Seit 1992 lässt Mike Mignola seine Gruppe paranormaler Ermittler im Dienste einer geheimen US-Behörde auf das Unheimliche in der Welt los. Im Zentrum dieser Geschichte steht der horngestutzte Hellboy.
"don't mess with me lady. i've been drinking with skeletons."
(hellboy)
Der über zwei-Meter große, hühnenhafte, rothäutige, gelbäugige, gehörnte, rauchende, fluchende, fürchterlich starke und kaum klein zu kriegende Hellboy fand seinen Ursprung in „unserer“ Welt – so erzählt es sein Mythos im Prolog zu "Seed of Destruction" - als winziges Geschöpf, welches aus einer anderen Dimension in die unsere gelangte. Ein Unfall, so erscheint es zumindest zunächst, der von einer kleinen Gruppierung von Nazis am Ende des Ersten Weltkrieges verursacht wurde. Ein halbes Jahrhundert später ist der ausgewachsene „Vorfall“ teil eben jenes streng geheimen B.P.R.D. und widmet sich der Aufgabe, paranormalen Aktivitäten nachzugehen. „When things go bump in the night, we are the ones who bump back.“ Hellboy und die weiteren obskuren Agenten der Behörde – wie der Fischmensch Abe Sapiens oder die pyrokenetisch begabte Liz Sherman – agieren dabei als eine Mischung aus dem nach archäologischen und mystischen Geheimnissen suchenden Indiana Jones – vgl. auch die Nazi Schergen - und den sich mit parapsychologischen Phänomenen herumplagenden Agenten Mulder und Scully.
Mignola verzichtet beim Erzählen weitgehend auf einen kontinuierlichen Storyverlauf und unterbricht die gegenwärtigen Ereignisse der Fabula immer wieder durch kurze, in der Zeit springende Erzählungen und Rückblenden und nährt sich hierüber langsam der Geschichte und Gegenwart der einzelnen Charaktere und deren Konstellationen an, ohne dabei die Kohärenz seiner Welt aufs Spiel zu setzen. Durch den daraus resultierenden episodenhaften Stil einzelner One-Shot Stories gelingt es Mignola außerdem, seine Liebe für Pulp Geschichten, Lovecraft'schen Horror, Poe'sche Düsternis, sowie Märchen und Folklore in die eigenen Werke einfließen zu lassen. So findet sich der große rote Kerl im knittrigen Trenchcoat immer wieder in intelligenten Interpretationen zahlreicher Volksmythen wieder und wird mit Sagengestalten aus aller Welt konfrontiert, wie der slawischen Baba Jaga, die bei Mignola sowohl die Figur der bösen Hexe als auch der esoterischen Auffassung als Muttergöttin in sich vereint.
Gerade vor dem Hintergrund, dass ein wesentliches Erfolgsmerkmal der Reihe die einprägsamen und charateristischen Zeichnungen sind, hat sich der deutsche Lausch-Verlag auf ein heres Wagnis eingelssen: der Verarbeitung der mignolschen Erzählungen als Hörbuch. Neben den franchise Verarbeitungen wie Del Torros jüngste Blockbusterverfilmungen und der dichter an den Comics angelehnten Animationsfilme, ist dieser Ansatz ein originär Neuer. Dass die Macher durchaus einen ambitionierten Ansatz verfolgen wird nicht zuletzt durch die hauptsächlich orchestrale Musikuntermalung und durch den Gewinn der gesamten Synchronsprecherriege, die den Charakteren auch in eben erwähnten Filmen ihre Stimmen verliehen hat. Was das rein akustische Medium per definitionem an bildlicher Sprache einbüßen muss, versucht es durch die atmosphärische Klanggestaltung wett zu machen. Was im Comic durch zwei, drei Panel angedeutet wird und sich der Leser induktiv erschließen muss, wird hier sowohl musikalisch als auch sprachlich artikuliert. Man ist bestrebt die original Dialoge zu übernehmen, die inneren Monologe der einzelnen Charaktere glaubhaft zu inszenieren und schmückt lediglich jene Passagen der Erzählung detailreich aus, welche im Original nur Angedeutet oder durch kurze Verweise hervorgehoben werden. Dies gelingt überraschend gut, wenn auch einige kleine Unstimmigkeiten übersehen wurden; So dient Hellboy etwa auch an den Stellen als Erzähler, von denen er als Hellboy schlichtweg nichts wissen kann. Doch die Artikulation ist oftmals zu präzise, schließt jene Leerstellen, die Mignola mittels seinen Zeichnungen bewusst eröffnet. Dem Medium Comic gelingt es in dieser Hinsicht dem Betrachter oft unterschätzte Projektionen jenseits der Sprache anzubieten und es scheint mir naiv zu glauben, man könne mit Worten eben all jenes nicht nur adäquat, sondern gar klarer und deutlicher ausdrücken. Ebenfalls fraglich ist, weshalb die bislang veröffentlichten Erzählungen „Seed Of Destruction“ und „Wake The Devil“ jeweils als zwei Teile separate verkauft werden, wo eine Doppel-CD sicherlich käuferfreundlicher gewesen wäre.
Die Hörspiele sind vielleicht ein interessanter Einblick in Mignolas Werk für all jene die den Funny-Books distanziert gegenüberstehen, dem Medium Hörspiel gegenüber jedoch offen sind. Doch ist die Comic-Reihe selbst eine klare Empfehlung. Oder, um es mit Alan Moore zu sagen: „Sit down and knock it back in one, then wait for your reading experience to undergo a mystifying and alarming transformation. Hellboy is a passport to a corner of funny-book heaven you may never want to leave. Enter and enjoy."
foto: christine mignola / illustration: mike mignola
mike mignola
"hellboy"
dark horse comics
cross cult verlag
lausch 2008
mike mignola
Mike Mignola [Hellboy]
Von Beginn an, als Mike Mignola seinen Charakter Hellboy auf der San Diego Comic Convention 1992 vorstellte, beeindruckte dieser außerordentlich und vor allem nachhaltig. Dies begründet sich, so scheint sich die Fachwelt im Nachhinein einig, in zweierlei Aspekten: Zum einen weiß Mignola – in der ersten Episode noch maßgeblich von Kollege John Byrne unterstützt – seine Geschichten gekonnt mit geschicktem Wortwitz und sich sorgsam entfaltenden Spannungsbögen zu erzählen. Er bemüht sich, seine Charaktere langsam und sorgsam zu entwickeln und gibt ihnen, sich selbst und den Lesern die nötige Zeit dazu. Zum anderen ist sein holzschnittartiger, mit Schlagschatten versehener, kontrastreicher und kantiger Zeichenstil ein wahrer Augenöffner. In seinem kreativen Ideenreichtum wird er gar von Altmeister Alan Moore mit Jack Kirby und dessen wegweisenden Illustrationen verglichen. In der Welt der Comicindustrie ist Mignola als Autor und Zeichner seiner eigenen Reihe durchaus untypisch. Doch ist dies nur die mit Anerkennung überschwänglich gelobte Form, die ohne den mit ihr verknüpften Stoff nicht erdenklich ist: Hellboy. Der schöpferische Akt der Kreation dieses Antihelden im Dienste des geheimen US-Amerikanischen Bureau for Paranormal Research and Defense – kurz B.P.R.D. - samt dessen skurrilen Welt kann nicht hoch genug gelobt werden. Im eingespielten, von Marvel und DC dominierten Markt, ist das Etablieren einer eigenen Figur und ihrer Welt, der Schaffung eines neuen urabnen Mythos im Stile Bat-, Super- oder Spidermans und deren kohärenter Sekundärwelt, eine Seltenheit. Selbst wenn Dark Horse, der publizierende Verlag, der drittgrößte auf dem US-Amerikanischen Markt ist, beträgt deren Anteil an Veröffentlichungen und Umsatz verschwindend geringe vier Prozent. Hellboy bleibt damit ein Phänomen, welches Moore lobend einen „Juwel von beachtlicher Größe und überraschendem Glanz“ beschreibt. Für Mignolas Talent und der Begeisterung an seiner Schöpfung spricht letztlich auch, dass sein hellboy vom Empire Magazin auf Platz 35 der „Top 50 Greatest Comic Book Characters“ aller Zeiten gesetzt wurde. Binnen gut 15 Jahren ist er bereits in der Lage Spawn, Green Lantern und gar New Yorks blinden Rechtsanwalt Daredevil auf die Plätze zu verweisen.
tags:
comic,
cross cult,
dark horse,
kunst+stil,
lausch,
mike mignola