Ani DiFranco [Knuckle Down]

Strewn with half written songs.
Ani DiFranco findet den Weg aus ihrer Einigelung und präsentiert uns ein Album, dass wärmer und zugänglicher nicht hätte sein können.



"we took each other higher, we set each other free."
(modulation)


Studenten haben ja irgendwie oft mit dem Vorurteil zu kämpfen, faul zu sein und in den Tag hinein zu leben. Umso erstaunter tun demnach Außenstehende, wenn man sich – sei es wegen einer Prüfung oder aus innerer Einsicht – plötzlich hinsetzt und anfängt sich energisch der Arbeit zu widmen. Sich in etwas hineinknien, plötzlich anfangen hart zu arbeiten, genau das bedeutet "to knuckle down". Doch in welchem Zusammenhang steht dieser Ausdruck zu Ani DiFranco? Als besonders arbeitsfaul kann man die Sängerin/Songwriterin ja nun wirklich nicht bezeichen, veröffentlicht sie doch in jährlichem Abstand ein Album nach dem anderen. Sie hat es also eigentlich gar nicht nötig, sich so richtig in Arbeit zu knien. Anscheind tut sie es trotzdem. Ani scheint vor unendlichen Ideen nur so zu blühen, erfreulich für alle Liebhaber ihrer Musik, zu denen ich mich zähle.

"vehement romantic / frantic for forever right now"

Die Vorfreude auf ihr neues Werk war schon lange da, und so ist es umso schöner, das neues Album endlich in den Händen zu halten. Schön, denkt man sich auch schon, bevor überhaupt ein Ton erklungen ist. Gleich lässt das liebevolle Design des gewohnten Pappcovers das Herz höher schlagen. Zum Lächeln bringt einen sofort das wunderschöne Foto auf dem Cover, und lächeln lässt einen auch das hübsche kleine Booklet in der Innenseite. Doch eigentlich liegt der Hauptaugenmerk ja nicht auf dem Cover, sie sind nur die hübschen Augen hinter denen man in die Tiefe blickt.

Gespannt lausche ich den ersten Tönen und bin entzückt; vertraut und mitreißend klingt das, was meine Ohren zu hören bekommen, typisch Ani und doch wieder so neu. Knuckle Down, Titellied und Opener der Platte hätte besser nicht sein können.

Im Kontrast zum Vorgängeralbum "Educated Guess", welches ausschließlich von Ani DiFranco selbst eingespielt und produziert wurde, weist "Knuckle Down" eine Vielzahl von Mitmusikern auf, über den Kontrabassisten Todd Sickafoose, den man schon neben Ani auf der kürzlich erschienener Dvd "Trust" bewundern durfte, zu Gastmusikern wie etwa Tony Scherr an der E-Gitarre und Andrew Bird, bei dem man neben Violine und Glockenspiel überrascht über das Wörtchen Pfeifen stolpert. Und auch zum Produzieren hat sich Ani diesmal Hilfe geholt und den Singer/Songwriter Joe Henry eingeladen.

Einigen Liebhabern Ani Difrancos mag dieses Vorgehen als ein Rückschritt erscheinen; es ist weniger die "pure Ani", wie man sie auf dem Vorgänger kannte, den sie allein mit sich selbst eingespielt und produziert hatte. Doch "she’s trying to evolve": Ani steht nie still und versucht beharrlich, sich weiterzuentwickeln. Der Rückschritt liegt wohl im Stehenbleiben, und das tut sie mit "Knuckle Down" nicht. Vielmehr ergänzen sich Ani und ihre Gäste in einer angenehmen Symbiose. So sind es gerade solche Kleinigkeiten wie das Pfeifen als Soloinstrument in Manhole, welche den besonderen Charakter der Platte ausmachen. Und die wunderschöne Sologitarre in Sunday Morning hätte vermutlich auch die Meisterin an der Gitarre selbst nicht besser einspielen können.

"course, you're the kind of guy who doesn't lie / he just doctors everything"

Wie bereits so oft singt Ani in ihren neuen Songs von Zwischenmenschlichkeit und den Problemen, die diese aufwirft, von Liebe und dem Abhandenkommen selbiger, von Familie und Alltag. Meist sind es Beobachtungen und Erlebnisse, welche sie geschickt und treffend in einfühlsame Texte umwandelt.

"you cried and you cried an you cried wolf / so it took me a minute to understand / that you really were hurt bad"

Anis Songs so authentisch und so persönlich,dass man mit der Zeit das Gefühl bekommt, sie ein Stück weit zu kennen, als hätte sie uns einen Teil ihrerselbst geschenkt. Und das tut sie sicherlich auch mit ihrer Musik. In Sunday Morning folgen wir in eine ganz persönliche, traurig-schöne Welt eines Sonntagmorgens und lernen, dass nicht alles immer so rosig ist, wie es vielleicht erscheint. Doch auch ihre politische Ader lässt Ani nicht ruhen und besingt in Paradigm auf ihre inidividuelle Art und Weise ihre Erfahrungen mit der Demokratie.

"if you should happen to see my light / you can stop and ring my bell / i'm just sittin here in this sty / strewn with half written songs / taking one breath at a time / nothin much going on"

Mit dem wunderschönen Recoil offenbart sich abschließend ein fühlbares Bild, welches man sich von der Künstlerin machen kann. Ani ist eben auch nur ein Mensch, und zu gerne würde man in diesem Moment bei ihr vorbeischauen und sie von ihrer Einsamkeit befreien.
Stattdessen wünscht man sich, dass die "half written songs" doch bald ganze würden und wartet bedächtig darauf, dass Ani sich bald erneut in diese hinein kniet.
foto: chris strong



ani difranco
"knuckle down"
righteous babe records 2005 cd
ani difranco