Jens Friebe [In Hypnose]

Wie ein B-Movie Star.
"Jens Friebe in Hypnose" prangt in Schund fiktionalen Lettern über dem Hauptdarsteller und präsentiert in zwölf Szenen das aktuelle Leben zwischen Pet Shop Boys und Kolossaler Jugend.



"und die venus rockt das dritte haus."
(messer von hinten)


"Abgrenzungen gehören in der Musikszene zum guten Ton. Wichtig sind nicht nur Lieblings Platten, die man sowieso mit möglichst niemandem teilen möchte. Die wahre Zugehörigkeit zeigt sich in szenegerechten Codes. Für Frisuren und Outfits gilt das schon immer." Was zunächst ein wenig nach Cultural Studies klingt ist in Wahrheit ein Zitat aus der aktuellen Werbekampagne eines populären deutschen Brauerei Konzerns, welcher hier mit den individualistischen Szenegängern anbandeln möchte. Der Bloc Party und Tocotronic Hörer wird zum "schnörkellosen" klassischen Pilstrinker mit angestrebtem Indie Lebensstil. Hört man Black Eyed Peas oder Common muss zwangsläufig "Sportzigarette" geraucht und Baggy Pants getragen werden, und man wird augenscheinlich zum "Mixfan", zum Konsumenten der alkoholischen Mixgetränke, denn "Mix-Biere sind Part der Hip-Hop Kultur". Die heilige Vierfaltigkeit aus Breakdance, Graffiti, DJing und Rap wird also ergänzt. Hört, hört.

Aus diesem aufdringlichen Begehr nach Individualität, der Abgrenzung und gleichzeitigen Subsummierung unter eine vom Markt erschlossene Szenecodierung, fällt Jens Friebe gänzlich heraus und bricht somit neu gezogene Grenzen. Vielleicht ist dies auch Teil des Mysteriums, welches seinem Debüt Album "Vorher Nachher Bilder" eine solch zwiespältige Meinung unter den Hörern bescherte. Die Einen liebten seinen trashigen Umgang mit Musik unter gleichzeitiger Verwendung intellektueller Texte und einer selbstbewussten Selbstverständlichkeit beim Spiel mit so unpopulären Trademarks wie Italo Disko. Die Anderen verschreckte seine sexuell ambivalente Ästhetik, das androgyne Dandytum und Friebes seltsam anmutende, schrullige Stimme. Dieses Spannungsfeld zwischen Allgemeingültigkeit und Irritation, welches Teil von seinem Konzept, Teil seiner Arbeit ist, bedient er auch auf dem neuen Album, auch wenn sich dieses deutlich vom Vorgänger abhebt.

Mit Produzent Tobias Levin wurde aus der zwielichtigen Zwischenwelt von elektronisch trashigem und gitarrenorientiertem Songwriting das Augenmerk mehr auf die letztere Komponente gelegt. Der verspielt naive Dance Track Bungeeseil scheint hier noch am ehesten als Bindeglied zwischen den beiden Veröffentlichungen agieren zu können. Ansonsten bewegen sich die neuen Stücke besonders aufgrund der musikalischen Unterstützung durch die beiden Schlagzeuger Chris Imler und Tex Strzoda sowie der prägnanten Slideguitar von Lassie-Singers Gründungsmitglied und Regierung Produzenten Hermann Herrmann auf einem anderen Terrain. Ohne dabei jedoch gänzlich den lieb gewonnenen bzw. verhassten Elementen abzuschwören. Inhaltlich wechselt eben dieser Untergrund vom ewigen Eis, dem fernen All oder der Straße nach Berlin hin und her und weiß düsterere Bilder zu malen als der Vorgänger. Verschwunden sind die verspielten Ravensburg Verweise und die fliegenden Schmetterlinge um Friebes lächelnde Person. Man präsentiert sich in einer schwarzen B-Movie Ästhetik mit Monsterskizzen und die Sonne ist durch Sternbilder ersetzt. Der Blick des Wahlberliners zielt ins Leere anstatt in die Augen des Betrachters.

"Ihr müsst sie feiern wie sie fallen / Ihr müsst mich feiern wie ich fall / Wie die schönste von allen / Auf dem Abschlussball", eröffnet das Album mit einer kleinen Hymne und mit einem Refrain dessen Text in seiner ungeniert destruktiven Vollendung im Kopf bleibt. "'In uns beiden sehen die Amerikaner sich selbst. Wenn sie dich betrachten, sehen sie sich, wie sie gerne wären. Wenn sie mich betrachten, sehen sie, was sie sind', so Nixons Worte in Oliver Stones gleichnamigen Film, gerichtet an ein Ölgemälde von J.F.K. Darüber wollte ich schon immer ein Lied machen", erklärt Friebe das Stück Kennedy". In dessen Video wird das Amerika der Sechziger Jahre adaptiert, samt intrigantem Abschlussball Szenario.

"Hypnose" vereint zwölf intelligente Popsongs die zwischen Aufklärung und archaischer Sehnsucht hin und her gerissen erscheinen, wie Messer Von Hinten, in welchem sich Friebe geradezu mystisch und anmutig mit der profanen Illusion der Hellseherei beschäftigt. "Astrologie Show, Hörertelefon / Eine Endloswarteschleife / Eine Frauenstimme wiederholt / Bitte haben sie Geduld!"

Überhaupt weiß er Texte zu formulieren, die in ihrer wunderbaren Metaphorik als Zitat die unvorstellbarsten Momente erhellen werden. Wie kann Vertrauen schließlich trefflicher beschworen werden, als wenn er in Lawinenhund "Wie eine Stimme, die beim Tischfußball zu dir spricht / Klapp deine Männchen hoch, den Rest mach ich" singt. Seinen Jugendhelden, den Stooges und den Smiths widmet er mit den Stücken Lawinenhund und Theke Mit Den Toten eine kleine Hommage, und erklärt ironisch ehrlich im Pressetext dazu, dass ersteres eine "flauschige Version" von I Wanna Be Your Dog und letzteres der "Versuch eines deutschen Meat Is Murder" darstellt. Konkreter im Zitat wird Friebe bei dem elektronischen Tanz Track Es Hat Keinen Namen - einer Coverversion des gleichnamigen Regierungs Songs - und dem ausschweifenden und berührenden They Might Be Giants Cover Roadmovie To Berlin, mit welchem er die Platte beschließt.

Fraglich bleibt nach dem Durchhören des Albums, welches Bier man Jens Friebe am Tresen ausgeben sollte, lässt er sich doch in keines der Eingangs erwähnten "Welches Bier markiert welche Szene" Schemata einordnen. Vielleicht ist es jedoch profaner und gleichsam andachtsvoller als man denkt. "XTC und Red Bull kommen gut / Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut" (Abend Voller Glück).
foto:


jens friebe
"in hypnose"
labels 2005 cd
jens friebe