Würde ein künstliches Wesen von Menschenhand erschaffen, das tatsächlich zu denken fähig wäre, was würde es über sich selbst denken? Vielleicht ist dies der Grundgedanke, der hinter dem mignolaesken Comic-Debüt Robot 13 steckt. Und zu beeindrucken weiß!
(ein matrose)
Hinter "Robot 13" stecken Autor Thomas Hall und Zeichner Daniel Bradford, die sich 2003 dadurch kennen lernten, dass sie Fan der Arbeit des jeweils anderen waren und nun miteinander kooperieren wollten. Beide gründeten den unabhängigen Comic Verlag Blacklist Studios, um auch im Angesicht der finanziellen Nöte größerer Verlage ihre Arbeiten veröffentlichen zu können. Dank der modernen Telekommunikationstechniken bereitet auch die Tatsache, dass die beiden an den jeweils entgegengesetzten Küsten der USA leben, der Zusammenarbeit keine größeren Probleme. „With technology, we can work very smoothly together in this way“, erklärt Thomas Hall, obwohl beide es genießen zusammen auf Comic Conventions zu fahren, um dort gemeinsam ihre Arbeiten vorzustellen; wie eben kürzlich im New Yorker MoCCA.
Während Bradfords beeindruckende Arbeiten fraglos von Mike Mignolas kantigen Zeichnungen, ikonischen Schlagschatten und holzschnittartigen Konturen inspiriert sind, vereint Hall in seinen Erzählungen so unterschiedliche Einflüsse wie Mary Shelleys Frankenstein, den innovativen Erzählstil von Comicautoren wie Grant Morrison und Neil Gaiman, sowie Strukturelemente Homers griechischer Mythen. In der Tat partizipiert der metallene Protagonist an der traurigen Schwermut von Frankensteins Monster, ist er doch selbst ein künstliches Wesen, dem Leben eingehaucht wurde. Und auf Homers Odyssee bezieht sich Hall sogar explizit, wenn er die ersten drei Ausgaben von "Robot 13" anspricht, welche als Mini Serie eine abgeschlossene Handlung umspannen werden: „Die Odyssee ist eine epische Erzählung, aber sie ist auch eine Geschichtensammlung kürzerer Episoden. Von jedem Schauplatz an den Odysseus getrieben wird, berichtet Homer als eigenständige Geschichte mit einer eigenen Exposition, einer Verwicklung und einer Auflösung.“ Ähnlich dieses Ansatzes wollen die beiden auch mit ihrem Helden und dessen Geschichte umgehen; Jede Miniserie soll für sich verständlich und abgeschlossen sein, doch wird man im Laufe der Zeit ein immer größeres Bild der geschaffenen Welt bekommen; auch dies erinnert nicht von ungefähr and Großmeister Mignola. Zumindest hoffen beide, dass das Interesse an ihrer Serie groß genug ist, um all die Geschichten zu erzählen, die darauf warten erzählt zu werden. Schließlich schwebt den beiden der Rahmen der großen, umfassenden Heldenreise bereits vor. Bradfords außergewöhnliches Talent für athomspärische Darstellungen mit liebevollen Details und beeindruckenden Hintergrundcollagen komplimentiert Halls Erzählungen dabei fantastisch.
Interessanter Weise ist nach Halls Ansicht die Welt von "Robot 13" in ihren wesentlichen, phantastischen Zügen der unseren gar nicht so unähnlich. Der Riesenkrake zum Beispiel, der wie einer Ray Harryhausen nachempfundenen Kreatur in der ersten Ausgabe eine beängstigende Rolle spielt, sei ein Wesen aus den Mythen und Geschichten, die sich Menschen seit ewigen Zeiten überall auf der Welt erzählen, um das Unerklärliche verständlich zu machen. „Menschen haben vor langer Zeit wirklich an diesen Kraken geglaubt, obwohl sie ihn niemals gesehen haben. Wir haben hingegen aufgehört daran zu glauben, weil wir ihn niemals gesehen haben. Auf eine bestimmte Weise sind dies zwei Perspektiven der selben Welt. Und mit 'Robot 13' versuchen wir eine dritte Sichtweise zu erfassen. Der größte Unterschied zwischen unserer 'echten' Welt und der in den Büchern ist, dass das Unerwartete dort tagtäglich geschieht.“
Etwas solch Unerwartetes ist eben auch jener seltsame Fang auf besagtem Fischerboot. Bradford und Hall wollten einen sympathischen Charakter erschaffen, von dem der Leser von Beginn an mehr erfahren möchte. Und mehr erfahren möchte man in der Tat, denn die Figur ist so unkonventionell, dass man immer wieder erstaunt ist. Gerade sein erster Auftritt ist mehr als sehenswert und macht deutlich, dass die beiden mit Klischees zu spielen wissen, diese jedoch auch jederzeit überwinden können. So erinnern die ersten Worte des steampunkesquen Roboters nach dem Kampf mit bereits erwähntem Riesenkraken weitaus mehr an einen englischen Gentleman des 19. Jahrhunderts als an einen tumben Blechhaufen. Mehr belesener C-3PO als kraftstotzender T-800. Um der beinahe unzerstörbaren und mit bloßen Händen gegen mythologische Monster ringenden Figur dennoch mehr charakterliche Tiefe zu verleihen, versahen ihn die beiden Macher mit einer Schwäche: er weiß weder wer noch was er ist, womit er eine enge Verbindung mit dem Leser eingeht, der sozusagen gemeinsam mit dem Roboter nach und nach mittels Rückblenden mehr über dessen eigene Geschichte lernt. „Unser Roboter ist in dieser Hinsicht programmatisch für das menschliche Bedürfnis Antworten auf die Frage nach der eigenen Existenz zu erhalten.“
Selten kam die Debüt-Ausgabe einer neuen Comic Reihe so beeindruckend und vielversprechend daher. Ich kann mich der Empfehlung des amerikanischen Eat.Sleep.Geek nur anschließen: "You need 'Robot 13' in your hands, and the guy you buy your comics from needs it in his (or her) store". Und in Deutschland scheint noch kein Verlag auf die beiden aufmerksam geworden zu sein. Dies ist als über deutlicher Wink mit der Harpune zu betrachten!
zeichnung: daniel bradford
"robot 13"
blacklist studios 2009
thomas hall
daniel bradford
MoCCA
Thomas Hall, Daniel Bradford [Robot 13]
"what is it cap? could be a diver, yeah?"
Ein ruppiger Kapitän, dessen weißes Haar im Wind weht, steht an Bord eines Fischkutters und richtet einen ernsten Blick auf seine Crew. Kurz zuvor machte ihn einer seiner Matrosen auf einen mehr als ungewöhnlichen Fang aufmerksam. Kapitän und Crew scheinen sich in einer Welt zu befinden, in welcher man es sich nur in zwielichtigen Tavernen und bloß hinter vorgehaltener Hand wagt, über einen fremdartigen Harpunier namens Queequeg zu erzählen, oder sich gar bei einem Krug Rum mit haarsträubenden Geschichten über einen gewissen Kapitän Nemo und dessen sagenumwobenen Schiff Nautilus zu überbieten versucht. Eine Sekundärwelt, verortet irgendwo zwischen der überbordenden Zeit der Romantik und den Anfängen der industriellen Revolution. Und der seltsame Fang, von dem eben jener Matrose seinem Kapitän berichtet, ist ein metallener Apparat mit menschlichen Gliedern und einer großen Glaskuppel auf dem Rumpf, in welcher ein menschlicher Schädel zu schwimmen scheint. Eine große 13 ist auf dessen Stirnbein zu lesen und diese gibt nicht nur dem seltsamen Geschöpf, sondern auch der jungen Comic-Reihe ihren Titel, deren beeindruckende Erstausgabe gerade im New Yorker Museum of Comic and Cartoon Art der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
thomas hall, daniel bradford