Situation Leclerq [Glåxø]

Mit ihrem späten Debutalbum "Glåxø" liefern Situation Leclerq endlich den Beweis dafür, dass die Jahre, die seit der Bandgründung 2003 verstrichen, nicht vergeudet waren. Heraus kommt eine kleine in Pappe eingepackte Platte für die Disko.


"you better stand, you better talk, you better move when the sun keeps shining."
(freaks)


Die meiste Musik ist "nur" Musik für ganz bestimmte Momente. Das ist auch gut so - zu Uzi & Ari fährt man durch die Nacht, bei Kimya Dawson summt man mit und zu den Fotos stimmt man sich auf den Abend ein. Situation Leclerq sind auch nur für ganz bestimmte Situationen da, der Name spricht hier also für sich. Leider beschränken sich diese Situationen auf die wenigen Minuten oder Stunden, die man vor oder besser gemeinsam mit der Band auf der Bühne verbringt. Situation Leclerq bedeuten Gehüpfe - und entgegen des ersten Eindrucks auf sehr hohem Niveau.

Von The Rapture über Hot Chip bis hin zu Whitest Boy Alive, The Notwist und The Postal Service lässt sich alles wiedererkennen. Situation Leclerq ordnen sich selbst irgendwo zwischen Indie, Electronica und New Wave ein. Die Vergangenheit als Emo- und Indie-Band "Byron" ist zwar kaum noch zu spüren, aber ein kleiner Rest ist geblieben; schließlich wollte die ursprüngliche Besetzung nicht ganz von vorn anfangen, sondern lediglich ein paar Käfige sprengen, die die Emomusik so mit sich brachte. Das haben sie geschafft. Glåxø ist ein gelungenes Musikexperiment, möglichst viele Stile, Zitate und Synthezier zu mischen. Jetzt dominieren schmatzende Akkorde, pfeifende Töne, springende Beats und vibrierende Bässe. Sie reisen mit dem Tanzenden durch die 80er und die 90er bis heute. Situation Leclerq sind zeit- und grenzenlos.

Live blühen die vier jungen Männer (Shaun Hermel, Nils Nordmann, Robert Witoschek und Sascha Cammarota) zu den Stars der deutschen Indieszene auf, mit ihrer Hilfe knattern und wackeln ganze Wände, die Massen schreien, hüpfen, drehen sich, und das am besten neben den teuersten Boxen. Da wird es garantiert nicht langweilig. Die Band trat nicht umsonst mit Gruppen wie Zoot Woman, 2raumwohnung, Tocotronic, MIA, Ratatat, Seachange und Whitest Boy Alive auf, zur Zeit geht es durch ganz Deutschland bis nach Luxemburg. Kein Wunder, dass Songs wie "Shiny Boots" jedem Clubbesucher schon einmal im Ohr hingen. Nur schade, dass tanzbare Musik tiefgründigere Lyrics gleich auszuschließen scheint, denn Situation Leclerq geben auf Myspace selbst zu, dass die Texte im Hintergrund stehen.

Einige Differenzen zwischen den Mitgliedern, verschiedene Identitätskrisen und Trennungen sind die Gründe, weshalb Situation Leclerq erst fünf Jahre auftraten und so dies und das schrieben, bevor sie ein richtiges Album produzierten. Ein Demotape in bemerkenswert gutem Artwork war der Preis für den ersten Platz beim Lado-Nachwuchswettbewerb und erschien zwar bereits 2006, zum Release kam es aber leider nicht. Deshalb haben Situation Leclerq diesen selbst in die Hand genommen. Sie wussten außerdem: Wenn wir nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort spielen, lässt das Label nicht mehr lange auf sich warten. Und so war es. Das Label Alison Records nahm sich den Hannoveranern an - und kann sich glücklich schätzen. Bisher fielen die (eher spärlichen) Kritiken sehr gut aus, und auch die intro schrieb: "Eigentlich wusste man es ja immer schon: Hannover hat doch ein bisschen mehr zu bieten als die gleichnamige Industriemesse, Klaus Meine und eine Expo-Brache".

Derjenige, der sich von Situation Leclerq jedoch auch zu Hause mehr erhofft, wird enttäuscht werden. Die Band ist trotz allen Lobes eine kleine Vereinigung von Menschen, die DJs sind und bleiben werden. Das hört man beim Hören, weshalb einem daheim schnell die Lust vergeht. Da muss dann eben doch wieder was anderes her.

Das besonders Gute ist, dass Situation Leclerq selbiges auch sehr wohl wissen und provozieren: Irgendwann werden sie in Paradiesvogelkostümen auftreten, um zur Abwechslung Klischees zu erfüllen, sagten sie in einem Interview mit Crazewire.de. Außerdem kamen mit der Promo-CD liebevoll geklebter Glitzerstaub, Goldkügelchen und viele bunte Sterne, wie sie bereits das Demo berühmt machten. Die werden aus meinem Teppich noch Jahre nicht weggehen. Deswegen ist Situation Leclerq jetzt doch nicht nur im Club, sondern irgendwie auch bei mir zu Haus daheim.

Tanzempfehlungen: "B.O.O.K.S." und "Homevideo".
foto: alsion records




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