ganz in ihrem Sinne gewesen wäre.

"I am indebted joyfully to all the people throughout its history who have fought the government to make right."

Der zentrale Punkt des an zwei Abenden im 9:30 Club, Washington, DC, aufgenommenen Films ist nichtsdestotrotz die Musik; eine so eigene Klangwelt, in die Ani ihre Zuhörer immer wieder entführen kann, mit Bauchkribbeln und glänzenden Augen. Die Songauswahl reicht weit in das große Repertoire Ani Difranco's zurück. Die über 20 Songs beinhalten Lieder aus alten Tagen, wie Anticipate von dem ’94er Album "Not So Soft" oder Gravel vom ’98er Album "Little Plastic Castle", genauso wie vier neue Songs, die auf dem für Januar 2005 vorgesehenen neuen Album "Knuckledown" erscheinen sollen.

"I gotta knuckle down - just be ok with this"

Und neben der Stimmung, welche während der Konzerte eingefangen wird, bekommt man als Zuschauer einen weiteren, kleinen Einblick in die Person Ani Difranco hinter den Kulissen. Mithilfe der Kameraleute JoJo Pennebaker, Paul Greenhouse und Elia Lyssy werden nicht nur die Momente auf und vor der Bühne, sondern auch die Szenen im Backstagebereich eingefangen. Viele Songs sind so geschnitten, dass sie beim intimen Proben und im Hinterzimmer oder beim Soundcheck beginnen, bevor sie auf die eigentliche Aufführung springen, und umgekehrt. Mit dem geschickten Einsatz von Effekten wie ein Super8-Kamera-Rauschen, wechselnder Schärfe, einer warmen Farbwahl und liebevoll verspielten Zwischenfrequenzen hat der bekannte Musikfotograf und Filmemacher Danny Clinch die sympathisch unkonventionell gefilmten Szenen zusammengefügt, und erschuf dabei ein in sich stimmiges, künstlerisch charmantes Gesamtwerk. Die Kameraleute verstanden es dabei, wunderbare, für sich sprechende Momente einzufangen, die Ani auch mal ein wenig von ihrer persönlichen Seite zeigen. Ein besonders schönes Beispiel hierfür ist die Schlussszene, in der Ani und Todd auf einer nächtlichen Brücke tanzen. Ein Moment, der ein Lächeln auf meinen Lippen hinterlässt. Und die Vorfreude auf das kommende Album.
foto: ingo petramer



ani difranco
"trust"
righteous babe records 2004 dvd
ani difranco