Haldern Pop [Rees-Haldern, 07.-09.08.2008: Vorschau]

Kann Pop altern?
Ein Vorgucker auf die Dinge die da kommen.



"ich galube, ich kenne jemanden, der das weiß."
(festival motto 2008)


Auf runden Geburtstagen kommen immer besondere Freunde, wir überlegen drei mal, wer uns besuchen und zweideutige Kommentare zum neuen Lebensjahr in die Runder werfen darf. Runde Geburtstage sind dazu da, wehmütig in die Vergangenheit und erwartungsfroh in die Zukunft zu blicken. Das gilt für Menschen wie auch für Festivals. Man lässt kurz vor dem Jubiläum die Glanzstunden der alten Tage wieder hochleben, erinnert sich folgenschwerer Patzer, die in der Rückschau nicht minder wehtun als in Echtzeit. So muss es Stefan Reichmann und seinem Haldern Pop Team in den letzten Monaten, Wochen und Tagen ergangen sein. Das Maß an Geschichtsträchtigkeit des Haldern ist ungleich höher als bei anderen Musikfesten seiner Größe und Qualität, und folgerichtig auch unter längerer, ständiger Beobachtung spitzfindiger Musikfreunde, die die Entwicklung des Festes Jahr für Jahr haarklein in Foren auseinandernehmen und sich über zwölf Monate Bands wünschen, diskutieren, nervös werden und im letzten Moment Karten kaufen. Und kaum ist der letzte Akkord im Spiegelzelt verklungen wird sich selbstverständlich schon aufs nächste Mal gefreut, denn das Haldern hat Suchtcharakter. Dieses Jahr wird es älter als viele seiner Besucher - stolze 25 Jahre. Und wo andere Veranstalter die Jahre nutzen um ihre Festivals kommerziell auszuschlachten pocht und besteht das Haldern-Team auf die Konstante Exklusivität.

Das Konzept ist nach wie vor: Teilweise meilenweit von Mainstream entfernte Bands, die ihre große Zeit oft noch vor sich haben gepaart mit einer für alle Seiten erträglich großem Publikum. Statt der Jagd auf Number-One-Hits und Stilikonen forschen die Organisatoren lieber nach handverlesenem und innovativem, schließlich sind sie nicht in erster Linie Veranstaltungsmanager, sondern Musikliebhaber.

Ihren Dank für diese Konzepttreue und die charakterliche Stärke, die zweifellos hinter dem Unterfangen steht, zeigt das Publikum mit Vertrauen in das Line-Up und einem familiären, und angenehm „normalen“ Verhalten. Während sich auf anderen Festivals bierselige Grüppchen mit lautstarker Eigenbeschallung, die sich mehr für Reibereien mit Zeltnachbarn und Grillgut interessieren als für die Musik wie Löwenzahn vermehren, ist die Camp-Gemeinschaft auf den Kuhwiesen des Haldern angenehm homogen und friedfertig geblieben. Man pilgert zusammen zum Eiswagen oder hilft sich großzügig mit Heringen und Klopapier aus. Da verwundert es auch nicht, dass zwischen den Zelten und Autos bis in die Abendstunden Kinder rumwuseln und Fussball spielen. Später sieht man sie dann auf Papas Schultern mit Ohrenschützern vor der Hauptbühne im Takt mitwippen, und die Haldern-Kiddies aus dem Dorf helfen sogar beim Getränke verkaufen. Trotz seiner Familienfreundlichkeit ist das Haldern Pop Garant für jugendliche Hipness, ohne aufgesetzt zu sein, wie eine Art Talentschmiede werden jährlich neue Bands von neugierigen, wissenshungrigen Musiknerds heiss erwartet und unter die Lupe genommen, anstatt genau zu wissen was einen erwartet gehen die Besucher gerne das Risiko ein, sich auch mal überraschen zu lassen.

Neben Programm und Menschen bietet der Veranstaltungsort im beschaulichen Rees weitere Vorzüge. Es gibt da beispielweise einen Bahnhof mit kostenlosem Abholservice, zwei auf Festivalbesucher eingestellte Supermärkte, viel flache und idyllische Landschaft und es gibt den beinahe sagenumwobenen See.

Zum Geburtstag gibt’s dieses Jahr wie immer kleine Geheimtipps und ein paar gefeierte Kracher auf den Bühnen. Unter dem Motto „Ich glaube, ich kenne jemanden, der das weiß“ wird dieses Jahr von 7. - 9. August den ganzen Tag Musik gehört und gesehen, die Karten sind schon ausverkauft, also bleibt nur noch zu sagen: Hofft auf gutes Wetter und zählt die Tage!
foto: marcus beine

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