Trouble Books [The United Colors Of Trouble Books]

Der französische Schriftsteller Jean de la Bruyère lehnt zwar die Beurteilung eines Menschen und dessen Charakters mittels des ersten Eindrucks ab, schlägt diese Methode jedoch als adäquat für Kunstwerke vor. Einen solch unreflektierten, rohen und direkten Blick möchte ich auf das vorliegende Album wagen und eine Besprechung zum simultanen Kommentar werden lassen.


"i let those men send you up into space, the only place colder than the motherland."
(strelka)


Das knistern einer Wunderkerze und das knirschen von frischem Schnee unter den Füßen eröffnen das Album, bevor verschiedene Holzbläser einsetzen und von einem so rhythmischen wie spärlichem Schlagzeug begleitet werden. Eine ruhige, entspannte, warme Atmosphäre entwickelt sich, während sich langsam Glockenspiel und elektronische Störgeräusche einfinden. Dann kommt der Moment, der eine gute Eröffnung manchmal zu Nichte macht: Das Einsätzen der Stimme. In diesem Fall sind es sogar zwei, ein Herr - Keith Freund - und eine im Hintergrund akzentuierende Dame - Linda Lejowski - die ein wenig an Architectures of Helsinki minus das verrückt euphorische Moment erinnern und ganz hervorragend die Stimmung aufgreifen.

Alles ergießt sich in einen akustischen Fluss von mäanderndem Rauschen ohne dass ich bemerke, mich längst im zweiten Stück zu befinden. Als von „smoke alarms and cheap electronics“ die Rede ist – und man diese vielleicht sogar im Hintergrund hört – unternimmt eine akustische Gitarre den don-quijote'schen Versuch das gewaltige Wabern zu strukturieren, versiegt jedoch wieder, bis das Klirren von nach Glas klingender Stabspiele ertönt und letztlich das ungreifbare Wabern versiegt.

Night Of The Pelican Street Sweaper ist schließlich auch das erste Stück, welches sich einer erkennbaren Songstruktur zu bedienen scheint, sich aber gleichzeitig wundersam an das bisherige Gesamtbild anschmiegt. Die beiden Stimmen begleiten mich weiter durch ein seltsam verrücktes (in beiderlei Sinne) akustisches, labyrinthartiges Arrangement: trotz der verschiedensten Abzweigungen und vermeintlichen Umwege befinde ich mich ganz deutlich noch immer auf dem selben Boden. Das Wabern, das Pluckern, das Rauschen, nichts dieser beruhigenden und herrlich unaufgeregten Klänge verschwindet jemals ganz. Auch wenn jeder neue Song aus der Ruhe heraus entsteht, weiß ich mich doch sofort irgendwie zu Hause. Irgendwo in diesem mit kindlichen Strichen und Wasserfarben gemalten Haus auf dem Cover.

Shaky Science, das vierte Stück macht hier keine Ausnahme, auch wenn sich jetzt herzerweichende Bläser in das Ensemble einreihen und die wohlige Stimmung nur noch mehr unterstreichen. Wie phantasievolle Intermezzi unterbrechen verschiedene Instrumente, Gesangslinien, Pausen oder Störgeräusche – wie jetzt gerade ein bedrohliches, wie ein Orkan am Horizont aufkommendes Brausen, das im letzten Moment doch ohne etwas zu verwüsten an mir vorüber zieht – eben dieses Grundwabern, dass mich vom ersten Moment an begleitet hat.

So assoziativ wie die Musik und meine unbeholfenen Versuche diese simultan in Schrift zu übersetzen, sind auch die Geschichten die Trouble Books erzählen: „We are like submarines underneath the ice and even if we had the teeth of narwhales we'd be fucked“, heißt es in On And On Submerged Ark, und kurz darauf ertönen völlig harmonisch Laute, die an 60er Jahre B-Movie Laserpistolen erinnern, ohne irgendwie zu stören. Ein bewundernswertes Gespür für das Unerwartete. Dieses ganze Zusammenspiel von scheinbar Unvereinbarem tritt immer mehr als prominentestes Merkmal hervor. Ähnlich der Moldy Peaches Duette tritt auch hier der Gesang seltsam versetzt, liebevoll unausgereift und stets knapp verfehlt nebeneinander; immer singen Freund und Lejowski zwar gemeinsam, aber nie zusammen.

For All Our Dead Freinds verstört – obwohl so unerwartet im Konzept erscheint es gar nicht – über Minuten hinweg mit einer stark verzerrten, basslastigen Rückkopplung. Vielleicht sollte man das metaphorisch betrachten. Mit beliebig angeschlagenen, scheppernden Becken wird die Musik scheinbar – um im Bilde zu bleiben – wiederbelebt: „If we push back the sad any longer, the drummer will be too drunk to play“. Zu einer minimalistischen Basslinie und der Wärme einer Slide Guitar gesellt sich die quirlige Stimme einer singenden Säge sowie eine melancholische Streicherharmonie. Das passt so wundervoll zusammen, dass das abrupte Ende des Stückes beinahe traurig stimmt.

Mit Schritten auf einem Kiesweg und den pulsierend angeschlagenen und elektronisch manipulierten Tönen eines Glockenspiels eröffnet Abandoned Greenhouse und empfängt mich dann mit den weit geöffneten Armen eindrucksvoll optimistischer Bläser, die sich als wesentlich trauriger Erweisen als sie anfangs schienen. Es ist nur ein kurzes Gastspiel und die immer hektischer werdenden Schritte erzeugen ein Bild von Ungewissheit und Unbehagen.

Ähnlich ungewiss einlässt mich "The Unided Colors Of Trouble Books" kurz darauf, auch wenn die letzten Zeilen merkwürdig hoffnungsvoll klingen: „I can't explain why, but it feels like heaven to me. I can't explain why, but I wake up happy.“ Vielleicht ist es genau das, was über das unkonkrete Wabern und die Vielzahl der eingesetzten Elemente transportiert wurde und am Ende zurückbleibt: das Unerklärliche in seiner dramaturgischen Dichte. Aber eben nicht im verstörenden, beängstigenden Sinne, sondern ganz im Gegenteil: „I can't explain why, but I wake up happy.“ Schön gesagt.
foto: bergen


trouble books
"the united colors of trouble books"
own records, 2009 cd
trouble books