The loudest sound of all.
Love unspoken.
"love is not true when it's infatuation, the bond is not there in fascination. "
(dangerous heady love scheme)Conrad Lambert sagt nicht viel. Damit sagt er alles. Dass es nicht nötig ist, die Aufmerksamkeit des Hörers mittels Lautstärke und Provokation zu erlangen. Dass Understatement und Subtilität auch in Zeiten von ins Mikro schreienden Frontmännern in extravaganten Anzügen durchaus noch existieren. Dass eine aufwändige Instrumentierung nicht gleich zwangsläufig bedeuten muss, dass man vor lauter Mandolinen, Orgeln und Gitarren den Text, so unscheinbar und unaufdringlich er auch daher kommen mag, nicht mehr hört. Außerdem sagt er: "In mir war nie ein Halleluja, das Einzige, was Gott mir gab, ist eine Seele."
Selbstverständlich hat Merz nach sechs Jahren Untertauchen noch mehr zu sagen. Laut eigener Angabe, befindet er sich endlich wieder auf dem richtigen Weg. Nach einer langen Pause, dominiert von nächtlichen Autofahrten und Radioshows, hat er sich wieder darauf besonnen, was er am liebsten macht: Musik. Musik von der allerbesten Sorte sogar. So kann man "Loveheart", sein jüngstes Werk, guten Gewissens beschreiben.
Ein Album, das sogar die britische Zeitung The Sun zum Nachdenken bewegt ("A yearning and quite sad album that keeps you thinking long after the notes have faded.") und von Coldplays Chris Martin in höchsten Tönen gelobt wird. Außerdem ein Album, das der Welt in ihrem desolaten Zustand beizustehen vermag, indem es einfach nur da ist. Wenn einem das Herz gebrochen wird, ist es da um die Tränen zu trocknen. Und wenn man gerade so herrlich unbeschwert und glücklich ist, dass man in der warmen Abendsonne Purzelbäume schlagen mag, so wartet es geduldig auf dem Nachttisch um einem vor dem Einschlafen noch einmal übers Haar zu streichen.
Vom Opener, Postcard From A Dark Star, bis hin zum letzten Stück, Loveheart, bewegt sich die Platte auf einer Ebene, die für das blosse Ohr nicht wahrnehmbar ist. Sie scheint wie eine Welle über die Dinge zu gleiten, und dies tut sie so behutsam, dass man gar nicht weiß, wie einem geschieht. Dangerous Heady Love Scheme, der zweite Song des Albums erzählt vom hin- und hergerissen sein zwischen Kopf und Gefühl und wirft gleichzeitig die Frage auf, wie viel Vernunft man zum Lieben braucht.
Danach spielt der gute Herr Lambert ein bisschen Cat Stevens: My Name Is Sad And At Sea ist die traurige Version von Scarborough Fair. Mit gebrochener Stimme und schwach gezupfter Gitarre geht dieses Lied im Kreis und wir sehen den einsamen Mann am Strand stehen, wartend. Ein Schmetterling kommt vorbei und fängt ihn auf. In Butterfly hört man seinen Flügelschlag. Dieser ist gerade so zart, dass man innerlich zu lächeln beginnt.
Ein richtiges Grinsen wäre nicht Conrad Lamberts Sache. Er führt uns direkt in seinen Warm Cigarette Room, wo die melancholische Stimmung ihren Höhepunkt erreicht. Hier singt jemand wie Bono Vox, ohne pathetisch zu sein, hier sagt jemand einfache Sachen, ohne banal zu klingen. Es gibt nur etwas, was man an diesem Song aussetzen könnte: Dass er nur viereinhalb Minuten dauert. Man wäre gerne länger traurig, wenn Merz die Musik dazu macht.
Der Blick wandert weiter, von Innen nach Außen. Conrad Lambert scheint zwischen diesen so gegensätzlichen Polen keinen Unterschied zu machen. Gerade dann, wenn er die Natur beschreibt, scheint es, als ob er am Meisten von sich preisgibt. In "Loveheart" kommt die Liebe so sanft, wie die Blätter von den Bäumen fallen. Dieser Musiker ist romantisch, so romantisch wie ein Mensch im 21. Jahrhundert sein sollte. Und er weiß: Das Herz ist mehr als ein Muskel.
Was uns am Leben erhält ist die Liebe, die darin steckt und uns umgibt. "Das Leben ist das, was passiert, während wir mit Anderem beschäftigt sind", sagte einst John Lennon. Vielleicht hat Conrad Lambert an diesen Satz gedacht, als er dieses herzerwärmende Meisterwerk aufnahm. Wir, die es hören, wissen nicht, ob wir glücklich oder traurig sein sollen. Erwischt, sagt Lambert; genau darum geht’s.
foto: versträker.com
merz
"loveheart"
groenland records 2006 cd
merz
Merz [Loveheart]
Sol Seppy [The Bells Of 1 2]
Film Noir Ästhetik.
Die Mulitintrumentalistin Sophie Michalitsianos debütiert mit einem zurückhaltendem, doch vielfältigem Album, welches einer seltenen Auferstehung entspringt.
"hello, my name is human."
(human)Die sinnbildliche Verbindung mit dem mythologischen Phoenix liegt so nahe, dass man kaum umher kann, sie nicht auch zu strapazieren. Das Auferstehen aus der eigenen Asche, die Wiedergeburt, aber eben auch eine Art Katharsis ist damit verbunden. All das lässt sich auch auf die junge, in England geborene, in Australien und Griechenland aufgewachsene und heute in den USA lebende Sophie Michalitsianos beziehen. Sogar ganz direkt. Nach einer klassischen musikalischen Ausbildung an Cello und Klavier studierte sie Komposition und Orchester am Sydney Conservatorium of Music, zog mit 23 Jahren in die USA und spielte dort für zwei Alben bei Sparklehorse und widmet sich der musikalischen Bearbeitung von Dokumentationen. Nach dieser Zeit baute sich die ambitionierte Multiinstrumentalistin ein eigenes Studio in New York wo sie an ihrem Debüt arbeitete jedoch immer wieder unzufrieden mit ihren eigenen Werken war. "Ich hatte keinen Toningenieur an meiner Seite und so habe ich alles, was ich an Musik kreierte, wieder zerstört. Zu meiner Bestürzung geriet meine geliebte Musik zu einem riesigen negativen Spiegelbild." Gar mit einer "Kriegszone" verglich sie ihre Herangehensweise zur damaligen Zeit, doch dann sollte die Phoenix Metapher greifen: ihr gesamtes Studio explodierte eines Nachts und mit ihm alle aufgezeichneten Kompositionen. Tabula Rasa. Dieser Einschnitt scheint als dekonstruktiver Katalysator auf Sophies kreativen Output gewirkt zu haben. "Ich kann mir nicht mehr vorstellen, ein Album vor diesem Ereignis veröffentlicht zu haben", erklärt die smarte Exil Australierin heute gelassen.
So veröffentlicht Miss Michalitsianos ihr Debüt "The Bells Of 1 2" eigenständig und neu inspiriert, musikalisch irgendwo zwischen K’s Choices Sarah Bettens (Come Running), Hope Sandoval (Injoy) und Stina Nordenstam (Farwell Your Heart) verortet. Im Gegensatz zu erwähnten Referenzen steckt hinter ihrem Pseudonym Sol Seppy jedoch ausschließlich Michalitsianos selbst. Souverän spielte sie alle Instrumente ein und fand danach auch noch die Muse ihre eigene Produzentin und Toningenieurin zu sein. Und "alles selbst eingespielt" ist hier nicht im Thom York Sinne zu verstehen, der auf seinem Debüt Album zwar das gleiche Statement abgeben kann, dort jedoch eher an einer spärlichen Auswahl von Instrumenten dilettierte. Auf "The Bells Of 1 2" umschmeicheln den Hörer ständig neue Klänge in einer mal verspielten mal exaltierten Weise, tragen Klaviermelodien und Gitarren Akkorde Luftschlösser und Abgründe gleichermaßen vor, jagen sich melancholische Streicher und Elektrorhythmen vor einem Film Noir Horizont. Zwischen zaghaften Fieldrecordings, elektronisch unterstrichenen Folksongs und verletzlichen Kinderliedern, so scheint es, ist "The Bells Of 1 2" arrangiert, ohne sich dabei jedoch klar für eine infantil optimistische oder eher reflektiert düstere Stimmung zu entscheiden. Bei all der Professionalität bleibt noch genügend Raum für Lo-Fi Charme und vor allem den unaufdringlich dringlichen Gesang. Ganz gleich, ob die Stücke, wie das von harten, fast sterilen Beats getriebene Move, beinahe klaustrophobisch, oder eher märchenhaft verspielt, wie Wonderland mit seiner kindlich naiven Melodie ausfallen, die Künstlerin weiß ihre Stimme in jeder Lage als markantes und letztlich prägnantestes Merkmal zu inszenieren.
Nach dem Untergang fand also eine äußerst produktive Läuterung statt, eine grundlegende Veränderung, aus welcher die bezaubernde und äußerst fotogene junge Dame "das Entdecken von Schönheit als Quelle [ihrer] Inspiration" zog.
Die dabei entstandenen Kompositionen bewegen sich munter zwischen potentiellen Lieblingsliedern und ambitionierterer Hintergrundmusik. Sie sind dabei jedoch nicht in sich ambivalent, sondern wechseln zwischen äußerst aufregend und leider belanglos. Beachtet man jedoch, dass es sich hierbei um ein Debüt Album handelt und dieses bei weitem nicht für den großen Markt produziert wurde, sondern vielmehr hedonistisch genug ausgefallen ist, um für sich allein sprechen zu können, darf man unter Umständen von dem Nachfolger viel erwarten!
foto:
sol seppy
"the bells of 1 2"
groenland records 2006 cd
sol seppy