Gut geführte Dialoge, Feingefühl für unaufdringlich gesetzte Pointen, eine charmante Auswahl an empfohlener Musik und liebenswerte Charaktere machen Jeph Jacques Webcomic zu einer obligaten Empfehlung. "Fragwürdig" bleibt dabei eigentlich kaum etwas.
"hey, i like the killers! - sshh, don't say that aloud! they might hear you and make another terrible album!""
(raven und faye)
Der vierundzwanzig Jährige Jeph Jacques hat eine der besseren – um bei diesem Genre übergreifenden Terminus zu bleiben – Sitcoms erschaffen und setzt diese überzeugend in Form eines Webcomic um. In den vier Panels jeder Ausgabe geht es um Wortspiele, Kaffee, Erwachsen werden, Beziehungen, Alltäglichkeiten und eine Vielzahl von Referenzen und geführten Diskussionen über Bands, von dessen bestehen man bis dato oft nichts ahnte.
Die Erzählstruktur funktioniert dabei auf einer Ebene, bei welcher man die Pointe auch dann versteht, wenn man sich eine Folge wahllos herausgreift. Und selbst dann, wenn man nicht Popmusik studiert hat. Andererseits ist es eine nette Zugabe wenn man bemerkt, dass dort ein Zitat von Pavement stammt. Oder den Archers Of Loaf. Stilsicher bewegt sich der junge Zeichner, der sich seit seinen Anfängen im August 2003 sowohl künstlerisch als auch erzählerisch explosionsartig entwickelte, auf hohem Niveau mit einem ausgeprägten Feinsinn für subtilen Humor und sich langsam entwickelnden, unaufdringlichen Running Gags.
Im Kern geht es um Marten, einem Indie Nerd Anfang Zwanzig, der mit der gut aussehenden und äußerst smarten Faye in einem Appartement lebt. Die Beziehung zwischen den beiden scheint stets in der Schwebe zwischen intensiver Freundschaft und intimen Näher kommen. Dora, die exzentrische und äußerst sarkastische Besitzerin eines stylischen Cafés – dem Coffee of Doom – ist gleichzeitig Fayes Chefin, als auch die obligatorisch dritte Person in dieser Dreiecksgeschichte. Den Bruch zur Realität stellt die Figur von Pintsize dar, einem "AnthroPC" – irgendwo zwischen Futuramas Bender und einem iPod mit dem Feingefühl von Alf – der so überdreht unrealistisch erscheint, als würde er aus einem anderen Comic stammen und sich doch sehr passend in die Geschichte einreiht. Die Eigenheiten und Wesenszüge der Charaktere und deren Bewältigung besagter Alltagssituationen lassen diese zu zentralen Elementen der jeweiligen Folge werden.
Die Assoziation mit einer Fernseh Sitcom kommt nicht von ungefähr; die Geschichten spielen an wenigen, unterschiedlichen Settings, wie dem Appartement oder Café, an denen bestimmte Perspektiven, wie Kameraeinstellungen eingenommen werden. Auch der Verlauf der Geschichte ähnelt einer solchen Produktion. "'QC' hat einen übergeordneten, inhaltlichen Rahmen, in dem ich bei den Details und Entwicklungen aber sehr flexibel arbeiten kann", beschreibt Jeph seine Struktur. "Das ganze wächst mit der Zeit, die Charaktere entwickeln sich und gewinnen an Dimensionen. Als ich mit dem Comic begann, sollte er eigentlich maßgeblich von Marten und Pintsize handeln, aber dann tauchte plötzlich Faye auf, und Dora, und jetzt habe ich diese beträchtliche Anzahl an Personen, die alle in meinem Kopf herumgeistern."
Jeph lebt in Northampton, Massachusetts, im Nordosten der Vereinigten Staaten und hat eigentlich einen Bachelor Abschluss in Musik. "Ich habe dieses Bedürfnis etwas Kreatives zu machen", erklärt er den Grund seiner jetzigen Tätigkeit. "Ich habe mal in einer Band gespielt, aber ich mag es nicht, abhängig von den Gewohnheiten anderer zu sein. Außerdem habe ich eine Zwangsneurose und da tut mir die kontinuierliche und geordnete Arbeitsweise bei meinem Comic sehr zu Gute." Ein erlesener Musikgeschmack spiegelt sich dennoch wie bereits erwähnt in seinem Comic wider (und auch in seiner anderen Arbeit, "Indietits", einem Comic über Vögel, die über Musik lästern). "In der Zeit die ich damit verbringe QC zu gestalten, höre ich die meiste Musik. Es läuft ständig etwas in iTunes, manchmal inspiriert mich die Musik sogar zu einer Episode". Im Augenblick seien dies maßgeblich "Return To The Sea" von den Islands und das Mogwai Album "Mr. Beast" ("it’s fuckin' awesome"), schildert er und erwähnt, dass er derzeit auch Geschmack an deutschen Produktionen gefunden hat. "A lot of weird German house music", erwähnt er, sowie Allen Allien und Notwist.
Um sich finanziell über Wasser zu halten setzte er einen Wunsch der Leser irgendwann in die Tat um: über seine Seite kann man die kurios bedruckten Shirts der Charaktere in kleinster Auflage und handverpackt bestellen und ein Statement in der Öffentlichkeit abgeben. TEH steht dann zum Beispiel darauf, , Music + Science = Sexy oder die grimmig drein schauenden Konturen eines Bärengesichts. Nach Sell-Out riecht das hier aber keines Falls. "Questionable Content" ist ein hell leuchtender Punkt am Horizont der unendlich großen Zahl an mehr oder minder ambitionierten Web Comics. Es geht um nichts Besonderes. Dinge geschehen hier und da ohne großes Aufsehen. Der wohl dosierte, smarte Humor neigt ob seiner Fülle an Querverweisen mehr zum verständigen Lächeln als zum großflächig angelegten Lachanfall, und keiner der Charaktere ist reizüberflutend genug, um im Vordergrund schlecht aufzufallen. "QC" ist ein Comic, der einen nicht auf Anhieb polternd und unumgänglich überzeugen muss, aber durch sein zurückhaltendes Auftreten mit der Zeit abhängig machen kann. "The comic about nothing", könnte man sagen, jedoch nicht abwertend, sondern ähnlich fasziniert erwartend wie bei Seinfeld.
foto: questionable content #482
jeph jacques
"questionable content"
webcomic
montag bis freitags, seit august 2003
Jeph Jacques [Questionable Content]
Über die amerikanische Sitcom Seinfeld sagte man einst, dass es dabei eigentlich um nichts gehe. "The show about nothing". Alltägliche Probleme, so trivial und unspektakulär, wie sie spannend sind. Drei Männer, eine Frau. Nichts Besonderes. Und doch übte die Serie einen gewissen Reiz auf die Zuschauer aus. Heute wird sie gern herangezogen um die ironische und egozentrische Kultur der Neunziger darzustellen. Vielleicht auch deshalb – da müssen wir uns nichts vormachen - weil sich das eigene Leben oft auch mehr um die Nichtig- als die Wichtigkeiten dreht. Identitätsstiftend mögen die Einen sagen. Eher das Gegenteil die Anderen. Im Endeffekt spielt es aber keine Rolle. Transportiert man dieses „nichts Besondere“ der Alltäglichkeiten von New York an einen fiktiven Ort, macht aus den Yuppies und Freaks junge Erwachsene, vertauscht die serienintern diskutierten Themen von Großstadtfrust und gesellschaftlicher Konventionen mit Musikleidenschaft und Zynismus und letztlich Kamera und Beleuchtung mit Stift und Farbe, ist man längst nicht bei "Questionable Content" angelangt, aber vielleicht auf einem guten Weg dorthin.
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