Ben Folds [Hamburg, 03.02.2007]

Von gemütlichen Abenden in großen Runden, Männern und Klavieren.





"didn't you know, we're as close as we can be?"
(trusted)


Ben Folds war toll, natürlich. Ich habe es kaum anders erwartet und die anderen Konzertbesucher wohl erst recht nicht. Neben mir standen einige Pärchen, die alle mit wässrigen Augen textsicher mitsingend die Bühne anhimmelten, vor mir hat sich eine art Fan-Block mit Ben Folds-Shirts, Kameras, Fotoapparaten und Handys, die sie abwechselnd als Kamera oder Fotoapparat benutzten, aufgereiht. Es schien etwas Besonderes zu passieren.

Das erste Mal, dass ich bewusst Ben Folds gehört habe, war im Auto eines Bekannten, der mir erzählte, dass er seinetwegen angefangen hätte Klavier zu spielen. Das ist eine große Sache, ich habe sie mir gemerkt. Und eine gewisse Einzigartigkeit und dieser ganze Kultstatuskram ist Folds auch schwer abzusprechen. Er hat Spaß an seiner Musik und das sieht man ihm an - vom dem Moment an, in dem er mit seiner begleitenden Band aus Bass und Schlagzeug zu Europe’s Final Countdown auf die Bühne stürmt und zu wilder Improvisation auf die Tasten seines Klaviers einschlägt bis zum Zeitpunkt, wo er sie nach mehrmaligem Schleudern des Hockers auf sein Instrument genauso Impulsiv wieder verlässt.

Man kann schwer begreifen, was Ben Folds ausmacht; kaum erklären, warum er hier nicht riesige Stadien füllt und seine Musik schwer beschrieben, wenn man jemanden trifft, der ihn nicht kennt - Ben Folds ist der übergroße Stern am Indie-Himmel.

Der Abend beginnt mit Eef Barzelay von der Band Clem Snide, den ich leider verpasse, weil er schon um kurz nach 19.00 mit seinem Auftritt fertig ist. Je größer so ein Konzert wird, desto schlechter werden ja leider oft die Vorbands behandelt, allerdings kam Ben Folds dann auch recht pünktlich auf die Bühne, danach gab es wohl auch noch Disko.

Den Anfang des Ben Folds-Sets macht oben genannte Improvisation, dicht gefolgt vom eigentlichen Opener Trusted vom letzten regulären Album "Songs For Silverman". Ich freue mich, dass er gleich zu Anfang so ein schönes Lied spielt, zudem als gutes Beispiel auch für Folds unprätentiöse, aber doch oft herausragenden Texte: "I thought you could read my mind [...] Looks like you've been reading my diary instead". In der ersten Hälfte werden eher neuere Sachen gespielt, der Pflichtteil aller Musiker, die schon mehr als drei Alben veröffentlicht haben und damit per se "früher besser waren". Ben Folds versteht es, seine Gäste zu unterhalten, erzählt von dem Keyboard, das er das erste Mal auf einer Tour dabei hat und der Angst vor dem "braunen Ton" (ist das eigentlich eine bekannte Bezeichnung, oder kommt das so nur in South Park vor? Ich werde darauf hier nicht weiter eingehen). Er macht sich über elektronische Musik lustig und nennt gleichzeitig die goldene Ausnahme des Genres mit einer gewagten Interpretation von Postal Service’s Such Great Heights; hier sind die Meinungen aber geteilter Ansicht, ich war begeistert, ein Postal Service-Fan vertraute mir anschließend an, dass er das Original um Längen besser fände.

Natürlich müssen in der zweiten Hälfte noch die zwei obligatorischen Stücke vorkommen: Die Coverversion von Dr. Dre’s Bitches Ain’t Shit ist wohl mittlerweile um Einiges bekannter als das Original und auf englisch schon so vollkommen der Lächerlichkeit preisgegeben, dass es der deutschen Übersetzung durch Ben Folds am Ende kaum mehr bedurft hätte.

Das zweite Lied, das auch vor allem live ein Erlebnis ist, ist natürlich Not The Same, bei dem in dreistimmiger Publikumseinbeziehung deutlich wird, dass es doch möglich ist, auch in großer Runde zusammen zu singen und nicht nur stumpfsinnig Fußballchorartig nachzugrölen: Ein Lied als eine Aufzählung von Dingen, die einem im Leben passieren und es grundlegend verändern können, "until someone died on the waterslide and you were not the same after that". Ben Folds hat es drauf - ich weiß das, ihr wisst das. Ich bin froh, dass mir mein erstes Konzert von ihm so viel Spaß gemacht hat, das nächste Mal werde ich wieder hingehen. Und dann bin ich auch eins von den Pärchen, vielleicht habe ich bis dahin auch ein Fotohandy.
text: Julius Kowarz
foto: martina drignat


ben folds