Be Quiet Mount Heart Attack!
Auf einem philosophisch anmutendem Gerüst kreiert das jüngst nach Berlin gezogene Trio ein auf Rhythmus basierendes Konzeptalbum und klingt dabei so zugänglich wie selten zuvor.
"if you need me, i can always be found."
(the other side of mt. heart attack)

Mit "Drum’s Not Dead" haben die drei Herren ein weiteres Mal ein Konzept Album erschaffen. Nach dem Debüt "They Threw Us All In A Trench And Stuck A Monument On Top" von 2002 und der sofortigen Subsummierung in den sich langsam ausbreitenden Hype der Rock ’n’ Roll reanimierenden THE Bands durch die Presse – man gedeihte den fehlenden Artikel ihrem im Plural formulierten Namen rücksichtslos an - und dem zwei Jahre später veröffentlichten Nachfolger "They Were Wrong, So We Drowned" [sic!], welcher konzeptionell von Hexenverfolgung und Mythen aus Deutschland handelte, bewegt man sich auf dem dritten Album aus der Kakophonie heraus zur Katharsis.
liars Hinter der konstruierten Wirklichkeit der Musik steht ein dichotomes Gedankenmodell, welches an fernöstliche Philosophie angelehnt scheint. Wie Yin und Yang stehen sich die beiden fiktionalen Figuren Drum und Mt. Heart Attack als Antagonisten gegenüber, bilden jedoch mit ihren fließenden Übergängen ein Ganzes. Drum, so erklären die Liars, sei energisch und produktiv und steht für die kreative Zuversicht. Mt. Heart Attack hingegen soll den aus Drum folgenden Selbstzweifel und die Unsicherheit symbolisieren. "Worauf es letztlich hinausläuft", beschreibt Angus Andrew, "ist wie Aaron [Hemphill] und ich zusammenarbeiten. Es ist nicht so, dass einer von uns Drum ist und der andere Mt. Heart Attack ; jeder von uns trägt Elemente der beiden in sich."
Zwischen schnaubenden Noise Eskapaden und fast unwirklich coolen Stücken, wie das fast ausschließlich aus Rhythmen, Orgel und Sprechgesang getragene It Fit When I Was A Kid, hat sich mit "Drum’s Not Dead" das wohl ausgereifteste Album des Trios destilliert. The Other Side Of Mt. Heart Attack wiederum klingt so harmonisch und anrührend wie kaum ein Stück der Liars zuvor. Eine Revolution in gewissem Sinne. "Dieses Mal kam mir bei ein paar Songs plötzlich der Gedanke: darf ich mich überhaupt Musiker nennen, wenn ich noch nicht einmal am Lagerfeuer sitzen und zu einer Gitarre singen kann?", erklärt Angus Andrew die Veränderung.
Da Musik – und im Besonderen eben solche aus dem populärkulturellen Umfeld - jedoch auch immer etwas mit einem Genuss, mit welchem Adjektiv auch immer beschienen, zu tun hat, stellt sich die Frage, inwiefern man das Album auch ohne diesen theoretischen Hintergrund genießen kann. Das ist jedoch eine Überlegung, die jeder Einzelne für sich im Bezug auf den Konsum entscheiden darf.
Zu den zwölf Stücken wird man zusätzlich mit einer DVD konfrontiert, welche in drei Videos jeweils das gesamte Album visualisiert. Zweimal sind hier die Liars selbst verantwortlich und liefern Trickfilme aus Ölmalerei und Knetmasse owie Animations- und Realfilmevermischungen. Für die dritte Umsetzung konnte man den Filmemacher Markus Wambsganss gewinnen, der urbane Eindrücke auf Super 8 und 16mm Film festhält. "Im Grunde bestand 'Drum’s Not Dead' längst als visuelles Projekt, bevor es ein musikalisches wurde", erinnert sich Angus. "Wir haben uns schon lange mit diesem Thema beschäftigt und uns immer für Möglichkeiten interessiert, Musik und Film zu kombinieren."
"I get it", erklärt Dora Bianchi aus der Comic Reihe Questionable Content. "Liars are one of those bands that indie rock snobs pretend to like, because they think it’ll make them look smarter." Vielleicht.
foto: paul drake

liars
"drum's not dead"
mute 2006 cd+dvd / lp+dvd
liars