Fred Van Lente, Ryan Dunlavey [Action Philosophers!]

Können Philosophen witzig sein? Nun ja, „history's A-list brain trust“ bietet schon einige Anekdoten, denen man schmunzelnd gegenübertreten kann. Fred van Lente und Ryan Dunlavey haben daraus eine bemerkenswerte Comic Reihe kreiert.


"a-choo! !@#$! swedish winters!"
(rené descartes)


Humorvolle Anekdoten gibt es durchaus: Begonnen bei dem Griechen Diogenes (ca. 400–323 v.Chr.), der Alexander dem Großen „Geh mir aus der Sonne!“ entgegnete, als dieser ihn Fragte, ob er einen Wunsch habe, über Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), der bei der Nachricht über Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770-1831) Tod sarkastisch mit Frankfurter-Slang „Nu ist der Weltgeischt dot“ konstatiert haben soll, bis hin zum legendären Angriff auf Karl Popper (1902-1994), bei dem Ludwig Wittgenstein (1889-1951) einen Schürhaken schwang. Dass man philosophische Theorien durchaus allgemeinverständlich und humorvoll auf angenehmem Niveau verarbeiten kann, bewiesen etwa Filme wie "I Heart Huckabees" oder "Waking Life". In ähnlicher Weise geht auch die Comic Reihe "Action Philosophers!" vor, auch wenn offen bleibt, ob ein Comic witzig sein muss. Die überaus originelle Reihe von Autor Fred van Lente und Zeichner Ryan Dunlavey zielt ohne Zweifel darauf ab, ohne dabei nicht auch andere Qualitäten vorzuweisen. Was nach einer postmodernen Kulmination von überzogenem Actionhero Comicheft und hochtrabendem Philosophieexkurs klingt, ist genau dies!

Dass die vorliegende Reihe, wenn auch preisgekrönt, nur in englischer Sprache vorliegt, ist selbstverständlich einerseits der bei uns vorherrschenden Stellung des Comic im Allgemeinen und andererseits natürlich der zunächst sehr exklusiv anmutenden Zielgruppe verschuldet. Selbst wenn sich die Reihe keinesfalls ausschließlich an Philosophen und solche die es werden wollen richtet. „AP!“ hat das Potential diejenigen mit Hintergrundwissen zu fesseln und mit Insider Humor zu begeistern und dabei gleichzeitig ohne Pedanterie die Masse anzusprechen. Ryan Dunlavey sagt selbst, dass er zu Beginn keinerlei Erfahrung mit Philosophie hatte und er zufällig in das Alles hinein gerutscht sei. „But I'm a philosophy fan now, hell yeah.“ Wenn es mittlerweile auch eine (noch) überschaubare Auswahl an Graphic Novels mit nicht-fiktionalem Hintergrund gibt – allen voran etwa Scott McClouds theoretischer Betrachtung des Mediums als Kunstform in "Understanding Comics" oder "The Cartoon History of The Universe" von Larry Gonick – gelingt es der vorliegenden Reihe, deren Titel auf den ersten Blick wie ein satirisches Oxymoron anmutet, tatsächlich trotz(?) intellektuellem Humors im Comic Laden direkt neben den X-Men oder Spiderman eingeordnet zu werden.

Wenn sich etwa Hegel und Schopenhauer in Ausgabe Nummer 8 auf der Titelseite über einem am Boden liegenden Kant in die Haare kriegen, dann ist das eben jene Action geladene Adaption des Streits dieser beiden Anhänger Kants über dessen geistiges Erbe; Absoluter Idealismus vs. der Primat des Willens. Kant selbst tritt in einem Gerichtsverfahren auf – wie er es in seinen Kritiken metaphorisch heraufbeschwört – und sieht sich der Aufgabe gegenüber die Existenz seines Mandanten zu beweisen; Keinem geringeren als dem Architekten und Schöpfer aller Dinge, Mr. God. Mit jeder Episode nähert man sich (mindestens) einem Philosophen, seiner Biographie und seinen Kernthesen an, was ohne Frage eine beachtliche Leistung ist. Wo sonst lässt sich das gedankliche Konstrukt Friedrich Nietzsches, von dem Hinterfragen von Religion und Demokratie, sein Gedanke der Ungleichheit, über seine frühe Bewunderung und späte Ablehnung von Richard Wagner bis hin zur posthumen Adaption seiner Lehre vom Übermenschen durch das Nazi Regime Adolf Hitlers auf nur sechs Seiten, bzw. 36 Panels komprimiert bewundern? Auch wenn die manchesmal bizarren Einblicke nicht für eine intensive Auseinandersetzung mit dem ein oder anderen philosophischen Thema genügen, bringen sie manches Argument doch brilliant auf den Punkt. (Im Anhang verweisen van Lente und Dunlavey ohnehin auf die Hauptwerke der besprochenen Denker.)

Während Zeichner Dunlavey mit gut getroffenen Skizzen der großen Denker brilliert und diese immer wieder aufs Neue in Szene setzt ist es besonders das Talent von Autor van Lente, der ohne große Vorkenntnisse die wesentlichen Aspekte einer jeweiligen philosophischen Lehre auf den Punkt bringt. Besonders seine sprachliche Herangehensweise ist bemerkenswert, da es ihm gelingt markante Aussagen treffsicher zu pointierten, Actioncomic gerechten Statements zu verkürzen („If it's not empirical, it's crrrap!“, David Hume), im Wechsel dazu aber auch Originalzitate samt ausgewiesener Quelle in den Erzählfluss mit einarbeitet. Hinzu kommt der Reichtum an kreativen Ideen, mit dem es AP! gelingt die Vielschichtigkeit des Mediums Comic selbst auszuloten. So wird Rousseau in Form einer banalen All American Sitcom („Filmed before a live studio audience!“) interpretiert, Francis Bacon als Flussdiagramm wiedergegeben, Jacques Derrida tritt als „Deconstructonator“ in archetypischer Arnie Manier in Erscheinung, Gottfried Leibniz taucht in einem an Don Martin erinnerndem, überbordendem Strassenszenario auf und John Stuart Mill wird als charleybrownesker Comic Strip adaptiert.

Bereits die erste Ausgabe (Platon, Nietzsche und Bodhidharma) wurde in den USA binnen kürzester Zeit ausverkauft. Und auch die Neuauflage war ein halbes Jahr später bereits wieder vergriffen. Die Popularität der Reihe weitete sich aus, und die Enttäuschung der Leserschaft darüber, dass mit der Nummer Neun die letzte Ausgabe erscheinen würde, konnte letztlich nur dadurch gebremst werden, dass diese in einer Abstimmung darüber entscheiden durfte, welcher ihrer Heldinnen und Helden eben diese letzte Ausgabe bestreiten würde. (Lao Tse und Michel Foucault gewannen in der Gunst der Leser.) Vielleicht war es der richtige Augenblick die Serie zu beenden, bevor sich die Faszination und die Möglichkeiten kreativer Ideen an diesem Genremix erschöpfen konnten.

Mit den vorliegenden neun Ausgaben, die auch in drei Sammelbänden und irgendwann in einer umfassenden Anthologie vorliegen werden, erhält man rund 300 Seiten schwergewichtige Ideen- und Theoriegeschichte in einem amüsant daher kommenden, kurzweiligen aber eben sehr gut recherchierten Gesamtwerk. (Für diese noch in Planung befindliche Gesamtausgabe wurde bereits angedeutet, dass man eventuell noch den ein oder anderen Favoriten der Philosophiegeschichte ergänzen würde. Es besteht also noch Hoffnung für diejenigen, die bis zu Letzt einer Abhandlung über Georg Simmel, Theodor W. Adorno oder Jean-François Lyotard entgegen fieberten!)

Zum Abschluss lasse ich es mir an dieser Stelle nicht nehmen, ein solch außergewöhnliches und vermutlich einmaliges Namedropping aufzuführen: "Action-Philosphers!" features Aristoteles, Augustinus, Bacon, Berkley, Bodhidharma, Campbell, Descartes, Derrida, Diogenes, Empedokles, Epiktet, Foucault, Freud, Hegel, Heraklit, Hobbes, Hume, Jefferson, Jung, Kant, Kierkegaard, Konfuzius, Lao Tze, Leibniz, Machiavelli, Marx, Mill, Nietzsche, Platon, Rand, Rousseau, Sarte, Schopenhauer, Spinoza, Thales von Milet, Thomas von Aquin, Wittgenstein, Wollstonecraft!
foto: comicbookresources.com / zeichnung: action philosophers! #4



fred van lente / ryan dunlavey
"action philosophers!"
evil twin 2005-2007
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