Mit seiner zeitlosen Interpretation des Batman schuf Frank Miller Mitte der 1980er Jahre dessen Mythos in einer originär düsteren Betrachtung neu und verortet diesen in einer komplexen Welt im kalten Krieg.
"no, i don't keep count. but you do. and i love you for it, batman, darling."
(the joker)
Ganz zu Beginn der düsteren Exposition wohnen wir einem abendlichen Treffen der beiden alternden Herren bei, einer kurzen Unterhaltung bei einem Glas "Whiskey". Wie im Film „No Country For Old Men“ sehen sich Wayne und Gordon mit einer Gegenwart konfrontiert, die nicht mehr nach ihren Regeln zu spielen scheint, in der sie sich nicht mehr zurecht finden und die jetzt von zwar jüngeren aber eben auch unerfahrenen Charakteren übernommen wird. Hier wie dort werden es aber eben diese "Old Men", die "alten Hasen" sein, die sich als die einzigen erweisen, die das Zeug dazu haben, jener Gegenwart etwas entgegen zusetzen. „I walk the streets of this city I'm learning to hate, the city that's given up, like the whole world seems to have“, konstatiert ein faltiger, silberhaariger Wayne. Doch der Bruch mit seiner Vergangenheit fördert seine innere Zerrissenheit nur weiter zu Tage, zwingt ihn dazu, den Konflikt mit seinem inneren Dämonen wieder auf die Straße zu tragen, da er ihm allein nicht gewachsen ist. Niemals war und niemals sein wird.
Es ist diese psychologische Ebene die Miller in seinen Batman einfließen lässt und die ihm eine vielschichtigere Interpretation des Dark Knights ermöglicht. Im bis dato fast in Vergessenheit geratenen Captiontext – dem eingerahmte Erzähltext - skizziert Miller die inneren Vorgänge und rückt die konfliktbeladenen Facetten, die Auseinandersetzungen der Figur mit sich und der sich ändernden Welt ins Zentrum und entfaltet so eine für den Mainstream Superheldencomic der damaligen Zeit ungeahnt differenzierte Erzählstruktur, die durch die kantigen, mal detaillierten, mal skizzenhaften Zeichnungen in blassen Farben unterstrichen wird. Bemerkenswert bleibt dabei die scheinbar zeitlose Inszenierung der Handlungskomplikation dieser One-Shot Serie, obgleich die geschilderten Ereignisse und deren politische Rahmenbedingungen, die immer wieder durch realitätskonstruierende Medienberichte kommentiert werden, deutlich in der Mitte der 1980er Jahre verortet sind.
Zudem greift Miller mit dem Joker, der seit Jahren katatonisch in der geschlossenen Psychatrie Arkham Asylum inhaftiert ist, auch jenen Nemesis Batmans auf, der mehr als alle anderen seiner Gegenspieler hervor sticht. Wie das Goon Magazin herausarbeitete, partizipieren die anderen Widersacher immer nur an einem bestimmten Detail des Batman: der Angst (Scarecrow), der Selbstjustiz (Ra's al Ghul) oder dem Animalischen (Catwoman). Der Joker hingegen ist all das, was Batman explizit nicht ist: grell, bunt, hysterisch, anarchistisch, hedonistisch, unernst, chaotisch, vernichtend, selbstzerstörerisch. In der endzeitlichen Abrechnung scheint es nur folgerichtig, dass gerade dieser, als einziger - lässt man ein paar Cameos beiseite - der altgedienten Gegenspieler auftritt, auch wenn ein anderer Konflikt wesentlich weitreichender und im eigentlichem Mittelpunkt der Handlung steht.
„From the beginning I knew that there's nothing wrong with you that I can't fix with my hands“, erklärt ein verbitterter Batman seinen Feldzug gegen den mordenden Joker und gerade hier wird die Begrenztheit der klassischen Superhelden deutlich: Wie alle anderen ist auch der dunkle Ritter im Wesentlichen auf seine Hände, seine physische Präsenz angewiesen, wenn er Jagd auf das Übel macht. Doch die Bedrohungen haben längst den Status einer als Singularität manifestierten Gefahr wie dem Joker überstiegen. In diesem Dilemma befindet sich jedoch nicht erst der alternde, von Selbstzweifeln geplagte Batman, sondern es ist von Beginn an in ihm angelegt. Die Ursprungsgeschichte, ein ganz wesentlicher Teil des jeweiligen Heldenmythos, bot bereits bei der Erschaffung des Batman 1939 von Bob Kane jene düsteren Züge, die Miller hier neu herausstellt: Seit dem Mord an seinen Eltern in dessen Kindheit, kleidet sich der Multimillionär Wayne nachts in ein ikonografisches Kostüm und bekämpft obsessiv Verbrechen. Nicht erst der von Miller als alternden Vigilanten porträtierte Wayne war - im Gegensatz zum in rot und blau erstrahlenden Superman - schon immer Sinnbild für das Versagen der Moderne. Der Dark Knight vertritt nicht das Gesetz, er ist die Vergeltung, die Selbstjustiz, immer am Ende einer großen Erzählung stehend, die auf Recht und Gesetz, auf verbindliche Gesellschaftsverträge und Gewaltenteilung vertraute. Im millerschen Batman wird der unhintergehbare Heldenstatus des Superhelden dekonstruiert ohne dabei das Format selbst der Lächerlichkeit preiszugeben. Es ist die Demontage des scheinbar legitimierten Eingriffs eines anonymisierten Superhelden in die juristisch geregelten Prozesse einer, sich als integer betrachtenden Gesellschaft, dessen Spannung auch im ambivalenten Verhältnis zwischen Gordon und Wayne aufgegriffen wird; Wann immer ersterer das Bat-Signal in den nächtlichen Himmel richtet, bietet er selbst jenes System auf dem Opfertisch feil, welches er mittels der ersuchten Hilfe verteidigen will. Wenn Batman so zur Ikone des Falls der Moderne wird, ist er die Antithese zum Man of Steel, des bunten Kryptoniers, der stets eine Gerechtigkeit vertritt, die durch eine nicht anzuzweifelnde, höhere Instanz legitimiert wird. (Dass es sich hierbei nicht um eine, das irdische transzendierende Idee im platonischen Sinne, sondern vielmehr um eine willkürliche Ideologie handelt, lässt sich sehr schön an den "Elseworld" Eposioden "Superman: Red Son", "Superman: True Brit" und "Superman: Übermensch!" betrachten.) Erst in Millers bedrückender Inszenierung wird Superman durch diesen unreflektierten Gehorsam zum Instrument einer machthungrigen Regierung, die ihn gleichzeitig zum Schoßhündchen wie zur geheimen Superwaffe gegen den ideologischen Feind im kalten Krieg macht.
„You're not a young man anymore“, erklärt Superman in einem zentralen Dialog mit Wayne. „Maybe if you'd learned to slow down and find your niche, but times have changed. Sooner or later somebody's going to order me to bring you in. Somebody with authority.“ „When that happens, Clark“, entgegnet ihm ein entschlossener Wayne trocken, „may the best man win.“
illustration: david mazzucchelli
frank miller
"the dark knight returns"
dc comics 1986
frank miller
Frank Miller [The Dark Knight Returns]
In der 1986 das erste Mal als Paperback gesammelten Reihe "The Dark Knight Returns", entwirft Autor und Zeichner Frank Miller das Bild eines alternden Bruce Wayne in dessen späten Fünfzigern, der seit zehn Jahren die geheime Identität als Gothams nächtlichem Wächter abgelegt hat. Zurückgezogen wird er zum farblosen Multimillionär, jenseits des früheren Playboy Images, der gemeinsam mit seinem ergebenen Bulter Alfred im Wayne Manor residiert. Polizei Commissioner Gordon, der alte Freund Waynes, steht kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag und seiner damit verbundenen Pensionierung, während sich das Bild der Metropole Gotham weiter verdunkelt. Es sind nicht mehr die aparten Superschurken die das kriminelle Bild der Stadt prägen. Der Moloch hat letztlich auch diese Kinder verschluckt. Es ist die Verlorenheit, die Desorientierung der Bevölkerung selbst, aus der sich eine militante Gruppe von Jugendlichen, sich selbst – etwas überspitzt vielleicht ganz im Sinne Leslie Fiedlers – die „Mutanten“ nennend, erwächst und den Aufstand und Umsturz der bestehenden Werte und Normen propagiert.
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