Get Well Soon

Was soll man Konstantin Gropper eigentlich noch fragen? Seit er als Get Well Soon im Januar sein Debütwerk veröffentlichte, überschlägt sich nicht nur die Musikpresse. Ein Konzert reiht sich an das nächste, und die Fragen sind auch alle zahlreich gestellt worden. Aber jetzt, fast ein Dreivierteljahr nach der ersten Euphorie, ist vielleicht Zeit, um zu sehen was bisher war, was ist und was werden wird. Und genau danach zu fragen…


"to the beat of my automatic heart you sing a song of life."
(tick tack goes my automatic heart)


Das erste Mal hörte ich Get Well Soon auf einem Konzert im April. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, denn ich kannte die Musik vorher nicht. Und dann kam nach dem Prelude das zweite Stück You/Aurora/You/Seaside. Die Trompeten setzten ein, der Rhythmus, die Stimme und plötzlich war es wie abgeholt werden. Es hat mich völlig getroffen. Das war wie in der Musik baden und sich da gut aufgehoben fühlen. Sich reinfallen lassen und erst danach wieder auftauchen. Wow.

Das ist für mich die Musik von Get Well Soon. Nach wie vor. Ein größeres Kompliment kann ich nicht machen. Etwas objektiver könnte man sie als sehr vielschichtig, orchestral, unerwartet, melancholisch-schön, tief, opulent-melodiös bezeichnen. Dazu Texte, die in ihrer Essenz hoffnungsvoll sein sollen. You will get well soon. Auch wenn es nicht immer danach aussieht.

Ich traf Konstantin Gropper Anfang Oktober im Berliner Postbahnhof, wo abends, im Rahmen der Popkomm, der "City Slang and Wichita play Popkomm" Abend stattfand, auf dem neben Get Well Soon unter anderem noch Los Campesinos!, O’Death und Port O’Brien spielten. Es war mittags, es wurde auf den verspäteten Soundcheck gewartet und der Auftritt war noch fast zwölf Stunden entfernt.

Konstantin, wie geht es dir heute?
"Ganz gut. Ich hatte jetzt auch zwei Tage frei, wo ich zuhause war. Nach zehn Tagen im Bus ist das immer sehr entspannt. Bin jetzt sozusagen etwas erholt."

Als deine Platte 'rest now, weary head! you will get well soon' im Januar rauskam, wurde deine Musik als international kompatibel bezeichnet. Jetzt seid ihr in Europa unterwegs und mich würde interessieren, ob deine Musik in den unterschiedlichen Ländern auch unterschiedlich ankommt. Ob man zum Beispiel bei Konzerten Unterschiede merkt.
"Also ankommen, würde ich sagen, tut sie überall ungefähr gleich. Wir haben nach der Veröffentlichung ja erst in Deutschland gespielt und da war ich schon immer sehr überrascht und ich find’s sehr gut, dass die Leute extrem aufmerksam sind. Ich kann mir das auch selbst gar nicht erklären. Sie sind sehr, sehr ruhig und hören zu und das ist wirklich auch überall so. Naja, es kommen unterschiedlich viele Leute, das ist halt auch so, aber eigentlich ist die Reaktion überall ähnlich."

Ihr habt ja wirklich eine große Anzahl Konzerte gespielt dieses Jahr. Gab es ein Konzert, das dir auffallend gut in Erinnerung geblieben ist? Und auch eines vor dem du richtig Angst hattest?
"Naja, also Angst nicht. Also am aufregendsten war wahrscheinlich schon so der größte Auftritt dieses Jahr beim Melt! Festival. Das war aufregend. Eigentlich auch der Auftritt selber, weil man da halt auch durchgepfercht wird wie so Schlachtvieh."

War das auch das schönste Konzert oder nur das aufregendste?
"Das war das aufregendste, das schönste war’s nicht. Das war eher extrem anstrengend. Weil eben auch der Sound ganz schwierig war. Das schönste… weiß ich gar nicht. Ich fand glaub ich auf der Tour… Heidelberg. Weil das vorher so mein Hausclub war, wo ich halt immer hingegangen bin. Das war ein schöner Abend. Da war ich auch extrem aufgeregt."

Wie geht es deinen sechs Musikern? Die wussten ja am Anfang des Jahres vermutlich nicht, dass sie das ganze Jahr komplett durchspielen müssen bzw. dürfen. Und es sind auch nicht alles Profimusiker. Sind sie noch munter dabei?
"Ja, aber sie spielen auch in wechselnder Besetzung. Es gibt mittlerweile, glaub ich, fast für jeden zwei oder sogar drei Besetzungen. Einfach aus dem Grund, weil die eben auch noch was anderes machen. Ich bin eigentlich mehr oder weniger der einzige, der sonst nichts macht. Also get well soon halt. Die haben dann nicht immer Zeit. Aber sie versuchen sich auf jeden Fall immer Zeit zu nehmen. Wir hatten Mitte des letzten Jahres die Diskussion, ja so in dem Rahmen, wenn’s so und so oft ist, können wir schon spielen, aber wenn es dann so richtig losgeht, dann wird das nichts. Aber irgendwie hat es trotzdem geklappt. "

Was fehlt dir am meisten wenn du jetzt so viel unterwegs bist und auch gar nicht zwischendurch nach Hause kommen kannst?
"Mh. Was fehlt mir am meisten. Meine Freundin? Ansonsten brauch ich schon auch genügend Zeit für mich. Ich bin auch gern mal allein, was auf Tour eher schwierig bis unmöglich ist. Man ist halt wirklich 24 Stunden zusammen. In dem Fall jetzt mit neun Leuten, das ist der Regelfall grad. Die ich alle sehr gern mag, es gab auch überhaupt nie Streit oder so was. Aber trotzdem brauch ich auch Zeiten, wo ich mal allein sein kann. Das ist auf Tour schon anstrengend. Aber das geht allen so. Die Rückzugsmöglichkeit ist manchmal nur der Vorhang, den Du vor Deiner Schlafkoje hast."

Ich frage mich ja, ob ihr nicht auch wahnsinnig angeschmachtet werdet, weil ihr auf der Bühne eine sehr schön anzusehende Band seid. Oder lässt man dich da in Ruhe?
"Also mich ja. Ich hab da kaum Erfahrungen mit. Aber wir sprechen auch glaub ich...also ich hab immer den Eindruck, wir haben ein musikliebendes Publikum. Ich glaub, denen geht’s weniger um die Personen als um die Musik. Es ist auch, find ich immer, ein verhältnismäßig altes Publikum. Das sind einfach eher Leute, denen es um die Musik geht, denk ich mir."

Nach Weihnachten willst du ja dein zweites Album in Angriff nehmen und dann auch erstmal eine Konzertpause einlegen.
"Ich hoffs, ja. Ich brauch dann irgendwann auch mal Pause. Auf jeden Fall erst mal mindestens drei Monate, vor allem auch in Deutschland. Vielleicht wenn noch was Gutes im Ausland ist. Aber eigentlich ist nichts geplant."

Wie ist das bei dir? Dein erstes Album hat sich ja in der Entstehung über längere Zeit hingezogen. Hast du jetzt schon die Lieder im Kopf, die du dann gerne aufnehmen würdest oder gibt es sogar schon fertige Lieder?
"Ich hab schon viele Lieder, aber ich weiß gar nicht, ob ich die da drauf haben will. Ich will nicht wieder über einen längeren Zeitraum Lieder ansammeln und die dann zusammenstellen, sondern wirklich einen konzentrierten Zeitraum haben, in dem ich das schreibe und das dann zusammenhängend mache. Das wär mein Plan. Dann kann es natürlich sein, dass mir dann nichts einfällt, dann muss ich doch die, die ich jetzt schon hab, nehmen. (schmunzelt)"

Wie ist das musikalisch? Ich kann mir vorstellen, dass du auch ganz andere Sachen machen könntest. Bisher ist deine Musik ja sehr vielfältig instrumentiert und…gefüllt.
"Ja, das ist wahr. Eigentlich ist das nicht unbedingt immer so gewollt, das passiert mir immer. Aber ich versuch natürlich schon was anderes zu machen, ich will mich da ja auch nicht wiederholen. Verschiedene Instrumente ist bestimmt auch nach wie vor wichtig. Ich versuch mich da vielleicht auch noch zu verbreitern. Aber wie gesagt, so richtig drüber nachgedacht, also ich versuche nicht drüber nachzudenken, sagen wir mal so. Weil ich es ja dann tun will, wenn ich das Album mache."

Die erste Platte hast du in Heimarbeit alleine am Computer "getippt" und auch die Instrumente später dort eingespielt. Kannst du dir noch vorstellen ohne Computer zu komponieren und willst du diesmal in einem Studio aufnehmen?
"Ich hab mir schon überlegt, das an einem anderen besonderen Ort aufzunehmen. Aber ich weiß es noch nicht. Wahrscheinlich so die Schreibarbeit wird schon nach wie vor wieder Zuhause sein und auch am Computer, einfach weil sich die Arbeitsweise für mich jetzt bewährt hat, weil es so meine Arbeitsweise ist. Und weil das Schreiben halt immer schon auch relativ weit geht, was Sachen wie Arrangement und Instrumentierung angeht und was ich dann am Computer alleine machen muss. Das heißt die Zeit nur so mit Gitarre bleibt sehr kurz eigentlich. Das geht dann relativ schnell schon in Richtung dem Klang, den es dann am Schluss auch haben soll. Das wird auch so bleiben. Ursprünglich bei der ersten Platte war ja auch schon der Plan, dass ich das erst mal für mich mache und dann vielleicht noch mit einer Band ins Studio gehe und die das dann sozusagen nachspielt. Dazu ist es dann nicht gekommen. Aber vielleicht mach ich das dieses Mal so. Das hatte ich auf jeden Fall vor. Das Ding ist, was den Sound angeht, will ich mich auch nicht unbedingt, was die Platte angeht, auf diese Besetzung der Band festlegen."

Wie sieht es mit Filmmusik aus? Im November läuft der neue Wim Wenders Film "Palermo Shooting" an, zu dem du zwei Stück beigesteuert hast. Du spielst aber nicht mit, oder?
"In dem Film? Neinnein. Der Film war ja dann auch schon relativ fertig, als die Musik dazu kam. Ich hab ihn auch noch gar nicht gesehen, den Film. Ich war jetzt auch nicht da bei der Pressevorführung. Ich hab nur einzelne Szenen bekommen zu denen ich dann was machen sollte, aber die sind sehr kurz und waren auch nicht so besonders aussagekräftig für den Film. Dann hab ich noch für einen Dokumentarfilm komplett die Musik gemacht. ('Der Entsorgte Vater' von Douglas Wolfsperger). Der wird auch nächstes Jahr irgendwann im Kino anlaufen. Und dann noch zum Teil für einen österreichischen. ('Contact High' von Michael Glawogger) Die haben einen Song verwendet und noch ein paar kleinere Stücke. Der wird glaub ich im Frühjahr anlaufen.

Hast Du schon mal einen Kinofilm gesehen, bei dem du gedacht hast, dass du dazu gerne die Filmmusik geschrieben hättest?
"Nein, das ist eher so, dass für mich Musik schon sehr wichtig ist in einem Film. Ich glaub wenn ich einen Film von der Stimmung her gut finde, dann muss die Musik auch schon gut sein. Dann denk ich nicht drüber nach, ob ich das gekonnt hätte."

Welche Filmmusik findest du besonders gelungen?
"Naja, also Kubrick hat ja meistens immer Originalmusik verwendet und die Art wie er mit Musik eben umgeht, fand ich immer sehr sehr spannend, vor allem weil er das auch sehr stark dramatisch macht. Oder musikalisch perfekt fand ich auch 'Punch-Drunk Love' von Paul Thomas Anderson. Da hat Jon Brion die Musik gemacht und die Musik war sozusagen Teil der Handlung. Sie war ständig so präsent, dass es dem Zuschauer das Gefühl vermittelt hat, das eigentlich der Hauptdarsteller ständig hat."

Was hörst du privat grad am liebsten? Hörst du überhaupt Musik wenn du unterwegs bist oder brauchst du Ruhe, wenn du selber Musik machst?
"Nee, ich hör viel Musik. Auch gerade auf der England Tour hab ich viele Platten gekauft, weil die da immer billiger sind. Also in letzter Zeit hab ich viel Beach Boys gehört. Und Bon Iver. Sind meine Entdeckung des Jahres. Kann ich sehr empfehlen."

Du hast eine gute Coverversion von Underworlds "Born Slippy" gemacht. Welche Coverversionen von anderen Künstlern findest du besonders gelungen?
"Mh….also das ist eher so dieses eine Beispiel, wo tatsächlich und bekannterweise die Coverversion besser ist als das Original: 'Hallelujah' von Jeff Buckley. Obwohl ich Jeff Buckley überhaupt nicht mag und dafür riesen Cohen Fan bin."

Leonhard Cohen, den du auch als einen deiner musikalischen Einflüsse benzeichnest, ist ja grad nach langer Abstinenz wieder in Europa unterwegs. Zeitgleich mit euch.
"Ja, ich hab’s ja leider verpasst, als er hier war, weil ich da unterwegs war. Ich wäre sehr gerne hingegangen."

Noch mal zurück zu euren Auftritten. Eure Bühnenkleidung ist anders als das, was ihr privat tragt. Ist dir das wichtig als Abgrenzung?
"Ja, also Abgrenzung einerseits schon. Andererseits kann man sich ja schon Gedanken dazu machen wie man… (schmunzelt) Also wenn man sich schon auf eine Bühne stellt, dann kann man sich auch überlegen wie. Und ich glaub das hilft auch irgendwie, wenn man sich umzieht. Dann kommt man besser rein. Als wenn man seine Arbeitsklamotten anzieht. Das ist genauso. Es ist auch tatsächlich so, die Sachen, die ich live anhabe, zieh ich privat nicht an."

In deinen bisherigen Videos orientierst du dich optisch an der Vergangenheit und du hast mal gesagt, dass du die Zeit um 1900 spannend findest. Was genau fasziniert dich an zurückliegenden Zeiten?
"Naja, ich würde nicht sagen, dass ich grundsätzlich von zurückliegenden Zeiten fasziniert bin oder sie faszinierender finde als die Gegenwart. Aber ich fand um 1900 war es vor allem was die Kunst angeht sehr spannend, weil die Kunst da einfach einen großen Sprung gemacht hat. Hin zur abstrakten Kunst und in der Musik zur atonalen Kunst. Das war halt einfach eine Zeit, wo Künstler mehr oder weniger gleichzeitig das Bedürfnis hatten, wirklich etwas Neues zu schaffen. Nicht wie die Romantik, die eher noch wieder die mittelalterlichen Bilder genommen hat und die Renaissance die antiken Bilder. Und wo wir uns selber ja auch jetzt wieder in diesen immer kürzer werdenden Retrozirkeln und -situationen befinden. Da fand ich halt an dieser Zeit diesen unbedingten Fortschritt, diese Avantgarde-Idee einfach spannend."

In dem Zusammenhang würde mich interessieren, wie du zu Traditionen stehst. Nicht nur in Bezug auf Kunst, sondern auch gesellschaftliche Traditionen und da du auf dem Land aufgewachsen bist, ländliche.
"Also ich bin kein traditioneller Mensch, aber ich find Traditionen irgendwie auch faszinierend, glaub ich. Gerade auch auf dem Land find ich sie dann immer eher amüsant. Also was so gesellschaftliche Traditionen angeht, davon halte ich eigentlich nicht so wahnsinnig viel. Ich weiß nicht, man kann ja auch sagen man steht 'in der Tradition von irgendwas'."

In welcher stehst dann du?
"Das weiß ich nicht, aber ich mein, es gibt ja immerhin die Binsen-Weisheit, die da sagt: man muss ja erstmal die Regeln kennen, um sie zu brechen. Also wenn man sozusagen in überhaupt einer Tradition steht, dann heißt es, dass man irgendwie weiß, was vorher da war und in welchem Zeit-Raum-Moment man sich selbst befindet. Das gilt vor allem in der Kunst, aber auch generell für die Gesellschaft. In der Kunst oder Gesellschaft find ich es auf jeden Fall wichtig um das Jetzt zu kennen, muss man auch die Traditionen kennen. Denk ich. Ob die immer gut sind, weiß ich nicht, wahrscheinlich nicht, aber kennen sollte man sie wahrscheinlich."

Zum Abschluss habe ich noch einige Entweder-Oder-Fragen. Sekt oder Selters heißt das, wie ich gestern gelernt habe. Deshalb fang ich damit auch an:
Sekt oder Selters?
"Selter, Sekt mag ich nicht."

Morgens oder abends?
"Morgens, zumindest was die Arbeit angeht. Früher anfangen, früher aufhören. Das liegt glaub ich an meinem Biorhythmus. Nach 18h krieg ich nichts hin."
Karibik oder Alaska?
"Alaska. Sonne vertrag ich nicht. Gar nicht."
Entscheiden oder noch ne Nacht drüber schlafen?
"Noch ne Nacht drüber schlafen. Ich bin sehr entscheidungsunfreudig."
Hier oder woanders?
"Eigentlich egal. Hier. Ich leg da nicht so viel wert drauf, wo ich bin."
Bunt oder schwarz/weiß?
"Bunt."
Geben oder Nehmen?
"Geben."
Strandkorb oder Berghütte?
"Berghütte, wegen der Sonne."
Schokolade oder Weingummi?
"Gar nichts Süßes."
Reden oder Schweigen?
"Schweigen."
Beatles oder der alte Mann?
"Beatles."
Scooter oder DJ Bobo?
"Scooter, geht gut ab."



foto: uta bohls



get well soon