Bright Eyes Wide Shut.
Conor Oberst entflieht der selbsterfüllenden Prophezeiung der Unerträglichkeit des Seins, in Form einer luziden Betrachtung von Leben, Tod und allem was dazwischen wohnt.
(theme from pinata)
Ein infaustes Atmen verbindet sich mit dem stoisch dumpfen Klang einer symbolbehafteten Orgel, bevor Conor Oberst mit seinem erlösenden Gesang einsetzt. "Shh, Shh. Don’t Speak.", scheint er, mit einem cineastischen Auge betrachtet, die in Agonie entschlafende Person zu besänftigen. Diesen hörspielartigen Momenten wurde in den früheren Bright Eyes Alben schon gern Zeit gewidmet, gelang es ihnen doch den Hörer auf einer weiteren Dimension zu erreichen, und die Stücke auf eine plastischere Weise zu transportieren. Das Thema, welchem sich in diesem kurzen Beginn gewidmet wird, bevor das Klingeln eines Weckers das nächste Stück, wie aus einem Tagtraum gerissen, einläutet, ist dennoch bewusst gewählt und auch nicht unbekannt. Die adoleszente Romantisierung des Todes, das bequeme Verweilen in der eigenen Melancholie, wie man sie aus älteren Texten kennt, ist einer distanzloseren Konfrontation mit dem realen Tod gewichen; eine Freundin von Oberst starb im vergangenen Jahr. Eine Art therapeutische Bewältigung dieses Einschnittes manifestierte sich in dem zweiten Album, welches gemeinsam mit „I’m Wide Awake, It's Morning“ zwei Seiten des jungen Songwriters beleuchtet, die zunächst unterschiedlicher kaum sein könnten. Oberst selbst sagt dazu „Ich glaube nicht, dass man ein Problem loswird, indem man es sich einfach von der Seele schreibt, aber zumindest zwinge ich mich so, mich damit zu beschäftigen. Das Songwriting ist eine gute Unterstützung, meinen Problemen genug Zeit zu geben, um sie auch tatsächlich irgendwann lösen zu können." Nüchternheit und Rationalität halten Einzug bei dem jungen Mann, der sich selbst ein Mal den Peter Pan Ausspruch des Niemals-Erwachsen-Werdens auf die Fahne schrieb.
Während sich "I’m Wide Awake It's Morning", das formal erste der beiden Veröffentlichungen, schon über den Verlauf der 2002er Tour hinweg entwickelte, entstand das zweite Album, "Digital Ash In A Digital Urn" eher kurzfristig, obgleich es sich in seiner Konzeptionalität und seinen Arrangements weitaus durchdachter und komplexer anhört. Ganz allgemein klingt es beim ersten Durchhören mehr wie eine Remix Platte von The Postal Service, auf welcher diese sich den Werken des 24Jährigen annehmen würden. Tatsächlich bewegt sich Bright Eyes hier das erste Mal überhaupt fast ausschließlich auf Neuland, welches ganz eindeutig Pop heißt. Die intimen, introvertierten Gedanken, artikuliert durch Obersts subversives Wehklagen als eine Mischung aus Wut, Trauer und Hoffnung, werden nicht mehr weiter von akustischen Gitarren, Orgeln und Bläsern getragen, sondern bewegen sich fast ohne Ausnahme auf einem facettenreichen
elektronischen Klangteppich, unterstützt von verzerrten Gitarren, Keyboards und Sequenzern.
Die Stücke sind bandorientierter als die des andere Albums, kommen mit zwei Schlagzeugern und einer Vielzahl von befreundeten Musikern inner- und außerhalb der Saddle Creek Familie daher, und befassen sich trotzdem mit dem weitaus intimeren Thema. Den Zusammenhang erklärt Oberst so, dass er sich durch das Offenbaren in der Gemeinschaft tröstlicher Aufgehoben fühlt, als würde er sich allein damit auseinander setzen. "We are all a little broken. / We’re all a little twisted. / We’re all a little less than we could be or want to be."
Gänzlich neu an diesem sechsten Bright Eyes Album ist die Verlagerung des Augenmerks weg von der tragenden Melodie der Stücke, hin zum rhythmusorientierten Popsong, ohne dabei natürlich tatsächlich ein Tanzbodenstampfer zu werden. Das sanfte Arc Of Time bewegt sich so zunächst nur scheinbar munter mit unbedarften Gitarren Melodien auf einem gebrochenem Beat und Handclaps, mündet letzten Endes jedoch in der Folgerung: "And you'll do the dance / That was choreographed / At the very dawn of time / Saying, I told you son / The day would come / You would die, die, die, die ." Die Popharmonie weicht bei näherem Betrachten einer klaustrophobischen Enge aus Entfremdung, Einsamkeit und Tod. Seine Gedanken stehen in stetem Konflikt zu der beseelten Harmonie der Stücke. "I'm staring out into that vacuum again / From the back porch of my mind / The only thing that's alive." (Hit The Switch)
Musikalisch ist die Elegie auf "Digital Ash" trotz allem einer belebteren, aber dennoch fragilen Verträglichkeit gewichen. Da das Programming der von Oberst geschriebenen Stücke neben dem langjährigen Weggefährten Mike Mogis vor allem Jimmy Tamborello zuzuschreiben ist, erklärt sich auch die anfangs angesprochene Affinität zu The Postal Service, stellt er doch die eine Hälfte dieser wunderbaren SubPop Band dar. Solange er gemeinsam mit Mike Mogis zusammenarbeite, antwortet Oberst im Spex Interview auf die Frage, ob mit dem neusten Album vielleicht sogar der Grundstein für eine gänzlich neue Band gesetzt sein könnte, "solange ist und bleibt es eben Bright Eyes." Kein Neuanfang also, aber eine nachhaltige Entwicklung hin zu neuen Orten und Möglichkeiten, die sich im Laufe der Zeit bei Bright Eyes manifestieren werden. "The remedy of longing that / Distills each dream and the song I had / By morning watered down again / On silver stars I wish and wish and wish / Move on to the next one." (I Believe In Symmetry)
foto: saddle creek
Bright Eyes [Digital Ash In A Digital Urn]
"i know debris, it covers everything, and still i'm in love with this life."
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