Jim Jarmusch [Coffee And Cigarettes]

Von Arnold Schönberg stammt das Zitat: "Kaffee und Zigaretten gehen einfach gut zusammen. Komponieren ist ein einsames Geschäft, und sie leisten mir dabei Gesellschaft." Jim Jarmusch weiß dies in seinem neuen Film episodenhaft zu unterstreichen.


"i like to drink coffee just before i go to sleep, so i can dream in indy500 speed."
(steve wright, strange to meet you)

"Ich erinnere mich noch an meine erste Zigarette. Freunde von mir hatten die Packung in einem Laden geklaut. Erinnere mich gut. In der Nähe von Akron, Ohio, wo ich aufgewachsen bin. Wir liefen die Schienen lang. Öffneten die Packung, ich weiß noch, war eine Packung Newports. Erst rochen wir daran. Das Menthol, weißt du, wie Süßigkeiten. Dann zündeten wir sie an, inhalierten, fingen an zu husten. Ein Paar Minuten später war allen schlecht. War aber so cool. Wie richtige, durch und durch verkommene Zehnjährige."

Jim Jarmusch formulierte diese romantisierten Gedanken eines Rauchers, der kurz davor ist, seine letzte Zigarette zu rauchen, und danach ein für alle Mal damit aufzuhören als sich selbst darstellende Figur in dem Film "Blue in the Face" von Regie Kollegen Wayne Wang und Paul Auster. "Zigaretten und Kaffee, verstehst du? Das werde ich vermissen. Das Heldenfrühstück." Dieses Heldenfrühstück serviert Jarmusch seit beinahe zwanzig Jahren Prominetnen in kleinen schwarz-weiß ästhetischen Kurzfilmen, welche dieses Jahr als Spielfilm im Kino veröffentlicht werden.

Erste Gehversuche dieses Projekts führen zurück in das Jahr 1986, als die später auch vom deutschen Fernsehen übernommene Comedytalentschmiede Saturday Night Life bei Jarmusch anfragte, einen Kurzfilm für die Show zu schreiben. Damals setzte er den Regisseur Roberto Benigni und den Kabarettisten Steve Wright an einen Café Tisch und ließ sie sich unter dem Titel Strange To Meet You bei Kaffee und Zigaretten begegnen. Aus dieser Idee entwickelte sich eine detailverliebte Leidenschaft, für welche namhafte Größen aus Film, Kunst und Musik, absurde und philosophische Gespräche zu und über Kaffee und Zigaretten führen, in welchen die Darsteller zwar stets sich selbst spielen, die Inhalte jedoch immer fiktional sind. Coffee and Cigarettes.

In seiner unnachahmlich mürrischen Art beschäftigt sich Bill Murray als Kellner in einer der jüngsten Episoden mit den Wu-Tang Köpfen RZA und GZA, die ihn vor den Gefahren der beiden Psychopharmaka warnen, und stattdessen für alternative Medizin begeistern wollen. Murray quittiert ihre Bemühungen auf plakative Weise, in dem er seinen Kaffee am Tisch direkt aus der Kanne trinkt.

Ebenfalls in der Rolle eines Kellners brilliert der amerikanische Independent Star Steve Buscemi im Gespräch mit zwei uneinigen Zwillingen, und berichtet von dem Streit zwischen Elvis Presley und dessen unbekannten bösen Zwillingsbruder, den Buscemi auch für den Untergang des Kings verantwortlich macht. In einer weiteren Episode unterhalten sich Tom Waits und Iggy Pop über die Jukebox im Café, die Songs keiner der beiden Musiker spielt, und Waits offenbart Pop als Endschuldigung für die Verspätung, dass er morgens am Rand eines Highways bei einem Notfall ein Baby zur Welt brachte, da er nicht nur Musiker sondern auch Mediziner sei. Sie sprechen darüber, wie wundervoll es ist, mit dem Rauchen aufzuhören, besonders, so Waits, da man schließlich wieder damit anfangen könne. Kate Blanchet überzeugt in einer Doppelrolle, in welcher sie bei einer Drehpause bei einer Tasse Kaffee auf ihre neidische, desaströs sozialisierte Cousine trifft, und Jack White erklärt seiner White Stripes Partnerin Meg die brillanten Entwicklungen des kroatischen Erfinders Nikola Tesla.

In jedem der elf Gespräche tasten sich die Protagonisten gegenseitig ab, suchen nach Schwächen im Gegenüber, und versuchen sich dann zu profilieren. Meist sitzen sie dabei wie Gegenspieler an einem kleinen quadratischen Café Tisch, auf dessen Schachbrettmuster Kaffeetassen und Zigaretten wie Läufer und Springer positioniert sind. Mental verbales Schach, wie Jarmusch selbst einräumt. Auf diese Weise dokumentiert er unsere intimen Schwächen, Verlangen und Obsessionen im Umgang mit anderen Menschen auf völlig unprätentiöse Weise in alltäglichen Situationen aus außergewöhnlicher Perspektive. Es gelingt ihm in Coffee and Cigarettes immer wieder nicht nur seine Leidenschaft für das Heldenfrühstück zu gustieren, sondern beweißt auch auf charmante und intelligente Weise, dass diese, wenn auch gesundheitsschädlichen Genussmittel, ähnlich eines Katalysators die Gedanken eines intimen Gespräches vorangetrieben und entfaltet werden wie der Rauch der Zigaretten. Rauch ist nichts fixiertes, er befindet sich in ständiger Bewegung und Umgestaltung, wie unsere Gedanken, die sich frei Bewegen. Und dann haben Zigaretten auch noch etwas Existentielles; sie erinnern dich an deine eigene Sterblichkeit. Jeder Zug ist ein flüchtiger Moment, ein flüchtiger Gedanke. Du weißt, du rauchst, der Rauch verschwindet und erinnert dich daran, dass Leben auch Sterben bedeutet.
foto: united artists


jim jarmusch
"coffee and cigarettes"
2004