Logh [Stockholm, 25.04.2007]

Logh präsentieren sich live und mit neuem Album in Stockholm.





"it fell into place, there's nothing to see here,
there's nothing to feel here, i think it finally fell into place.
"
(the black box)


Konzertbeginn pünktlich um 20 Uhr hört sich in den Ohren der wenigsten Menschen angenehm an. Verbunden mit einem Sonnenuntergang nicht vor 20.30 Uhr und dem Fehlen einer Vorband fällt ein Konzert von Logh für den durchschnittlichen Besucher vermutlich bereits unter die Kategorie Frühschoppen. Doch zunächst aalen sich die Menschen lieber in der Sonne. Es ist warm in Stockholm und Logh spielen ihre Auftaktshow zu einer ihrer berüchtigten Europatourneen, während derer sie in scheinbar grundsätzlich in nicht weniger als zehn verschiedenen Ländern spielen und Menschen von Porto bis Oslo in Verzückung versetzen. Doch erst einmal Stockholm, Heimspiel sozusagen. Ort des Geschehens ist das Södra Teatern, die wohl wunderbarste Venue, um Logh live zu erleben. Im Saal glänzt es golden und die Sitze sind mit dickem roten Stoff überzogen, es riecht nach Geschichte und man nimmt unwillkürlich eine etwas andächtige Haltung ein, ein opernhafter Gong lockt die Anwesenden weg von der Aussichtsterrasse und hinein in den Konzertsaal. Als ersten Song spielen Logh ausgerechnet die Single Saturday Nightmares, eine Geste die sich nicht jede Band leisten kann. Die Jungs müssen sich keine Sorgen um den Wiedererkennungswert und einen entsprechenden Spannungsaufbau der Setlist zu machen, denn mit jedem Song binden sie das Publikum mehr an sich. Vom ersten Akkord an werden die Zuhörer vom druckvollen Sound in die Sessel gedrückt, das Hörerlebnis wird geradezu körperlich. Verflogen sind die Bedenken ob des hohen Raumes und der sehr klein wirkenden PA, der Klang ist fast perfekt austariert. Die beiden Drummer harmonieren wunderbar und verleihen der Band eine dynamische Kraft, während bis zu drei Gitarren eine riesige Soundwand aufbauen. Bei älteren Songs wie The Contractor And The Assassin oder An Alliance Of Hearts jauchzt das Publikum auf, doch sonst herrscht auch bei sehr ruhigen Passagen eine fast schon gespenstische Stille im Zuschauerraum, die Spannung scheint fast mit den Händen zu greifen. Logh präsentieren sich einmal mehr als Meister des Laut-Leise-Spiels, weder wird das Schema zu sehr ausgereizt, noch schlägt Spannung in gähnende Langeweile um, wie dies allzu häufig bei Postrock-Bands der Fall ist. Dafür wird die Band mit reichlich Applaus belohnt und zwei Mal vom Publikum auf die Bühne zurückbeordert. Nach knapp 70 Minuten ist die beeindruckende Vorführung vorbei und das Publikum bewegt sich blitzschnell und zielstrebig zurück auf die Terrasse, von wo aus man gerade noch den Sonnenuntergang über Stockholm erkennen kann.

"Everything will change some day" (Weather Island)

Dieser Abend im Södra Teatern ist auf mehreren Ebenen ein Ausdruck der Entwicklung, die Logh in den letzten Jahren durchgemacht hat und die sich auf dem neuen Album "North" manifestiert. Die Band hat zum einen formell an Größe gewonnen, sie sind nun offiziell zu sechst und in der Liveformation ist gar ein zweiter Drummer dabei. Doch vor allem wird ein Popentwurf artikuliert, wie man ihn von den sympathischen Schweden bisher nicht kannte. Der Vorgänger "A Sunset Panorama" ist ein durchgängiges Werk, in dem kaum ein Song ohne den anderen denkbar ist, eingespielt innerhalb von einem Tag. Bei North greifen Logh verstärkt auf klassische Songstrukturen zurück, die Stücke entwickeln einen intensiveren Eigencharakter und grenzen sich prägnanter voneinander ab. Die Weiterentwicklung ist konsequent, denn bei Logh klingt kein Album wie das andere, auch dieses mittlerweile vierte Werk nicht.

Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung würde allerdings jeder Marketingstratege eines beliebigen Majorlabels die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, denn der Titel North ist atmosphärisch durchaus passend. Bereits die Regentropfen auf dem Cover lassen eine gehörige Portion Melancholie erahnen und dieses Album ist tatsächlich ein perfekter Soundtrack für den Herbst. Im Video zu Saturday Nightmares werden Mantelkrägen hochgeschlagen und Laub wird aufgewirbelt, während sich die meisten Menschen in diesem ach so warmen Frühling schon einmal Gedanken darüber machen, welches wohl ihr persönlicher Sommerhit werden könnte. Es ist ein wenig paradox, doch das Album ist so gut, dass es sich nicht um die Jahreszeit zu scheren braucht, in die es hineingeworfen wird. Getragen von zärtlicher Melancholie nähern sich Logh dem Pop an, doch der Sound hat auf Platte wie auch live in keiner Weise an Volumen verloren, im Gegenteil. Songs wie Saturday Nighmares oder Forest Eyes sind ausgemachte Pophymnen, ohne dabei überproduziert oder pathetisch zu wirken, eben weil dahinter nicht das Bemühen steckt, einem Popsong stadiongrösse zu verleihen. Logh haben ohne Frage an Leichtigkeit gewonnen, North zerreißt einem nicht das Herz, eher mögen dem Zuhörer kleine Glückstränen über die Wangen rollen. Auf der Bühne gewinnen die Stücke noch einmal zusätzlich an Kraft, insbesondere Thieves In The Palace, das epischste Stück der Platte, hat eine so packende Wirkung, dass sich der Körper völlig anspannt und man unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballt.

Auch wenn sie von der deutschen Musikpresse bisher beharrlich ignoriert werden, Logh sind zweifelsohne live wie aus der Stereoanlage eine der beeindruckendsten Bands der letzten Jahre. So finden mehr und mehr Menschen ihren Weg zu den Konzerten, nicht zuletzt weil ihnen irgendwer gesagt hat: "Mensch, die spielen jetzt sogar mit zwei Drummern!"
foto: simon traut



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