Jazz.
Sag Nochmal.
Jazz, Jazz.
Nochmal, Nochmal!
Jazz, Jazz, Jazz.
(Pflasterverkäufer)
Helge Schneider hat im Vorfeld davon gesprochen mit Jazzclub seinen ersten ernsten Film gemacht zu haben. Eine Art Ernsthaftigkeit die im parallelen Universum der Schneiders Kopf entsprungenen Charaktere durchaus ihre Berechtigung findet. Teddy Schu (Helge Schneider) ist ein passionierter Jazzpianist, dessen Leben wir über einen kleinen Zeitraum hinweg beobachten dürfen, und erleben, wie er versucht mit geradezu bedauernswert naiver Leidenschaft die Mühsal des Alltagslebens zu meistern. Brot-losekunst kann man den Jazz vielleicht nennen, weshalb er jeden Tag aufs neue die Monotonie seines Lebens durchläuft, und mit unzähligen demütigenden Nebentätigkeiten versucht sich und seine vom Leben unerfüllte Frau (Susanne Bredehöft) über Wasser zu halten, nur um allabendlich mit seinen beiden Freunden, Bassist Steinberg (Jimmy Woode, sic!) und Schlagzeuger Howard (Pete York, sic!!!) und , in dem kleinen Jazzclub berauscht von seiner Musik aufzugehen. Dass dort niemals Publikum auftaucht, und wenn sich doch eine verlorene Seele dort verliert, diese sich nicht für Jazz interessiert, macht den drei Musikern nichts aus.
Wenn Teddy die Straßenbahn verpasst und an der belebten Haltestelle auf die Nächste wartet, verharrt die Kamera regungslos auf diesem Bild, und vermittelt den Eindruck, dass dieser Mann nicht in die ihn umgebende Welt zu passen scheint. Teddy gibt sich als vermeintlich spanischer Callboy Rodriguez der Agentur Senora Fuck älteren Damen hin, begibt sich in den frühesten Morgenstunden auf eine aussichtslose Odyssee als Zeitungsausträger nur um einige Stunden später hart arbeitend als Fischverkäufer für das Kleinunternehmen Happy Fisch sein letztes zu geben. Mutter und Sohn des Familienbetriebes treten allmorgendlich mit Gummistiefeln aus der Haustür, und beginnen ihren einzigen Angestellten argwöhnisch denunzierend bei der Arbeit zu beobachten. „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ ist der überhebliche Kommentar des Ladenbesitzers (Eddy Kante).
Die Geschichte von Jazzclub bietet, was die Ernsthaftigkeit betrifft, tatsächlich all die tragisch hoffnungslosen Elemente eines Working Class Dramas der Zeit der wirtschaftlichen Depression, transkribiert in die heutige Zeit, die ja ebenfalls von Arbeitslosigkeit geprägt scheint. Trotz alledem ist es ein Film von Helge Schneider, und die polarisierenden Erwartungen werden sowohl für die eine als auch für die andere Seite erfüllt. Wenn sich Teddy nach einer kurzen, im Schlaf immer wieder von Alpträumen verfolgten Nacht, mit Badeschlappen und Regenmantel auf den Weg zum Zeitungsaustragen macht, dann beobachten wir immer wieder aufs neue, wie Schneider improvisierend gegen aufkommende Windböen und Regenschauern biblischen Ausmaßes anzukämpfen versucht, aussichtslos wie ein urbaner Don Quijote, und die zu Pappmasche deformierten Tageszeitungen ("Was für ein Klumpatsch.") dennoch pflichtbewusst in die Briefkästen steckt. Es sind diese improvisierten Kleinigkeiten die Schneiders Filme so sehr begeistern lassen, wenn er Alltäglichkeiten durch seine Herangehensweise Sinnentleert. Wir beobachten ihn an der Haltestelle, wie er den Arm anhebt, um auf die Uhr zu sehen, letztlich aber nie darauf blickt, oder er sich beim Krabbenpulen selbst reflektiert, ohne darauf zu achten, ob die Feinkost auch in den dazugehörigen Behältern landet. Auch in einer weiteren Rolle brilliert Schneider mit diesem Konzept, wenn er als Psychiater Teddys Ehefrau die Existenzgrundlage des menschlichen Denkens an einem Modelgehirn erläutert: "Gucken, Kacken, Picken, Packen. Das ist alles."
Nur im Jazzclub selbst, wenn die drei begnadeten Musiker, die auch in der Realität gemeinsam Konzerte veranstaltet haben, in ihrer Musik aufgehen, möchte Schneider offensichtlich, dass wir den Jazz genießen, denn dort verzichtet er absichtlich auf versteckte Pointen, und verweilt bei den dargebotenen, selbstverständlich von ihm komponierten Stücken. Auch sonst hält die Kamera gelegentlich für kurze Augenblicke still, und fängt unverfälscht das triste Dasein verschiedener Figuren des Films ein, wodurch sich sogar eine für Schneiders Filme unbekannte Atmosphäre von Einsamkeit und Verlorenheit entwickelt. Ein melancholischer Unterton, der sich da in die farbenfrohe Komposition eingeschlichen hat, und Schneiders Film ebenso gut zu Gesicht steht, wie die wunderbare Musik.
foto: senator film gmbh
Helge Schneider [Jazzclub]
"Zwei Meter zwei Mark."
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