Beck [Guero]

The daytime crap of a folksinger slob.
Der zeitlose Multiinstrumentalist und smarte Jack-Of-All-Trades, prägte mit dem Stück Loser den Konsensgedanken einer vermeintlich ganzen Generation junger Amerikaner. Now, the times, they are a-changing.


"hell yes, i'm moving this way, i'm doing this thing. Please enjoy."
(hell yes)

Der milchgesichtige junge Mann sitzt unverkrampft am Tisch gegenüber, und doch scheint sich da eine gewisse Unsicherheit in seiner Mimik auszudrücken. Als Wunderkind bezeichnet zu werden ist zweifelsohne nicht gerade eine sonderliche Ehre, dennoch scheint dieser Ausdruck wie geschaffen für den Mitzwanziger, der in der letzten Zeit den Begriff Slacker neu definiert und für die Nachwelt als Archetyp geprägt zu haben scheint. Den überraschenden Fokus von sowohl Printmedien als auch dem Musikfernsehen hat er vor kurzem auf sich gezogen, als sein Stück Loser, ein wahnwitziger Hybrid aus Folk, Rock, Disko und Hip Hop, bemerkenswert unprätentiös zusammengehalten durch die nahezu gleichgültig dahin gedroschene Sprache des Antihelden. „Soy un perdedor“, lamentiert er da im Refrain auf Spanisch, „I’m a loser baby, so why don’t you kill me?“. Voller Ironie spielt er mit Zeilen wie „The daytime crap of a folksinger slob / He hung himself with a guitar string“ auf sich selbst und seine musikalische Entwicklung an. Der Öffentlichkeit scheint nämlich entgangen zu sein, dass „Mellow Gold“ nicht gerade als das Debüt des jungen Amerikaners betrachtet werden kann. Im gleichen Jahr veröffentlichte der musikalische Workaholic nämlich auch sein herrlich verschrobenes, weniger konsensfähiges und teilweise konzeptuell mit Hörspielversatzstücken arrangiertes Album „Stereopathetic Soul Manure“, sowie mit „One Foot In The Grave“ eines der besten Folk Alben, die Dylan niemals aufgenommen hat. Oder wie das Intro vermutlich sagen würde: Beck Hansens Basement Tapes. Und gerade mit dieser pessimistischen Selbsteinsicht erlangt Beck Hansen die Anerkennung, die ihm ohne Zweifel zusteht. Auch der spanische Ausdruck in besagtem Stück kommt nicht von ungefähr, ist Beck schließlich im Osten Los Angeles aufgewachsen, einem spanisch kultivierten Stadtteil, in welchem die Menschen in eher ärmlichen Verhältnissen aufwachsen. „Que onda Guero“, haben sie ihm nachgerufen, erklärt er. „What’s up, Whitey“. Er war der Guero im spanischen Viertel, der jedoch schon früh seine Eltern verlassen, und mit 19 zwei Jahre in Paris gelebt hat.

Der semi-rentable Erfolg des Stückes Loser verdichtet sich vielleicht in nächster Zeit, erlaubt er dem Multiinstrumentalisten auf jeden Fall mit dem ehrwürdigen Produzenten Duo Dust Brothers – den beiden Amerikanern Mike Simpson und John King – zusammen zu arbeiten, und das hier raus resultierende Werk – ein opulentes, zeitgeistig fokussiertes Folk Rock Hip Hop Konglomerat mit dem Titel „Odelay“ - wird ihn wahrscheinlich für alle Zeit als Ausnahmetalent etablieren. Ich habe bereits Stimmen gehört, welche Beck Hansen als den David Bowie der ausgehenden Neunziger Jahre beschreiben wollen. Vielleicht wird es ihm sogar gelingen - den Major Vertrag bei Geffen Records in der Tasche - sich als konsensfähiger Künstler im kurzlebigen Pop Geschäft zu behaupten, gleichzeitig jedoch seine Unantastbarkeit in der Auswahl seines Schaffens beibehalten zu können. Diesen Anspruch – Art Always Wins – hat er vermutlich grenzenlos eingeatmet, sind seine Mutter, die Teil Warhols Factory war, und besonders sein Großvater, der mittlerweile in Köln lebende Mitbegründer der Fluxus Bewegung, wichtige Bezugspunkte seiner Inspiration. Ambitioniert genug, als Künstler trotz des Vermarktungssystems autark zu bleiben, ist er ohne Zweifel. Unbedenklich kann man schon jetzt prophezeien, dass er ohne Frage das Talent hätte, sich nach „Odelay“ einer völlig anderen Stilrichtung zu öffnen. Eine melancholisch getragene Platte, die sich auf sein Singer/Songwriter Talent bezieht, erscheint ebenso möglich, wie wilde Disko Funk Soul Pop Verbindungen oder gar countryeske Klangbilder reinster Schönheit oder Arrangements mit seinem Vater, dem laudablen amerikanischen Komponisten und Dirigenten David Campbell, dem Beck wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein scheint.

Vielleicht besinnt er sich nach all diesen innovativen, musikalischen Eskapaden auch wieder auf die Sample getragene, vielschichtige Simplizität der frühen Jahre, verbindet all jene Stile, die ihn während seines Aufwachsens in L.A. geprägt haben und setzt dann nach Jahren wieder dort an, wo er mit „Odelay“ angelangt sein wird. Man wird ihm für seine Verhältnisse vorwerfen, uninspiriert und rückständig gearbeitet zu haben, doch vielleicht ist das klassische Cut&Paste Motiv der Dust Brothers dann genau das, was er aus seinen Werken als Destillat hervorbringen möchte. So ursprünglich wie Zwei Plattenspieler und ein Mikrofon für den Hip Hop sind, könnte er auf seine eigene Ausgangsposition zurückkehren, und es sich zur Aufgabe machen, Songs vorzutragen, ohne sie artifiziell zu derangieren. Breitbandgitarren treffen auf staubtrockene Beats, verschrobene Steelgitarren, Mundharmonika Fetzen, Computer Blips und Bleeps und comichafte Frauenchöre bilden das Fundament, und das Wissen um die Wichtigkeit eines guten Gitarrenriffs und eines subversiven Refrains würden den Rest erledigen.

Aber das sind natürlich alles nur Spekulationen die sich in der Zukunft bestätigen oder vielleicht gänzlich verwerfen werden. Es geht um das Happening, nicht um die Konstruktion eines Mythos. Es ist wie der Yoko Ono Piano Drop von Al Hansen, bei dem dieser ein Klavier aus einem Haus wirft, und man mit offenem Mund davor steht ohne zu wissen was mit einem geschieht.
foto: universal music


beck
"guero"
geffen 2005 cd / lp
beck