"A documentary is a film that starts without a beginning or an end."
Mit dem dokumentarischen Projekt Keepintime gelingt dem irischen Regisseur und Fotografen Brian Cross eine geschichtsträchtige Zusammenführung der Connaisseur des Rhythmus.
(joao parahyba)
Recycling in Form von Samples ist eines der Herzstücke des HipHop, einer - so betrachtet - geschichtsträchtigen musikalischen Bewegung, die sich immer im entspannten Spannungsfeld zwischen Vergangenheit und Gegenwart bewegt. Das Dokumentarprojekt KeepInTime begann mit einer spontanen Fotosession und uferte später zu dem jetzigen extravaganten audiovisuellen Zeitdokument aus, welches selbst auf eine dialektische Weise Geschichte schreibt. Keepintime ist wohl eines der ambitioniertesten Projekte, welche sich mit der zeitgenössischen Hip Hop Kultur - im Wesentlichen hier der Musik - und seiner Geschichte auseinander zu setzen versucht. Während die ersten Gedanken und Ansätze zu dieser liebevollen und leidenschaftlichen Großtat in den späten Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts anzusiedeln sind, beginnt die Geschichte, die sich unüberwindbar dahinter versteckt bereits viele Jahrzehnte zuvor. Ich glaube nicht, dass es eine andere sinnvolle Herangehensweise zu diesem Projekt gibt, als die Geschichte - wenn auch nur in groben Zügen - der Reihe nach zu erzählen, um am Ende in der Gegenwart anzugelangen und einen Ausblick in die Zukunft zu bieten.
"There’s a long story here and in large part, it’s the story of rhythm in the 20th Century."
Brian Cross, der sich selbst B+ nennt, ist ein irisch stämmiger Fotograf, Schriftsteller, Regisseur und bekennender Liebhaber der, sich dem Mainstream entziehenden amerikanischen HipHop Kultur. Letzterer Aspekt trägt maßgeblich dazu bei, dass Cross Anfang der 90er Jahren in die Westküsten Metropole Los Angeles zieht, um dort seinen Master Abschluss an dem California Institute of the Arts zu machen. Cross’ Präsenz erlangt schnell Einfluss auf die unabhängige und eher experimentell angesiedelte Hip Hop Community von Los Angeles, und es kommt zu ersten Zusammenarbeiten mit DJ Shadow, für den Cross das Video zu Midnight In A Perfect World aus dem hoch gelobten Debüt "Entroducing" dreht. In der wegweisenden Interpretation und Weiterentwicklung des HipHop, wie es Dj Shadow mit seiner Melange aus instrumentalen HipHop Stücken, Funk, Soul und Jazz gelingt, liegt auch das Interesse von Cross, der sich besonders mit der Geschichte eben dieser spezifischen Beats und Breaks beschäftigt.
Er konzipiert ein Projekt, in welchem er zunächst vier Persönlichkeiten aus der Musikgeschichte zusammenbringen und fotografieren, und im Anschluss mit ihnen über die - für die lokale Dj Szene - relevantesten ihrer Platten sprechen möchte; die vier Studio Schlagzeuger Roy Porter, Earl Palmer, Paul Humphrey und James Gadson. Sie spielten mit James Brown, John Coltrane, Marvin Gaye, Frank Zappa, Greatful Dead, Leonard Cohen und vielen Anderen bis hin zu De La Soul und Beck Hansen. In diesen ergrauten und dennoch juvenilen vier Herren spiegelt sich die gesamte Musikgeschichte der Nachkriegsära bis heute wieder, zumindest was die Rhythmusarbeit anbelangt, und damit die maßgebliche Inspirationsquelle für die heutige DJ Kultur.
"Music is a dialectical Memory Game. It is history with a heart beat."
Da sich das Arrangieren der Fotosession jedoch bis zum Jahr 2000 hinzieht, kann der 1997 verstorbene Roy Porter nicht mehr teilnehmen. keepintime Das Fotoshooting findet dennoch wie geplant statt. Den drei ehrwürdigen Schlagzeugern stehen drei kalifornische DJ’s gegenüber: Babu, J.Rocc und Cut Chemist. Old School trifft New School. Die wie Schätze gehüteten und verehrten Alben der Diskjockeys, allesamt Aufnahmen der anwesenden Schlagzeuger, werden aufgelegt und bearbeitet, und schon bald improvisieren Palmer, Humphrey und Gadsen live am Schlagzeug dazu. Ein homogener, organischer Rhythmus entsteht, wenn beispielsweise J.Rocc Cannonball Adderley über Gadson’s live Spiel cutted und somit Vergangenheit und Gegenwart auf unwiderstehliche Weise vermengt. Es kommt zu einer faszinierenden Art des Dialoges, und zu einem ersten, spontan gedrehten Video: Keepintime: Talking Drums And Whispering Vinyl. Das 13 minütige Video wird bei allen relevanten Film Festspielen auf allen Kontinenten vorgeführt und vom Publikum goutiert.
Aufgrund des Enthusiasmus aller Beteiligten, sollte die Geschichte hier jedoch noch nicht enden, vielmehr wird dieses Video den Stellenwert eines Trailers erlangen. Brian Cross geht noch einen Schritt weiter und organisiert am 29.12.2002 eine Live Show in Los Angeles, bei welcher neben den beiden Schlagzeugern Paul Humphrey und James Gadsen, dem Percussionisten Fred Walker und den bereits involvierten DJ’s noch drei weitere Turntablists und Producers, wie NuMark von Jurassic 5 teilnehmen, und das renommierte El Rey Theater mit weit über 1100 Gästen restlos ausverkaufen. Die Künstler bewegen sich an diesem Abend für zwei Stunden auf genau jener diskursiven Ebene, wie gut zwei Jahre zuvor in dem kleinen Fotostudio und werden zu Recht von einer ausgelassenen Menge frenetisch gefeiert. Das Zusammenspiel zwischen den erfahrenen Schlagzeugern auf der einen, und den Scratches und Cuts der Turntablists auf der anderen Seite ist ein beeindruckendes, perfekt getimtes Klangkunstwerk, welches in seiner umfangreichen Gesamtheit kaum Vergleiche findet. Faszinierend und fesselnd zu beobachten, wie die unterschiedlichen Generationen aufeinander treffen, Raum und Zeit manipuliert werden.
Und auch an dieser Stelle soll die Geschichte von Keepintime noch kein vorzeitiges Ende finden, denn nachdem nun eine Aufnahme geschaffen wurde, Material welches weiter bearbeitet und im Sinne des HipHop recycled werden kann, soll diese den Weg zu 12 weiteren Plattenspielern finden, unter deren Nutzern sich Cross’ Weggefährte DJ Shadow sowie namhafte Produzenten wie Cut Chemist, J.Rocc und Daedelus befinden. Abermals wird Zeit und Raum manipuliert, abermals wird mit der Geschichte gespielt und insgesamt 13 Stücke produziert, welche den Geist der Session atmen und unter denen besonders King Britt’s zehn minütiges Break Epos und Shadow’s Roy’s Theme hervorzuheben sind.
Die Dokumentation "Keepintime: A Live Recording" umfasst sowohl die CD mit den Mixen, als auch eine DVD, welche neben der riesigen Show auch den original Film "Talking Drums And Whispering Vinyl" sowie Brian Cross’ Video zu Midnight In A Perfect World und viele weitere Specials enthält. Mit ihrer gesamten Gewichtung und hintergründigen, liebevollen Diskussion der Geschichte des Rhythmus bewegt sich Keepintime weit über die vorliegende Summe der einzelnen Teile dieses Projektes hinaus. Und die Begeisterung nimmt noch immer keinen Abriss. So ist bereits ein weiteres Projekt in der Realisation begriffen, welches sich unter dem Namen "Brasilintime" den Latin Jazz Einflüssen widmet und ebenfalls ein viel versprechendes Aufgebot an Mitwirkenden aufzuweisen hat.
"Rhythm is a way to transmit a description of experience in an emotional and not abstract way. It is more than a metaphor. It is a physical experience as real as any other."
foto: mochilla
KeepInTime [A Live Recording]
"when we play rhythms, we are singing songs in our minds."