Knarf Rellöm Trinity [Move Your Ass & Your Mind Will Follow]

„Pop ist ein grundsätzlich kapitalistisches Segment, in dem sozusagen der Kapitalismus ganz selten mal (aber dann mit großer Freude) mit den eigenen Waffen geschlagen werden kann.“ Sagt Knarf Rellöm. Herzlichen Willkommen.


"wenn die musik der liebe nahrung ist, spielt weiter, gebt mir volles maß."
(lcd is playing at my house)


Okay. Knarf Rellöm. Allein der Name schon. Das ist nicht lustig. War es nie und wird es nie sein. Das sind Kindergartenspiele (und Rückwärtslesen rockt mal gar nicht, Digger!). Und die Musik? Soll das jetzt Kunst sein? Ist das Avantgarde, wenn Signor Rellöm gemeinsam mit Frau La Hengst mit in spätachtziger Gewand gekleideten Synthie Spuren und monotoner Drumcomputer Rhythmik und Handclaps nervtötend Dylans Like A Rolling Stone interpretiert? Ist das der Moment, in dem die vermeintlich falschen Menschen "Scheiße" denken, wie damals, als sie das erste Mal diese Beuys fettigen Filz gesehen haben, lernten, dass das Kunst ist, aber eigentlich gern weiter "Scheiße" denken würden? Würde Herr Rellöm, darauf angesprochen, arrogant, gleichgültig und über jedem Zweifel erhaben "Das ist Punk, Mann. Lass dir die Harre schneiden" sagen, wie damals, in diesem einen Stück, in dem er seine verschwendete Jugend in Erinnerungen subsumiert? Überhaupt dieses reichlich gesponnene Gequassel von dem Mann mit der unangenehm holen Stimme. Dieser Mix aus Plastik Beats und Hörspielanleihen und der grammatikalisch doch wenigstens bedenklicher Phrasendrescherei in so etwas ähnlichem wie englischer Sprache? Und was soll der Mist mit der Covergestaltung? Gelb mit einer dieser längst wieder uncoolen italienischen Espressokannen, die man heute im Woolworth an jeder Ecke hinterher geworfen bekommt? Klar, das ist bestimmt auch wieder verkannte Kunst, irgendwie revolutionär, weil so uninspiriert wirkend und dabei dann doch …

So mag man argumentieren und man hat recht. “Move Your Ass & Your Mind Will Follow” heißt der aktuellste Output der sich Erwartungshaltungen gänzlich verschließenden Projekte um den Fixstern Knarf Rellöm. Das macht ihn oft so sehr verschachtelt und unbequem, uneingängig und nur subtil cachy, und wird auch Grund dafür sein, dass er seit den frühen Neunzigern – damals mit Huah! – nur einem engen Kreis geläufig ist. Der Titel des Albums lasse bereits auf die "Verzahnung von Message und Dancefloor" (so der Pressetext) schließen, auf tanzbaren Agit-Prop also, was in Rellöms Kosmos dennoch schwer zugänglich sein dürfte. Kaum ein Stück lässt sich mal eben in der konservativen Grossraum-Indie-Disko spielen, ohne auf entsetzte Gesichter zu treffen. Trotz all der klugen und scharfzüngigen Bemerkungen, dem wunderbar gestellt wirkenden Wortspielen und den originellen Querverweisen bleibt das Schaffen von Rellöm seit je her doch preaching to the converted. Und das wird sich auch mit dem vierten Album und seiner Mischung aus Four To The Floor trifft PostPunk trifft Klezmer trifft Disco trifft souveränes Entertainment trifft Geschichtenerzählen nicht ändern. Lässt man sich jedoch darauf ein, eine Platte vorliegen zu haben, die sich die Waage zwischen Press Repeat und um Himmels Willen Don’t Press Repeat hält, verliert man sich auch mit dem neuen Werk zwischen Oberfläche und Grund eines intertextuellen Strudels jenseits von Raum und Zeit. Auf 45 Minuten komprimiert, bringt Rellöm mehr zeitgenössische Kulturstudien und Alltagsbeobachtungen als die Spex in den letzten fünf Jahren.

Namedropping? Bitte schön: da wird bereits im hörspielhaften Intro und in Knarf Rellöm charakteristischer Erzählweise Sun Ra zitiert, in Ausserplanetarische Opposition mal eben auf die frühen Prodigy angespielt, allein mit dem Titel LCD Is Playing At My House die Elektro-Post-Punk-No-No-No-Wave Ikonen aus dem New Yorker Hause DFA angedeutet und im Anschluss inhaltlich neben diesen Daft Punk, Hans Nieswandt, Stereo Total, Sonic Youth, Dizzy Gillespie oder den Beastie Boys Respekt gezollt, bzw. mal eben die Black Eyed Peas und Indie Rock diskreditiert. Darüber hinaus gibt es kulturelle und politische Slogans und Anton Reiser, Slim Shady und Rudi Völler werden in einem Atemzug genannt: Es gibt nur einen und die Null muss stehen (Kaufen Vor Dem Saufhaus). Und auch das lack of aesthetics beim Coverdesign erweist sich als Verweis auf den bis in die späten Achtziger populären März Verlag, der ´67 von Jörg Schröder gegründet wurde. (Bitte informieren sie sich bei Bedarf selbst darüber.)

Der Rest des Artikels - zu ihrem eigenen Interesse, liebe Leserin und lieber Leser - reine Zitatenhölle:

"Jetzt mach die Musik so laut, dass die Leute schon tanzen, ohne sich zu bewegen."
(Den Kopf Verlieren)

"In den 80ern gab es in New York eine wilde Musikszene, die sich in Abgrenzung an das selbstzufriedene New York, No New York nannte. Wir nennen unsere Musik jetzt in Abgrenzung an das selbstzufriedene Deutschland, No Deutschland."
(AKD)

"Dortmund Dortmund 80er Party. Das Beste der 70er, 80er, 90er und das Beste der Nuller."
(Kaufen Vor Dem Saufhaus)

"Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten / Wer verrät uns nie? Sexualdemokratie."
(Talkin’ Techno)

"Ich hatte Drogen genommen, amerikanische Chemie. Dann sah ich den Kopf, den Kopf meiner Mutter im Aquarium"
(Move Your Ass & Your Mind Will Follow)

"Wenn du etwas nicht verändern kannst, versuche es wenigstens zu beschreiben, sagt Rainer Werner Fassbinder und Arne Zank sagt: die Mehrheit will das nicht hören Arne."
(What’s That Music?)

"In the house there is a bee, Knarf Rellöm Trinity. Oh no, it’s not one bee, of that animal is three."
(Knarf Rellöm Trinity)

"Hey Achilles, wie kommt es, dass man an einer Verletzung der Ferse sterben kann?"
(Hey! Achilles)

"Once upon a time you dressed so fine. You threw the bums a dime in your prime, didn't you?"
(Like A Rolling Stone)
foto: zickzack



knarf rellöm trinity
"arms down"
zickzack / what's so funny about 2006 cd
knarf rellöm trinity