Kilians [Fight The Start]

26°, Halbschatten, Vanilleeis, Bikini. Aus den Lautsprechern dudelt „Fight the start“. Es gibt Musik, die dem perfekten Tag noch den letzten Schliff verleihen kann, sozusagen die Potenzierung des absoluten Glücks.


"i got something on my mind tonight."
(something to arrive)


Heute ist es passiert, so sollte er aussehen, ein ewiger Sonntag ohne Wochenanfang. Was mir hier zu Ohren kommt ruft sofort Erinnerungen wach, fünf junge Burschen mit Gitarre, Bass und Schlagzeug auf einem schäbigen Bus, hinter ihnen geht nach regnerischen Stunden die Sonne am blauen Himmel unter- es ist fast zu kitschig um wahr zu sein. Das waren die Kilians auf dem Haldern Pop-Festival 2006, der Eindruck den sie hinterließen ist bleibend, die Vorfreude auf die vorliegende EP „ Fight The Start“ groß.

Die Kilians, das sind die fünf Freunde aus Dinslaken, sie haben Gitarren und jede Menge Elan und Spielfreude im Gepäck, klingen so gar nicht deutsch und klettern seid einigen Monaten immer höher auf der Karriereleiter Pop. Und trotz einer bis dato relativ kurzer Bandhistorie verfügen die jungen Männer über eine anständige Medienpräsenz, die wohl nicht zuletzt von der Begeisterungsfähigkeit eines gewissen Herrn Uhlmann herrührt.

Tomte-Papa Thees Uhlmann attestierte den Kilians schon 2006 großes Potential, rührte kräftig die Werbetrommel und bewies mit seinem Engagement wieder mal ein glückliches Händchen in Sachen Talentsuche.

Die Kilians haben schon früh die Presse auf den Plan gerufen , man fühlte sich bemüßigt bisweilen weit hergeholte Vergleiche aus dem Hut zu zaubern und leichtfertig alt und neu über den gleichen Hype- Kamm zu scheren, da wurde analysiert was das Zeug hält. Das Ergebnis sind Zeilen wie “schon jetzt besser als Mando Diao“, “die zweiten Strokes“, die es dem Hörer schwer machen dem ersten Eindruck subjektiv und unvoreingenommen zu lauschen.

Eigentlich unerhört, erst so kurz im Geschäft und schon von Vergleichen verzerrt, da wird eine Band von vorneherein auf die Gemeinsamkeiten zu anderen Vertretern der Britpop / Indie-Pop-Szene reduziert. Will die Presse eigentlich nur loben, reflektieren diese augenscheinlich schmeichelhafte Kommentare doch die Müdigkeit der Öffentlichkeit sich mit Musiken auseinander zu setzen die im ersten Moment Verwandtschaft zu anderen Kollegen bekunden. Waghalsig proklamiert man Scheinwahrheiten und entsagt der Band letztlich den eigenen Ideenfundus, die Fähigkeit aus eigener Kraft in den Rock 'n' Roll Himmel aufzusteigen. Zu verleugnen sind die Ähnlichkeiten zu besagten Bands dennoch nicht ganz und die Kilians haben diese Assoziation eigenhändig geschürt, durch - das muss auch eingestanden sein-, sehr ordentliche Coverversionen von Übervätern und Vorbildern Strokes.

Doch diese haargenaue Gegenüberstellung entpuppt sich als hinfällig, die Kilians machen sich den von Bands wie The Hives oder eben Strokes gepflegten Garage-Punk zu Eigen, und spezifizieren in nur vier Titeln eine kleine neuartige Machart die man bei anderen Größen auch zwischen den Zeilen nicht entdecken kann.

Da finden sich die kratzbürstige (und überdies außergewöhnlich charakterstarke) Stimme von Simon den Hartog, lautstarke yeah yeah yeahs, Gitarrensoli allererster Sahne, kaum verständliches Slanggerotze und treibende Rhythmen wohin das Ohr hört - da ziehen die Kilians alle Register spaßbesessener Publikumsmusik, flott und juvenil, auf englisch natürlich, Kelleratmosphäre bester Güte. Die Nebenwirkungen erscheinen ebenso vorhersehbar wie plausibel, auch die Kilians bedienen wie duzende von Bands vor ihnen das Klischee der Hipster-Generation, wo von spindeldürre Ärmchen in Lederjacken bis zu tanztauglichem Wuschelhaar alles aufgefahren wird um die korrekte musikalische Grundeinstellung nach außen zu tragen und man sich ignorant und überlegen gibt.

Das kennen wir mittlerweile und die gesunde Mehrheit lässt sich schon längst nicht mehr beeindrucken von snobistischen Gehabe vor - wie konsequentem auf hohem Ross sitzen - hinter der Bühne. Schon zu oft ist die Musikalität zugunsten äußerlicher Extravaganz gewichen, mit oft schmerzlich hörbarem Ergebnis, ein guter Haarschnitt eben befähigt niemanden zu einer rundum positiven Ausstrahlung, und schiefe Nasen und Haarausfall haben noch niemanden daran gehindert erfolgreich die Klampfe zu schwingen.

Doch Skepsis ist bei den Kilians nicht angebracht, denn lancieren sie auch mit größtem Geschick das Bild einer selbstbewussten, bisweilen sogar narzisstisch anmutenden Jungs-Bande, hinter der medienwirksamen Kulisse greift pures musikalisches Talent in intelligenten Charme und sympathische Natürlichkeit. Wohltuend endlich wieder eine junge Band zu hören, in welcher der Sänger jeden Ton sauber intoniert und das musikalische Repertoire sich nicht auf drei Akkorde beschränkt.

Und neben den schmissigen und sorglosen Tanz und Schunkel-Songs Fight The Start und Merely Marginal Juxtaposed die nicht die geringste Anstrengung abzuverlangen scheinen, offerieren die Kilians in Something To Arrive und Suburban Lies eine fast melancholische Ader und erzeugen spielend eine seltsam dringliche Beklemmung, ein herbstlich schwerer Blick in die Zukunft ohne den Blick abzuwenden. Da wäre man beinahe in die Falle Voreingenommenheit getappt. Denn diese Zeilen und Takte könnten niemals von den Strokes stammen. Die Attraktivität der Kilians lässt sich begreifen als kongruentes Wirken von innerlichem Befinden und öffentlichem Produkt. Sie spielen ohne jegliche Angst zuviel Preis zu geben auf, alles geht ohne Hemmschwelle impulsiv nach vorne ins Publikum, in die weite Welt, Simon den Hartog, Dominic Lorberg, Gordian Schulz, Michael Schürmann und Arne Schult üben sich nicht in vornehmer Zurückhaltung, sondern präsentieren der Hörerschaft die volle Breitseite extrovertierten Lebensgefühls. Jede Phrase pulsiert, Rhythmus und Dynamik auf den Punkt, befreiender Gesang, man merkt das hier Freunde am Werk sind. Eine Eigenschaft die keinesfalls selbstverständlich ist, jeder kennt das Bild der Band in der jeder für sich auf der Bühne steht, und die dröhnenden Gitarrenklänge trotz Lautstärke nach innen zu gehen scheinen.

Keinen Moment erwischt man den Eindruck eine Formation vor sich zu haben, die sich normalerweise rein auf Banddauer und Alter bezogen Newcomer band schimpft. Nein, der Begriff bedarf hier gründlicher Korrektur, dem sind die Kilians schon längst entwachsen.

Sie geben dem Zuschauer keine Zeit sie mögen zu lernen, Liebe auf den ersten Blick oder lebenslange Enthaltsamkeit, das ist Musik für die ersten Sekunden. Die Kilians wissen was sie wollen, und das ist mit Sicherheit keine Zukunft in Dinslaken, musikalische und persönliche Entwicklung geht ganz klar Richtung große Bühnen, hier strebt man mit aller Gewalt und Willensstärke nach oben, da gibt’s kein Pardon.

Erst 19-24-jährig gelingt es ihnen ihr Debüt über Major-Plattenlabel Vertigo zu vertreiben und in die Großfamilie Grand Hotel Van Cleef einzuheiraten; ein schönes weiches Polster für kommende Monate und Jahre. Hoffen wir also auf weitere Knüller aus Richtung Ruhrpott mit ein bissen Bodenhaftung aber ohne falsche Anständigkeit. Auf weitere Festivaleindrücke und Sommertage im Liegestuhl mit Soundtrack! Die Kilians machen das schon, ich bin mir sicher.
foto: thekilians.de



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