Decibel und Schoolyard-Bully.
Der arg konstruierte, und in unseren Gefilden zunächst auf fragende Gesichter stoßende Name, lässt zunächst auf etwas ganz anderes schließen, als sich tatsächlich dahinter verbirgt.
"i left home with the rising sun, if i ever find my way back home, i'm gonna tell you."
(i'm gonna tell you)
Die Bilder amerikanischer Vorstädte, mit ihrer organisierten Anonymität zeugen von einer Tristess, die bisweilen auch in den Stücken des Septetts wieder zu finden ist. "Sing Out America!" scheint hier als eindeutiger Ratschlag gemeint zu sein. Der Titel der Platte und der Name der Band thronen fragmentiert wie Wolken über der wenig überzeugenden Idylle. Akustisch setzt sich die Musik aus elektrischen und akustischen Gitarren, verbunden mit dem Klang von Rhodes, Lap Steel Gitarren, Banjo, zahlreicher Perkussion Instrumenten und einer verspielten, ideenreichen Rhythmussektion zusammen.
Im Herbst 2001 gründete sich die Band um die Multiinstrumentalisten William J. Seidel, W. Kenneth Siebert und Nick Westfahl. Auf unzähligen Touren wurde die Band immer weiter ausgedehnt, zunächst zweckdienlich, um die aufgenommenen, mit einer Vielzahl von Overdubs arrangierten, opulenten Stücke auch live umsetzen zu können, um dann schließlich 2002 ihr Debüt Album "You Might Be A Winner, You May Ba A Loser, But You’ll Always Be A Gambler" selbst zu veröffentlichen. Das gerade veröffentlichte dritte Album bewegt sich zwischen eingängiger Melodieführung, Experimetierfreudigkeit, politischer Aufgeklärtheit und blasierter Verspieltheit. Selbstverständlich darf bei einem gewählten Titel wie dem hiesigen, eine gewisse gesellschaftliche Kritik nicht fehlen. Decibully suggerieren dies mit ihrem Stück Notes For Our Leaders recht plakativ. "Sidewalk chalk writers leave notes for our leaders / Who cover our eyes with candy and bubblegum", singt Seidel zu Beginn des Stückes. "Welcome to the states / Here is a flag and a minimum wage / Be grateful for what you’re given."
Decibully überzeugen genau dann, wenn sie sich auf ihre Stärken berufen. Ein siebenköpfiges Ensemble sollte sein Hauptaugenmerk auch auf diese Besonderheit legen. In Stücken wie I’m Gonna Tell You, dem Opener des Albums, kann es nicht offensichtlicher sein. Ein breiter Klang, pointiert durch die betörend verspielten Klänge des Banjos ebnet dem androgynen Gesang von William J. Seidel den Weg, sich in einem melancholischen Stück Weltschmerz zu verlieren. Überall strömen neue Klänge empor und vermischen sich im Höhepunkt des Stückes zu einem eruptiven Ganzen, bevor es nach fast fünf Minuten ausklingt und Handclaps in das zweite Stück hinüber klingen. Megan & Magill, ein mit treibenderem, Snare betonten Schlagzeug nach vorn zielendes Mittempo Stück glänzt durch eine verspielte Aufnahmetechnik. Die sieben Herren haben das Stück gleich zweimal aufgenommen und die Tonspuren jeweils auf den linken bzw. rechten Ausgang gelegt, was dem Stück einen spannenden Stereo Mix verleiht. Ein intelligentes und kreatives Gespür für Melodien steckt in einer vielzahl der zehn Stücke.
Die Band verliert jedoch mit jedem Song, bei dem man sich auf das Basis Songwriting einer dreiköpfigen Band konzentriert, und die weiteren Instrumente nur hier und da wie eine kleine Beigabe wirken, obgleich das Album, so weiß der Pressetext zu berichten, das erste ist, welches von dem Septett gemeinsam geschrieben wurde. Die erste Single etwa, das eingängige Penny, Look Down ist leider nicht mehr als eine gewöhnliche Pop Rock Nummer, die zwar verspielte Ideen aufweist, aber im großen und ganzen auch ohne Rhodes und Banjo auskommen würde, ohne dass dies das Stück maßgeblich beeinträchtigen würde.
Überraschen und polarisieren - und hierbei ist sich der Autor noch nicht ganz seiner Position sicher – dürfte keineswegs das Stück Temptation, ein acapella vorgetragener Bastard aus Beach Boys Ballade, Gospel Versatzstücken und mehrstimmigem Gesang, der in einem selbstironischen Gelächter endet.
Ein ausgewogenes, repräsentatives Album ist der Band mit "Sing Out America!" fraglos geglückt, welches mit mehr Mut zur Abstraktion gewiss mit Ausnahme Bands wie den Norwegern Jaga Jazzist oder den Kanadiern Broken Social Scene schritt halten könnte, denn die Ideen und auch das Potential für einen solchen Schritt stehen den Nordamerikaner ohne Frage zur Verfügung.
foto: chris strong
decibully
"sing out america"
polyvinyl records 2005 cd
decibully
Decibully [Sing Out America]
Decibully. Ein Name, der zunächst für Verwirrung sorgen sollte, denn weder geht es hier um Lautstärke noch um einen schikanierende Gruppe von tyrannischen Schlägern, sondern vielmehr um ein kleines Musiker Kollektiv aus Milwaukee, Wisconsin. Auf der aktuellen, dritten Veröffentlichung, zeigt sich, dass man im Hause Decibully seine Lektion aus Pink Floyd, Nick Drake, Queen, Beach Boys und Jeff Buckley gelernt hat. Dies soll zunächst nur eine Unterstellung sein, denn der Autor dieses Textes muss gestehen, dass ihm die Band bislang völlig unbekannt war.
tags:
Decibully,
musik,
plattenbesprechung,
Polyvinyl