Arctic Monkeys [Whatever People Say I Am, That's What I'm Not]

Man nehme vier 19-jährige junge Herren aus Sheffield, die aussehen wie freche Lausbuben aus der Nachbarschaft, eine Internetseite inklusive einer großen Fangemeinschaft und viel Herz für die Musik. Et voilá, schon hat man "den Hype 2006" vor seiner Nase und in seinem Ohr.


"a young girl's telephone beebs, yeah she's dashing for the exit,
she's running for the streets outside.
"
(fake tales of san francisco)


Alex (Gitarre / Gesang), Matt (Gesang / Schlagzeug), Jamie (Gitarre), und Andy (Bass) sind noch keine zwei Jahrzehnte alt und schon Mitglieder in einer der grossen Neuentdeckungen der Musikwelt. Es scheint als würden sie aus vollem Herzen alles heraus singen, schreien und spielen, was man in sich tragen kann. Sie legen Wert auf ihre Musik und mehr nicht. Sprich: es gibt endlich einen Hype, den man gerne annimmt. Den man lauthals mitmacht, ohne Gepose und dahergeredeten Quatsch. Man kauft sich endlich wieder CDs im Laden und benutzt den Computer nur noch, um auf dem Forum der Arctic Monkeys, welches unheimlich charmant wirkt wegen seiner Unprofessionalität, Neuigkeiten zu lesen und zu verschlingen.

Nach nur wenigen Jahren und Monaten als arktische Affen bekamen sie einen Plattenvertrag bei Domino Records, die unter anderem Banden wie Franz Ferdinand, Sons and Daughters, Test Icicles oder The Kills unter Vertrag haben. Ich muss zugeben, den Hype 2004 verschlafen zu haben. Erst vor einigen Wochen sprangen mir Franz Ferdinand ins Ohr, weil ich mich in diese Hypes nicht stürzen wollte, nur weil an jeder Straßenecke geprahlt wird, dass sie die neuen Beatles und Stones in Einem wären. Doch diesmal gebe ich gut und gerne zu, mich dem jetzigen Hype anzuschließen; obwohl es ein so unschönes Wort ist.

Man stelle sich Folgendes vor: Gerade betritt man den neusten Club in der Stadt. Man munkelt es werden die besten Parties gefeiert, die schönsten Menschen gesehen und die beste Musik gespielt. Das Bier ist billig zu erwerben und die Frauen die Tollsten der Stadt. The View From The Afternoon ist das erste Lied auf dem Album "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not" und dazu eines der ohrumschmeichelnsten, rhythmisch treibensten und tanzbarsten Lieder von den folgenden 12. Jedenfalls ist alles so wie man es hörte und hoffte. Man bezahlt, bekommt einen Stempel in Form eines Affen auf die Handfläche gedrückt, schmeißt nach einigen Momenten seine Jacke in die Ecke und sieht sich erstmal um. Wo lässt es sich am besten tanzen und wo kann man erstmal den Rhythmus finden. An der Theke, auf dem Klo, an der Bühne oder mitten auf der Tanzfläche? Kaum droht das Lied damit zu enden, beginnt auch schon I Bet You Look Good On The Dancefloor, welches die erste offizielle Single der Arctic Monkeys ist. Entweder trinkt man jetzt schnell sein Bier in einem Zug leer, welches man wenige Minuten zuvor noch in die Hand gedrückt bekam, oder man verschenkt es an ein schönes Mädchen oder einen schönen Jungen, die noch immer nur am Rand stehen und vor sich hin wippen. Unverständlich.

Arme und Beine bewegen, den Kopf abschalten und den Körper sprechen lassen. Die Augen entweder schließen, alles genießen und laufen lassen oder die Augen offen halten und sich Jemanden suchen, mit dem das Getanze noch besser wird. Mit Hilfe von Liedern wie Dancing Shoes oder Still Take You Home tanzt und hüpft man sich den ganzen Stress und die angesammelte Anspannung der letzten Tage und Wochen von der Seele und vom Herzen. Tankt sich neu auf. Mit perfektem Geschredder der Gitarren und lautem, treibendem Geschepper des Schlagzeuges erlebt man eine Nacht der besonderen Art. Nachdem man schon das Kribbeln in den Fußzehen spüren kann und die Haare nass vor Schweiß sind, folgt Riot Van, welches das erste wahre und ruhig stimmende Lied auf der ganzen CD ist. Es ist wie ein Anfang einer B-Seite und eine kleine Pause vom Tanzen der Füße und des Herzens. Doch keine Chance für diejenigen, die die ersten sechs Lieder schon ihren Körper sprechen ließen.

Red Light Indicates Doors Are Secured wartet schon um die Ecke und lacht sich eins ins Fäustchen, dass es uns gleich wieder auf die Tanzfläche schickt, obwohl wir morgen früh wahrscheinlich feuerrote Fußsohlen haben werden. Es erinnert mich ein wenig an ein Lied von den Helden, aber die können da lange nicht mithalten, obwohl sie schon ein paar Jahre länger auf dieser Welt herumtapsen. Umso mehr genießt man das nächste Lied Mardy Bum, welches auch Titel einer Fanseite der Band ist. Es schmeckt nach Kindheit, riecht nach Pfützenspringen und fühlt sich an, wie eine Badewanne voll mit Lebkuchenherzen.

Bei den vorherigen und folgenden Liedern gibt es Stellen, bei denen die Musik leiser und die Instrumente weniger werden. Man meint, es wäre das Ende eines Tracks nahe, doch dann legen das Schlagzeug oder der Gesang noch einmal einen drauf und haben uns eiskalt erwischt. Es geht weiter und unsere Körper lassen sich nicht stoppen. Man könnte meinen, sie wollen uns das Lied einprägen und einflößen, damit wir es nicht vergessen und es irgendwann vielleicht man gebrauchen können. Wie ein gut gemeinter Ratschlag zum Merken.

"Who’s that girl there…", fängt When The Sun Goes Down an und gibt einem einen unglaublichen Kick. Die Bühne ist voller Menschen, voller unkontrollierter Körper und zufriedenen Gesichtern. Am Rand stehen noch immer wippende Menschen, die man am liebsten vermöbeln möchte. Entweder man tanzt mit oder lässt alles bleiben. Doch wie es der Zufall so will, sieht man ein Mädchen oder einen Jungen, die einen umhauen. Obwohl sie "nur" wippen und ihr Bier trinken, bringen sie uns beinahe aus dem Rhythmus. Ohne nachzudenken tanzt man auf sie zu, schnappt sich ihre Hand und sie lassen ihr Bier auf den Boden fallen. Es klirrt, man tanzt eng umschlungen und im nächsten Moment wieder mit zwei Meter Abstand voneinander. Das vorletzte Lied klingt an und langsam entfernt man sich mehr als nur zwei Meter von dieser Person. Dies hier ist mein Abend und der von diesem Club, das lasse ich mir von keiner augenscheinlich tollen Person nehmen. Heute Nacht teile ich meine neue Droge mit Niemandem.
Mit Getrommel und Geschepper beginnt A Certain Romance und vermischt sich in eine der besten Gitarrenmelodien, die ich kenne. Es ist vielleicht sogar eine Art "schönes Abschiedslied" von einer schönen Bande mit ihrem ersten und - wer hätte es gedacht - schönen Album. Die Füße werden ruhiger und das Lächeln auf den Lippen ist nicht mehr zu verstecken. Die letzten Töne sind noch einmal wie eine vollkommene und endgültige Befriedigung für das Ohr und das Herz, für den Verstand und für diesen Abend. Die Arctic Monkeys sind die wohl tollsten Affen, seit es den Menschen gibt. Schade, dass unsere Vorfahren schon festgelegt sind und wir sie nicht einfach durch diese besondere Affenart ersetzen können.

Zu Ende ist dieser fantastische Abend. Alles tut weh und trotzdem weiß man "alles wird gut". In jeder Hinsicht, die man sich nur vorstellen kann. Jetzt sieht man aus, wie der Herr auf der Rückseite des Covers. Den Kopf in die Hände gelegt, mit einer Zigarette in der Hand und einfach nur kaputt. Kaputt und glücklich. Und das bin ich auch.

Vorhang auf und Hände in die Luft, für die wohl besten Affen der Welt.
foto:



arctic monkeys
"whatever people say i am, that's what i'm not"
domino 2007 cd
arctic monkeys