600 Wörter [Popliteraten und ihr Sport]

Wie sportlich ist der Schriftsteller?






Vor kurzem habe ich in meinem Blog einen kleinen Eintrag geschrieben unter dem Titel "Wie sportlich ist der Schriftsteller". Darin ging es um die Notwendigkeit der sportlichen Ertüchtigung als Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten im Anbetracht dieses Berufes, der nahezu nur im Sitzen ausgeübt wird, die von den AutorInnen nie diskutiert wird.

Einzig Ausnahmen wie John Irving mit seiner Vergangenheit als Ringer, die er in seinen Büchern immer wieder gerne literarisch verwertet (mittlerweile wissen wir es, John), bestätigen die Regel. Noch einer mit einem Faible für Sport, der mir gerade einfiel, war Friedrich Torberg, der bekanntlich Wasserball spielte und das angeblich gar nicht mal so schlecht. Ein Leser hat darauf hin in einem Kommentar den Gedanken angeregt, ein Buch mit dem Titel "Schriftsteller und ihr Sport" herauszugeben. Sollte sich ein Verleger nun inspiriert fühlen: Die Idee verbuche ich für mich, als Bezahlung bitte ich um nichts weiter als ein Freiexemplar.

In dem Moment, in dem ich mir dieses Buch vorstellte, kam mir der Gedanken, ganz in der Tradition der Schubladisierung, ob in den verschiedenen Sparten der Literatur den Schriftstellern eindeutige Vorlieben zuordenbar wären. Wie zum Beispiel: LyrikerInnen bevorzugen Meditatives wie TaiChi, Bestsellerautoren der Belletristiklisten treffen sich beim Golf und Tennis, die Esoteriker lieben Capoeira und Zen-Bogenschießen.

Schreibende sind gerne aufgefordert mir zum Zweck der Verifizierung dieser Theorien statistisches Material zu senden und zwar in der Form: Alter / Literatursparte / Ausgeübte Sportarten / Breiten- oder Leistungssport. Ergebnisse veröffentliche ich gerne in Zahlen in meinem Blog.

Bei allen diesen Überlegungen machte ich mir Gedanken darüber, was die entsprechende Sportart für einen Popliteraten wäre. Der Popliterat als Gattung gesehen ist mir noch nie von Angesicht zu Angesicht begegnet, er manifestiert sich in meiner Umgebung lediglich als temporäre Erscheinungsform bei Jungliteraten, die sich von zwölf bis (manchmal über) fünfundzwanzig Jahren darin gefallen, zum Ausdruck ihres - und der ihrer Hauptfiguren - Charakters Liedtexte zu zitieren. Auch mir wurde einmal „Popschreibe“ unterstellt, was sich aber nicht mehr wiederholte, nachdem in meinen Texten fast nie wieder Musik vor kam.

Die auf diesem Gebiet Unbewanderten werden jetzt sagen: Man muss doch nicht Popmusik zitieren, man kann doch auch auf weniger bekannte Liedtexte oder auf die alternativer Musikrichtungen zurück greifen. Ja. Man kann. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass sich der Leser nicht gerne dumm vorkommt. Erwähnt man nun oft etwas, was der Leser nicht kennt, mutiert er im Bezug zum Text zum Außenseiter, der nichts mehr versteht, auch auf der Gefühlsebene – da die Liedtexte auch verwendet werden um Stimmungen zu transportieren.

Popmusik ist aber genau das, was im Wort steckt: Populär. Also meistens dem Leser bekannt, auch wenn es nicht seine Lieblingsmusik sein muss. Aber ich schweife etwas vom Thema ab.

Am Ende meines Gedankenganges stand, dass ein Popliterat und sein weibliches Pendant mit aller Wahrscheinlichkeit exzessiv dem Discotanz frönen und darum keinen Sport treiben. Warum? Aus reiner Zweckmäßigkeit. Immerhin muss man am Puls der Masse bleiben, die neuesten Beats kennen, die Stimmung im Club zur Musik abchecken, den Puls der tanzenden Menge aufnehmen und die schweißige Tanzbodenluft einsaugen wie ein Schwamm.

Vielleicht haben einige der Kollegen der Sparte Popliteratur dazu auch schon einen Dancemove erfunden: Den „Notetaker“. Mit schwungvoller Geste wird aus der Gesäßtasche ein Notizbuch hervor geholt, in das mit ausholenden Bewegungen Namen der Band, Songtitel und Stimmung notiert werden. Dabei immer weiter rhythmisch mit den Hüften wackeln. Fortgeschrittene können am Ende eine kleine Drehung einbauen, bei der das Notizbüchlein unauffällig verstaut wird.

Somit kann von einer rein im Sitzen zu erledigenden Arbeit keine Rede mehr sein und die angesprochenen Kollegen sind von sportlichen Ertüchtigungsmaßnahmen weitgehend befreit. Als Attest gelten Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien.
Text: Cornelia Travnicek. Hier findet sich Frau Travniceks Blog.
illustration: j.e. støresund