In einem kleinen Café bei einer Tasse heißem Milchkaffee treffe ich nacheinander auf drei US-amerikanische Damen, die genau jene Musik spielen, die für die Stimmung an einem solchen Ort vermutlich die trefflichste ist; Sanfter Jazz, vielfältig instrumentiert, zurückhaltend, attraktiv und vor allem äußerst charmant.
(right side, eleni mandell)
Überhaupt nicht schüchtern und zurückhaltend im Auftreten hingegen ist die zehn Jahre jüngere Melody Gardot, deren Sex-And-The-City affines Erscheinen sich schnell vieler Blicke gewahr sein kann. Vielleicht ist dies auch eine Gegenreaktion auf ihre eigene Vergangenheit, in der sie als 19 jährige von einem Jeep überfahren wurde und nach einer langwierigen Therapie noch immer physische Behinderungen davon trägt; ein Gehstock um ihre Balance zu halten und getönte Brillengläser um ihrer Lichtempfindlichkeit zu entgegnen sind vermutlich die auffälligsten äußerlichen Merkmale dieses Umstandes. Neben ihrer beeindruckenden Stimme selbstverständlich, die einen vom ersten Ton ihres neuen Albums "My One And Only Thrill" nachhaltig verzaubert. Die neben Klavier, Bass und Schlagzeug mit zahlreichen Streichern und Bläsern perfekte Orchestrierung der elf allesamt von ihr selbst geschriebenen Stücke – sieht man selbstverständlich von der großartigen Interpration des von Harold Arlen geschriebenen Somewhere Over The Rainbow am Ende des Albums ab – verstehen es zwar die Atmosphäre eines Wiener Kaffeehauses an einem Sonntagnachmittag hervorzubringen, doch letztlich ist es immer Gardots warme Stimme, die einen vertäumt und glücklich seufzen lässt. Mit Verve und Raffinesse lässt die junge Sängerin schon jetzt ihre gefeierte Labelkollegin Diana Krall blass und eintönig aussehen.
Die dritte Dame, deren Bekanntschaft ich bei einer Tasse Kaffee mache ist die „unkalifornischste Kalifornierin“ und gleichzeitig „perhaps best unsigned artist in the business“, wie ich mich im Vorfeld informieren konnte. Eleni Mandell erscheint zeitlos im Sinne von Kim Gordon und ist die einzige der drei Chanteuses, die neben dem Gesang auch an der Gitarre brilliert. Selbst wenn Elemente des Jazz auch hier offenkundig sind, ist sie eher im Folk und Country verwurzelt und weiß diese Momente klug zu verbinden. Das bezaubernde Stück Right Side etwa, dass spätestens mit dem Einsetzen der Trompete jeden von seinem Potential überzeugen sollte, das leicht melancholische It Wasn't The Time (It Was The Color) oder das verträumt glamuröse Tiny Waist erlauben es Mandells Namen ohne einen Bruch entstehen zu lassen mit denen der beiden vorherigen Damen zu nennen. Die 15 Stücke auf "Artificial Fire", ihrem bereits siebten Album, variieren mit verschiedensten Jazzkomponenten auch wenn sie deutlich rauer und druckvoller als bei Peyroux und Gardot ausfallen und eher die (E-)Gitarre als das Klavier zu Wort kommen lassen. Die Ausnahmen bilden auf dem Album den Rahmen, so sind vor allem das Titelstück als Opener und die abschließende und überraschend schräge Folk-Punk-Rock-Nummer Cracked wenn man so möchte die enfants terrible dieses Albums.
Ein Lächeln hinterlässt letztlich jede der drei Damen auf meinen Lippen, bevor ich austrinke, bezahle und in den Sonntagnachmittag gehe.
foto: melody gardot, verve
"bare bones"
decca, 2009 cd
madeleine peyroux
melody gardot
"my one and only thrill"
verve, 2009 cd
melody gardot
eleni mandell
"artificial fire"
make my day records, 2009 cd
eleni mandell
3 Kurze [Madeleine Peyroux, Melody Gardot, Eleni Mandell]
"my baby dreams when he's awake - my baby laughs when he's asleep."
Die erste der drei jungen Damen die ich treffe ist die aus Georgia stammende Madeleine Peyroux. Sie scheint ein wenig unnahbar, niemals gelangt ein direkter Augenkontakt, ohne dass die Mittdreißigerin unsicher wäre oder Blicken ausweicht, bleibt sie doch ungreifbar. Vielleicht versucht man sie deshalb mit den allgegenwärtigen Billie Holliday Vergleichen einzufangen, die, so muss man nach den ersten Takten jedes ihrer Alben gestehen, sich nicht als grober Unfug abtun lassen. Vielleicht verzichtet Mrs. Peyroux deshalb auch, um sich weiter zu emanzipieren, in "Bare Bones" auf die ansonsten viel gelobten Coverversionen und Interpretation die ihre vier vorherigen Alben stets bereicherten. Doch auch ohne diese bleibt hier erneut alles in jener Schwebe einer verspielten Leichtigkeit, die neben ihrer bezaubernden Stimme durch Hammond Orgel, Slide Guitar und Bläsern verstärkt wird. Inhaltlich muss man jedoch anfügen, sind die Stücke doch eher belanglos wenn sich "you do" auf "get blue" reimt oder man sie romantisch verklärt von Homeless Happiness singen hört und sich dabei in Nostalgie der Kindertage verliert. Aber das sei ihr ruhig gegönnt.
madeleine peyroux