The Wedding Present [Take Fountain]

Herzschmerz und große Melodien.
The Wedding Present machen deutlich, wie eine Trennung als Quelle der Inspiration zu wunderschönen Popsongs führen kann, ohne in das tiefe Tal der Depression hinabsteigen zu müssen.


"but how can i just shake his hand, when it has been all over your skin?"
(mars sparkles down on me)


Normalerweise sind neue Veröffentlichungen von Bands, die schon eine fast zwanzigjährige Bandgeschichte hinter sich haben und seit Längerem nichts von sich hören ließen, nicht mehr als Nostal-gieveranstaltungen. Nicht so The Wedding Present. Zugegebenermaßen ist der Autor mit der musikalischen Vergangenheit von David Gedge und Anhang nicht vertraut und so ist dieses Album von ihm nicht in einem musikalischen Kontext zu verorten. Doch "Take Fountain" klingt jung und frisch, es könnte ein Debütalbum sein. Bezeichnend dafür mag sein, dass aus der Gründungszeit von The Wedding Present nur Simon Cleave übrig geblieben ist und Gedge sich ansonsten im Laufe der Zeit mit neuen Musikern umgeben hat. Es ist nicht von einem anachronistischen Sound geprägt, der vergangene Zeiten heraufzubeschwören sucht, vielmehr wird die Auseinandersetzung mit der Gegenwart gesucht, auch wenn gleich zu Beginn dem Altmeister in Sachen Spaghettiwestern-Soundtrack gehuldigt wird.

Die gleichförmige Atmosphäre des etwas öden, weil auf der Stelle verharrenden Intros, wird jäh durch eine Gitarre unterbrochen, die mit Interstate 5 ein Stück von epischer Breite einleitet. In über acht Minuten wird in der Extended Version ein Spannungbogen mit hypnotischen Gitarrenklängen und angedeutetem Streicherteppich in linearer Weise aufgebaut, der sich anschließend in einer Western-Allegorie bricht, die Ennio Morricone alle Ehre gemacht hätte. Und so zeichnen die Engländer The Wedding Present ein amerikanisches Roadmoviebild, welches ebenso wie bei Morricone einen unwillkürlich europäischen Touch annimmt. Es ist zwar der einzige Song von solch einer monumentalen Kraft, dennoch steht er für genau das, was dieses Album ausmacht. Eine starke Melodielinie eingebettet in einen eindringlichen Sound, der dem Hörenden atemlos zurücklässt.

"When the one thing that you most adore is just about to walk out of the door". Ausgangspunkt des Albums ist der Schmerz über die Trennung von Gedges langjähriger Freundin und musikalischer Weggefährtin Sally Murrell, mit der er von 1998 bis 2002 unter dem Namen Cinerama drei Alben veröffentlichte, und sein darauf folgender Umzug nach Seattle. Die dort entstandenen und in Chicago sowie Seattle von Producer Steve Fisk aufgenommenen Songs sind von Trauer und Schmerz beherrscht, Gedge blickt mit Wehmut auf gegangene Tage zurück, das Verarbeiten seiner gescheiterten Beziehung zieht sich durch das gesamte Album. Dennoch scheint ein helles Licht durch die Songs hindurch, besonders Always The Quiet One und I’m Further North Than You vermitteln eine Leichtigkeit, die den besungenen Liebeskummer angenehm abfedert, anstatt ihn tief in der Magengrube versinken zu lassen.

"Anyway your eyes confirm what I already knew more than all your words could ever do." Unbeschwert führt das Gitarrenspiel in Don’t Touch That Dial ein und stellt einen starken Kontrast zum niedergeschlagenen Gesang Gedges dar. Immer stärker rückt der Verzerrer in den Vordergrund um Freiraum für Wut zu schaffen, die es zu kanalisieren gilt. Eine voluminöse Schrammelwand wird aufgebaut, die nach dem Zenit wieder in das lockere Gitarrenspiel abfällt, um von einem Piano unterstützt zurück in die Stille zu gleiten.

The Wedding Present verstehen es, sich auf vielfältige Art und Weise auszudrücken, ohne dabei beliebig zu wirken. Immer wieder werden mal sanfte mal ruppige Gitarrenwände aufgebaut, die anstatt einer verzweifelten Depression Platz für eine nachdenkliche Traurigkeit schaffen, die in einen durchsichtigen Schleier von Erinnerungen gehüllt ist. Dies endet zuweilen in fast schon hymnischen Klängen wie bei Queen Anne. Zunächst werden minimalistisch anmutende Klänge von weiten Streicherteppichen, angedeutetem Chorgesang und treibenden Gitarren abgelöst. Doch endet das gerade einmal vierminütige Stück wie bereits Interstate 5 in einer westerngleichen Atmosphäre die von Gitarre und einer einsam klagenden Trompete beherrscht wird.

"The more you smile the more I know that I’ll never make you sad." Bei all der Melancholie und tiefen Traurigkeit, die sich wie ein roter Faden durch das Album spannt, wird mit Perfect Blue ein positiver Schlusspunkt gesetzt. Ein hymnenhafter Popsong, der sich über die ganze Weite des musikalischen Raums ausbreitet und den endgültigen Beweis für die Behauptung darstellt, David Gedge gehöre zu den absoluten Größen des Pop. Oder um es mit John Peels Worten zu sagen: "The boy Gedge has written some of the best love songs of the Rock’n’Roll era. You may dispute this, but I’m right and you’re wrong!"
foto: select magazine, may 1992



the wedding present
"take fountain"
stickman records 2005 cd/lp
the wedding present