Franz Ferdinand [You Could Have It So Much Better]

"Ist es nicht superärgerlich, dass viele Bands bereits vor eurer Gründung eure Songs nachgespielt haben?", lautete eine der Fragen treffsicher, als das Intro seine Community an einem Franz Ferdinand Interview partizipieren lies.



"here we are at the transmission party. i love you're friends, they're all so arty."
(do you want to)


"Oh, natürlich kann ich Menschen verstehen, die Popmusik (und wenn ich dieses Wort benutze, beziehe ich Soul, Reggae, Country und Rock mit ein – eben alles, was man als Schund bezeichnen könnte) verachten. Ich weiß, dass sie oft, beinahe immer, billig, einfallslos, schlecht geschrieben, aalglatt produziert, hirnverbrannt, repetitiv und pubertär ist (obwohl man mindestens vier dieser Adjektive anführen könnte, um die unablässige Mäkelei an Pop zu beschreiben, die man immer noch im Feuilleton findet)." Mit diesen Worten weiß der britische Schriftsteller Nick Hornby in seinem Buch "31 Songs" treffend das ambivalente Verhältnis gegenüber den bittersüßen Begehren der Popmusik zu beschreiben. Selbstverständlich kommt er dennoch zu dem Schluss – und eben jenem kann ich mich nur anschließen – dass es eben trotz alledem Songs gibt, die einen nicht mehr loslassen; auch wenn der Verstand sie schnell entlarvt, ihre in gut drei Minuten komprimierte Magie entzaubert, aber das Herz anhält für sie zu schlagen, die Begeisterung nicht abklingt.

Analog der alles erdrutschartig verändernden Veröffentlichung der Strokes im Jahr 2001 - der Rettung und des auf dem Fuße folgenden Untergangs des Rock - drehten sich die Medien letztes Jahr immer wieder im Kreis um diese eine britische Band mit dem verwegenen Namen. Typisch Britisch mag man gedacht haben, als man das erste Mal mit dem Namen konfrontiert wurde. Kaum ein anderes Volk kommt mit dieser gelassenen Selbstverständlichkeit daher und wagt solche Bezügen, nur um sie dann auch noch als geschickten Kunstgriff vermarkten zu können.

Nur ein einziges Jahr ist vergangen seit dem sensationell gefeierten Debüt Album; nur ein Jahr, in welchem die Band pausenlos tourte, um zu der vorausschauenden Überlegung zu gelangen, das unentwegte Touren überraschend abzubrechen und sich direkt an den so gefürchteten Nachfolger zu begeben. "You Could Have It So Much Better", der Titel schon zwiespältig genug um ihn in die Eine – warum hast du nicht mehr dafür getan – oder die Andere Richtung – warum gibst du dich damit zufrieden – zu interpretieren. Wo sich die angesprochenen Strokes bei ihrem zweiten Album in Beliebigkeit verloren, machen Franz Ferdinand bei ihrem neuen Werk alles so erwartungsgemäß richtig, dass es überrascht. Zwischen Stagnation und Entwicklungsdrang gelingt es ihnen ihren Wiedererkennungswert enorm zu steigern, und dennoch dem Hörer kein zweites "Franz Ferdinand" zu präsentieren.

So ruppig wie die ersten Gitarren Klänge auf der Platte beginnen, hat die Band noch nie geklungen. Dennoch kann man sich selbst schon kurze Zeit später beobachten, wie der Fuß wippt und der Kopf nickt, wenn sich die gewohnten Four-To-The-Floor Rhythmen ausbreiten und Kapranos lakonisch die Melodie mit einem Lalala Gesang weiterführt. Auf wabernden Bass und minimalistisches Schlagzeug reduziert, wähnt man sich für Momente in einem dreckigen White Stripes Stück (Evil And A Heathen), nur um kurze Zeit später verspielte, pianobegleitete, mehrstimmige Popmelodien auf den Spuren von Lennon/McCartney zu entdecken (Eleanor Put Your Boots On) und ohne Ankündigung von Spaghettiwestern Anleihen überrascht zu werden. Der Glamour der späten Queen blitzt kurz auf (Fade Together) und eine spacige Bowie Orgel schmiegt sich kantig ins Ohr (Outsiders). Aber dies sind Alles nur Spitzen, nur kleine Verfeinerungen, welche die Musik der Band auffrischen und ihr Gespür für eingängige Popmelodien detailverliebt bereichern. Auf gewiefte Art bezieht man unzählige Querverweise in den schon jetzt typischen Franz Ferdinand Sound ein, verändert ad hoc Tempo und Rhythmus und gaukelt dem geneigten Zuhörer ein bequemes Gefühl der Gewohnheit vor; als würde man ein nie betretenes Haus besuchen, sich aber doch in jedem Raum zurechtfinden, weil es der gleiche Architekt plante, der auch für die eigenen vier Wände verantwortlich war. Besonders die von Piano und Akustikgitarre getragenen Stücke wie erwähntes Eleanor Put Your Boots On überraschen mit einer neuen Spielweise, die man von ihrem Debüt ausgehend nicht erwartet hatte, die musikalische Vielfältigkeit der Band jedoch unterstreichen: auch wenn sie für die erste Single Do You Want To - inklusive Anspielung auf Kylie Minouges I Sould Be So Lucky - fast gänzlich auf Strophen verzichten und mit refrainlastigen Songstrukturen im oberflächlichen Dancefloor zu wildern scheinen.

Die von Kollege Simon Traut auf dem diesjährigen Haldern Pop entlarvte limitierte Musikalität der alten Stücke auf der Bühne scheint zumindest auf Platte erneut einem frischen Enthusiasmus gewichen. Nach zahllosen Klatsch und Tratsch Nachrichten und dem Einzug in die Feuilletons der Tageszeitungen kehren die vier Briten mit ihrem zweiten Studioalbum zurück, nur um klarzustellen, dass sie selbst die Grand Seniors eines Genres sind, dass sich seit letztem Jahr mit fadenscheinigen Kopien und halbherzigen Trittbrettfahrern füllt. Mit "You Could Have It So Much Better" spielen Franz Ferdinand erneut bisweilen kantigen PopRock in Konzert mit respektloser Nonchalance und einem ironischen Umgang mit der Kurzlebigkeit der Popmusik. Und sie stellen klar, dass es erneut ihr angestrebtes Ziel ist, Musik zu machen, "zu der Mädchen tanzen sollen".

Hornby erwägt nur wenige Seiten nach den anfangs zitierten Sätzen den Gedanken, dass "der Wegwerfcharakter von Popmusik ein Zeichen für ihre Reife, für das Wissen um die eigene Begrenztheit, und nicht umgekehrt" ist. Mit diesem Ansatz möchte man auskommen.
foto: marius hansen


franz ferdinand
"you could have it so much better"
domino 2005 cd / lp
franz ferdinand