In 80 Tagen um die Welt.
Oder in weniger als fünfzig Minuten durch Raum, Zeit und Traditionen. Doch manches Mal verlangt das Verfolgen der eigenen Ideen ein weit aus couragierteres Selbstverständnis, als vielleicht vorhanden ist.
"and all that ever mattered will someday turn back to batter like a joke."
(dondante)
Das affektiert wirkende Namedropping im Pressetext darüber, dass Produzent John Leckie bereits mit Pink Floyd, den Stone Roses und Radiohead zusammen gearbeitet habe – meines Erachtens nach sollen große Namen, die ohne direkte Verbindung zu dem Werk Erwähnung finden, nur notdürftig vorhandene Makel kaschieren – und die nur oberflächlich ausdrucksstarken Zitate der großen internationalen Musikpresse scheinen mir jedoch ebenfalls nur wenig Greifbares gefunden zu haben. Wenn das britische Magazin Uncut also logisch zu folgern versucht, dass alles Fehlende auf dem jüngsten Coldplay Album "X&Y" auf dem My Morning Jacket Album "Z" zu finden sei, so ist dies ebenso wenig gerechtfertigt wie die seltsam daherkommende Idee des Rolling Stone Magazine, das hier die amerikanischen Radiohead ausruft. So funktioniert moderner Musikjournalismus; Bands werden durch Bands erklärt. Ich sage: In den besten Momenten klingt die Band nach den Flaming Lips, was jedoch auch nichts weiter als metadiskursive Mutmaßung meinerseits wäre. Wie armselig begrenzt man doch ist.
Auf "Z" wagen sich My Morning Jacket in die unterschiedlichsten Genres, verbinden Folk mit Country, Americana und sogar Reggae, ohne ihre eigenen Wurzeln zu vernachlässigen. Einflüsse von solch großen Namen wie Neil Young, The Band oder den Allman Brothers liest man, wenn man sich umschaut. Heute möchte man vielleicht Ryan Adams, Wilco oder Spiritualized ergänzen. Elektronische Klänge, Off Beats und Keyboard Arrangements bereichen ihre Musik seit der letzten Platte. Das eingangs erwähnte Into the Woods, bei dem man sich neben einer singenden Säge plötzlich mit einem skurrilen Männerchor konfrontiert sieht, ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel in der Band steckt. Dondante hingegen ist ein sich langsam enthüllender, sehr auf Gefühl bedachter Opus, bei welchem die Band all ihre Stärken und ihr Hinwenden zum Detail ausspielt und vor allem durch Jim James reichhaltige stimmliche Qualitäten überzeugt.
Doch das Album bewegt sich zwischen jenen beiden Polen, die auch der Titel "Z" selbst suggeriert; die bedeutungsschwangere Vielfalt die Eingangs Erwähnung fand und die schlichte Reduzierung auf sich selbst. Zum Verhängnis scheint mir letzten Endes eben auch diese unausgeglichene Bewegung zwischen den beiden Richtungen zu werden.
Zum einen überschattet eine beinahe zwanghafte Stilvielfalt die guten Ideen – etwa das mit Reggae Allüren vorangetriebene und eher platte Off The Record. (Auch wenn das Ende zu überraschen weiß, entwickelt sich das Stück doch plötzlich in eine an Air erinnernde, verspielte Pop Ambient Nummer). Dass es sich hierbei um ein wirklich großes Album handelt wird noch durch ein anderes Extrem verhindert; die häufige und bei der Begabung überflüssige Rückbesinnung zum Rock. Im ganz klassischen Sinne. Gitarrensolo, Basslinie halten, Schlagzeug auf die Zwei und die Vier. Anytime und Lay Low sind Beispiele, in welchen man an alte Tage des stadionfüllenden Rockkonzertes erinnert wird, was leider nicht unbedingt das Erstrebenswerteste ist. Klar geradeaus gerichteter Southern Rock, schnörkellos und wenig einfallsreich und so auch die letzten Nickelback, Bon Jovi und unkritischen U2 Mitläufer mobilisierend. Das macht "Z" leider zu einer Platte, um welche die Rolling Stone Redaktion vermutlich noch lange herum tanzen wird, doch all die Vergleiche und angezeigten Verweise belegen eben auch, dass hier zwar ein gutes Album, aber leider auch nicht mehr vorliegt. In zu viele Richtung streckt man die Arme, zuviel wird angerissen aber doch nicht innovativ genug ausgekostet. Wo Radiohead sich um Meilen vom limitierten Rock aus "The Bends" Zeiten entfernt haben, werden My Morning Jacket mit eben diesen Tagen verglichen. Nicht oft genug führt die Band ihre wirklich guten Ideen konsequent aus und produziert so neben beeindruckenden Kompositionen enttäuschende Platzfüller. Es geht nicht darum sich zwanghaft neu zu erfinden und eine kopernikanische Wende nach der anderen zu proklamieren, aber im Großen und Ganzen ist vieles auf diesem Album an anderer Stelle schon gehört und vielleicht auch besser umgesetzt worden. Oder wie es der Guardian treffend benannte: "intensely lovely, but essentially conservative".
foto: danny clinch
my morning jacket
"z"
red ink 2006 cd
my morning jacket
My Morning Jacket [Z]
Z. Z ist der letzte Buchstabe des lateinischen Alphabetes. Z steht symbolisch für komplexe Zahlen in der Mathematik. Z ist auch das Pseudonym des ermordeten Oppositionsführers im gleichnamigen französischen Film von Regisseur Constantin Costa-Gavras aus dem Jahre 1969. Dass Zed tot sei, haben wir aus Quentin Tarantinos Gangster Farce "Pulp Fiction" gelernt, während Z im altgriechischen Alphabet für "Er lebt" steht. Die fünfköpfige Band My Morning Jacket aus dem amerikanischen Lousiville, Kentucky, hat sich also einen mystisch aufgeladenen und nur schwer fassbaren Titel für ihr viertes Album ausgewählt. Ebenso schwer fassbar und zu kategorisieren ist die darauf eingespielte Musik. Versuchen auch die drei blauen Vögel auf dem Coverbild am offenen Bauch eines weiteren Vogels die Organe auszumachen und mittels gezücktem Skalpell zu operieren, müssen sie doch feststellen, dass Herz, Lungenflügel und Magen munter und willkürlich in grotesk urban anmutenden Innereien mobil sind. Nichts ist so wie es scheint und alles geschieht dennoch einfach so. Oder mit Sänger Jim James Worten "I went over the river and into the woods. Where did I go?" (Into The Woods).
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