Absentee [Schmotime]

Herzlich Willkommen im Indiemusiktheater, Vorhang auf und Bühne frei - Showtime für Absentee! Die Londoner beglücken mit ihrem farbenprächtigen Debüt "Schmotime" und liefern pünktlich zu Sommeranfang erste Lieder für einen vorzüglichen Sonnensoundtrack.



"should i laugh or should i cry? i laugh."
(there's a body in a car somewhere)


Adam Green tut’s neuerdings, Brad Roberts (Crash Test Dummies) schon länger, und mit Dan Michaelson kommt der, der sie alle beide in den Schatten stellen und den tiefen Gesang ganz nach oben bringen wird. Wenn man "Schmotime", das erste Album seiner Band Absentee einlegt, mag man vieles erwarten – nicht aber eine derart tiefe Stimme. Sein grandioses Grummeln, das ihm laut Bandhomepage den Namen „Gottes Rülpser“ eingebracht hat, nimmt auch erstmal für mindestens zwei Tracks ein. Doch spätestens dann wird klar, dass sich hinter Michaelson als dem unverkennbaren Markenzeichen eine wilde, vor Ideen sprudelnde Band verbirgt, die sich hier ein bunt-tanzbares Denkmal setzt.

Da wären zum Einen Melinda Bronstein am Keyboard, die mit kindlichen Hintergrundgesängen immer wieder Kontraste setzt und für Abwechslung sorgt, und Gitarrist Babak Ganjei, der nebenbei sämtliches Artwork für "Schmotime" übernahm. Außerdem Schlagzeuger Jon Chandler und zu guter letzt Reverand Lawrence Earlitzer, der Bass spielt, seit Urmitglied Romeo Stodart ausstieg um mit seiner eigenen Band The Magic Numbers durchzustarten. Zusammen touren die fünf Londoner seit 2004, unter anderem mit den Shout Out Louds und Architecture in Helsinki.

Mit mehreren EPs und Singles machten sie sich bei den Kritikern beliebt, darunter das 6-Track-Album "Donkey Stock", welches der NME mit Platz 26 auf seiner Liste der Alben des Jahres 2005 auszeichnete. Auf "Donkey Stock" findet sich auch eine erste Aufnahme von Something to Bang, die erste Singleauskopplung, die besonders durch ihren Text besticht: "I’m tired of being a man, there’s always something to bang", singt Michaelson und setzt damit einen der Höhepunkte der Platte. Im zugehörigen Video spielt das Quintett seine Instrumente mit Taschenlampen im Dunkeln – nur ein Beispiel für den scheinbar unbegrenzten Ideenreichtum der Briten. Weitere sind in We should never have children, einem Song über ein hässliches Paar, zu finden, in dem ironischerweise Kinderchöre zum Einsatz kommen.

Die Band hat, nicht nur wegen ihres brummenden Sängers, etwas Verschrobenes an sich. Wäre sie eine einzige Person, würde man sie wohl einen komischen Kauz nennen. Trotzdem ist sie gleich sympathisch, vielleicht, weil hier nichts so aussieht, als sei man auf den großen Erfolg, auf allseitige Beachtung und großes Geld aus. In den Texten wird nicht jemand Fremdes angesprochen, sondern sich meistens über sich selbst lustig gemacht. Zuhause sind Absentee bei dem kleinen Label Memphis Industries (The Go! Team, Field Music). Die Platte erscheint hier zulande allerdings bei Cooperative Music, einem Zusammenschluss mehrerer amerikanischer Labels für den Vertrieb in Deutschland. Alles scheint, als würde diese Gruppe nicht für andere, sondern allein für sich Musik machen, einfach ein bisschen die Zeit festhalten wollen, weil die gerade so gut ist.

Jeder Track von "Schmotime" erzählt Geschichten zu verschiedensten Themen, und selbst wenn ein Text melancholisch ausfällt, bleiben die Instrumente fast immer beschwingt, lustig, fröhlich. Das macht das Album zu einem außerordentlich gut geeigneten Sommer-Soundtrack, obschon es zwischendurch abdriftet und beliebiger, allgemeiner wird. Denn bei einem sonnigen Picknick will man schließlich nicht knappe vierzig Minuten lang bloß zuhören, sondern lieber mitten in der Unterhaltung aufspringen und lostanzen müssen, weil gerade diese Melodie jetzt im Moment so unglaublich rockt. Gründe dafür gibt es überall: Mal sind es die Gitarren, die besonders auffallen, im nächsten Moment tun sich die Tasten hervor, zum Beispiel durch die Orgelklänge im Opener More Troubles. Es finden sich Ohrwürmer wie Weasel, ein Countryexperiment (Truth Is Stranger Than Fishin’) und die obligatorische Ballade am Schluss (Treacle). Und natürlich gibt es auch herrliche Bläserarrangements.

Produziert wurde das Ganze übrigens von James Ford, der schon bei den Arctic Monkeys an den Reglern saß. Und trotzdem: Absentee liefern ein Debüt ab, dass sie nicht hoch in den Hype-Himmel heben wird, auch wenn der NME bereits Notiz genommen hat. Noch nicht. Stattdessen verschaffen sie sich vorerst einen festen Platz im großen Indietheater, und bleiben unser kleines Geheimnis. Komme, höre, tanze – und sag es weiter!
foto:



absentee
"schmotime"
cooperative music 2006 cd
absentee