Haldern Pop [Rees-Haldern, 13.-15.08.2009]

Vom Glück der Sekunde



"Commuplication"
(festival motto 2009)


Jeder weiß dass es die permanente Glückseligkeit nur in Rosamunde Pilcher Filmen und in der Imagination zweifelhafter Kitschromane gibt. Im realen Leben kommt das pure Gefühl des Glücks eher selten vor und in der Popmusik noch ein bisschen weniger. Vielleicht würden wir es gar nicht bemerken, wenn wir es nicht mit der Lupe suchen müssten, darauf warten könnten um es im Limit des Momentes voll auszuschöpfen.

Es sind ganz unterschiedliche Dinge, die jeden von uns auf eine eigene Weise berühren, aufregen, bewegen. Für den einen ist es das Wiedersehen mit dem Freund am Flughafen, der erste Urlaubstag in einem fremden Land, die erste Currywurst nach 4 Jahren vegetarischer Enthaltsamkeit. Wiederrum andere beziehen ihre Ration Glück und Zufriedenheit aus Musik, aus Akkorden, Melodien, Harmoniken, Stimmen und Rhythmen.

Eine Musikveranstaltung wie das Haldern Pop Festival strotzt regelmäßig nur so vor denk und feierwürdigen Glücksmomenten, Umgebung, Örtlichkeiten und Ambiente sind ebenso hervorragende Indikatoren wie die zurückhaltende Organisation. Seit 26 Jahren reift in Haldern ein beständiges Team dass immer wieder Wagnisse eingeht um die Qualität des Festivals zu bewahren oder sogar zu anzuheben.

Man spürt die Erfahrung und den sicheren Umgang mit Künstlern, Technik und Zuschauern an allen Ecken und Enden, das Konzept wirkt routinierter denn je, entbehrt jedoch nie einem amateurhaften und sorgfältig gepflegtem Charme, auf den Verantwortliche wie Besucher großen Wert legen. Während man sich bei anderen Großfestivals getrost auf die Devise „alle Jahre wieder“ verlassen kann, beschert das Haldern ihren Fans regelmäßig kleine oder größere aufregende, bei manchen sogar zur Sorge ausartende Änderungen und innovative Ideen, die in den Augen einiger an der Verlässlichkeit des Festivals kratzen. Dieses Jahr wurden auffällig viele Singer/Songwriter gebucht, für manche Besucher nach Schema F: Typ bärtiger Melancholiker an der Klampfe. Im Vorfeld wurden vermehrt Rufe nach brüllenden Gitarren, reissenden Riffs und einer fetten Rhythmusmaschine laut. Kurz; man verlangte nach waschechtem Rock. Was manchen als Manko erschien wurde für die allermeisten zu einem roten Faden, der das Haldern gepaart mit dem Sonnenwetter dieses Jahr zu einem vollkommen runden und in sich schlüssigem Wochenende machte. Es gehört eine gesunde Portion Selbstvertrauen und Mut dazu auf einem Festival - wohlgemerkt eine Massenveranstaltung - den Fokus auf das Leisere, etwas Schlichtere in der Popmusik zu legen, und sich nicht davor zu scheuen Künstler wie Bon Iver und die erstaunlich zurückhaltenden und bisweilen belanglosen Noah And The Whale auf die Hauptbühne zu stellen, immer mit dem festen Vertrauen auf ein zivilisiertes und dankbares Publikum. Die Rechnung ging auf, die Auftritte von dem hochmusikalischen Andrew Bird, William Fitzsimmons (demnächst im lichter-Interview!) und Bon Iver wurden trotz manch verwirrender Programmänderung bestens angenommen und fügten sich wunderbar in die rotzigen und experimentellen Sets, die es natürlich auch in ausreichender Zahl gab. Ein für sicher sehr viele prägender Moment war der in der Nachmittagssonne spielende Bon Iver, der bei völliger Stille im Publikum ein höchst intimes und intensives Konzert lieferte, und bei den Zuhörern den Eindruck eines vollkommen unaffektierten Menschen und Musikers hinterließ, der in Haldern wie die Faust auf das sprichwörtliche Auge passte.

Dieses Jahr gab es wie üblich auch wieder einige Wiederkehrer auf den Bühnen, als perfekte Festivalband erwiesen sich am Samstagvormittag die Maccabees, mit neuem Album und gewohntem Charme im Gepäck war ihr Auftritt ein Höhepunkt des Wochenendes. Ebenso Anna Ternheim, die mit vollem Bandaufgebot und (leider unmöglicher)Backgroundsängerin genauso eindringlich und authentisch war wie alleine am Klavier. Weitere atmosphärisch dichte und erinnerungswürdige Konzerte boten Wintersleep, Woodpigeon sowie Grizzly Bear, drei junge aufsteigende Bands, die den Trubel um sich redlich verdienen und sich psychodelische Experimente und ausufernde Songlängen leisten können ohne zu langweilen.

Bei so viel künstlerischem Potential und der absolut geglückten Zusammenstellung der Bands bleibt nur eine Frage: Was hatten Fettes Brot als Headliner und Abschlusskonzert auf der Haldernbühne zu suchen? Ähnlich wie bei Jan Delay vor zwei Jahren passte der Auftritt der Hamburger Feierproleten nicht in das sonst so glasklare Konzept und die Stimmung des Wochenendes.

Dennoch war das Haldern wieder ein Platz zum glücklich sein, sei es für das abgezapfte Popwasser, die Dusche vor der Bühne, den See, die Sonne, die Spiegelzeltleinwand oder einfach nur für den Refrain, den Schlussakkord oder den Bart des Sängers.
Wir kommen wieder!
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