(Pop Up Messe [Leipzig, 18.-21.06.06]

Bestandsaufnahme der deutschen Independent-Szene? Ein Familientreffen, bei dem der jüngste Zuwachs präsentiert wird? Ein Ort der inhaltlichen Auseinandersetzung oder doch nur ein Wochenende lang mit Freunden feiern, die man lange nicht gesehen hat? Die 5. Pop Up Messe in Leipzig.


"es geht um inhalte."
(messe slogan 2006)

Es gibt zwei Arten von Messen. Die Einen sind eine reine Warenschau, die jeweilige Branche präsentiert sich nach außen, man erhält einen Überblick über die Marktsituation, es werden Verträge abgeschlossen, der Charakter ist ein ökonomischer. Und dann gibt es noch die Anderen: Messen für Sammler, Liebhaber und Nerds, bei denen sich – meistens von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen – eine wie auch immer geartete „Szene“ trifft. Hier steht die Liebe zur Sache im Vordergrund, man trifft sich mit Gleichgesinnten, um sich auszutauschen, Raritäten zu ergattern oder Neues kennenzulernen, der positive ökonomische Effekt ist höchstens eine Randerscheinung. Die Pop Up Messe in Leipzig eindeutig gehört zu den Letzteren. Zwar wird man Hauptbahnhof mit einem „Willkommen in der Messestadt Leipzig“ begrüßt, doch von der Pop Up weiß kaum jemand. Die Poster für diese doch recht spezielle Veranstaltung gehen an den zahlreichen legalen und wilden Plakatierungsstellen in der Masse der angekündigten Veranstaltungen eher unter. Die meisten Leipziger Besucher antworten auf die Frage, woher sie von der Veranstaltung wüssten: „Ich weiß es eben.

Laut eigener Definition will die Pop Up „eine Plattform für die Macher und Fans von Popkultur und –musik sein […] und – nicht zuletzt - allen eine Menge Spaß machen, denen Popmusik in all ihren Spielarten eine Herzensangelegenheit ist“. Ein jährlicher Treffpunkt also für den Teil der Musikszene, welcher sich nur allzu gerne das Wort Independent in großen Lettern auf die Fahne schreibt. Genau dieses Ziel verfolgte die unsägliche Popkomm ebenfalls mit dem sogenannten Labelcamp, eine Versuch, der von Vorneherein zum Scheitern verurteilt war. Doch bei der Pop Up, die heuer ihren fünften Geburtstag feierte, verhält es sich zum Glück anders. Im Wesentlichen gestützt von der vielfältigen Leipziger Musikszene hat sich ein für die Independent-Szene bemerkenswertes Forum entwickelt, das von Major-Unternehmen ignoriert wird und welche vermutlich auch keinen Stand bekommen würden.

Mehrere Tage lang traten verschiedenste elektronische wie gitarrenlastige Acts in den zahlreichen Clubs von Leipzig auf, doch die wichtigste Veranstaltung war selbstverständlich die eintägige Messe im Werk II. Schon beim Betreten der Halle wurde klar, weshalb sich die Welt in Bezug auf diese Veranstaltung in Wissende und Nichtwissende einteilen lässt. Die Besucher sind Konsumenten und Fachbesucher in einem, für Außenstehende hat die Atmosphäre einen starken Nerd-Charakter. Eigentlich ließ sich auch kaum zwischen Besuchern und Ausstellern unterscheiden, man unterhielt sich auf einer gemeinsamen Ebene. Hier versuchte weder eine Messehostess, dem ahnungslosen Kunden das scheinbar hochwertige Produkt näher zu bringen, noch wurden irgendwo Verträge oder wichtige weil ökonomisch vorteilhafte Zusammenarbeiten beschlossen. Stattdessen trafen sich ausschließlich Musikfans, die sich eher zufällig vor oder hinter den Standtischen befanden, welche schlicht aus Biertischgarnituren bestanden. Und so schien in der Halle ein riesiges Netz gespannt zu sein, überall fanden sich Verbindungen, man traf alte Bekannte und lernte neue Menschen kennen. Ob Wohnzimmer-Label, Independent-Vertrieb, Fanzine oder Besucher: Irgendwie waren alle miteinander verknüpft. Man traf Freunde und Kollegen, die man lange nicht mehr oder noch nie gesehen hatte, neue Kontakte wurden geknüpft, phasenweise schien das Werk II eher einem Familientreffen als einer Messehalle zu ähneln.

Doch wo sich die Familie trifft, dürfen nicht nur Kaffee und Kuchen gereicht werden, es muss auch Inhaltliches geschehen. Dazu sollten die Foren dienen, in denen auf einem Podium Beteiligte des Kulturbetriebes unterschiedliche Themenfelder beackerten. Ausgerechnet beim inhaltlichen Input lief nicht alles rund. Das Forum "Blog Party", welches das Verhältnis von Blogs und Musikjournalismus behandelte, bewegte sich auf einem zwei Jahre alten Diskussionsstand, ein Fortschritt war nicht zu erkennen. Bei "Landunter im Themenpark" brachten verschiedene Musikjournalisten zwar spannende und erheiternde Anekdoten zum Besten, eine ausreichende Erklärung für das Phänomen des "heißen Acts des Moments" konnte jedoch nicht gefunden werden. Doch ausgerechnet das vielversprechendste Forum, "I Bet You Look Good On Our Coverstory", enttäuschte am Stärksten. Nur wenig Substantielles und Neues gab es zum politischen Gestus der Independent-Szene zu sagen.

Erfreulicher hingegen war so mancher Auftritt bei den abendlichen Konzerten. Das Messepublikum konnte insbesondere freitags und samstags zahlreiche Acts in rund einem dutzend Clubs begutachten. Nur wenige größere Namen wie Blackmail oder Sophia waren dabei, doch die wirklich spannenden Momente spielten sich sowieso in den kleineren Lokalitäten ab, so zum Beispiel der Louisville-Loob-Labelabend in der Halle 5. Leider spielte Florian Horwath die Halle buchstäblich leer, bevor Oliver Welter nur mit Akustikgitarre Naked Lunch-Songs zum Besten gab. Vor allem aber feuerten Klez.e ein energiegeladenes Set ab, welches viel Lust auf das kommende Album machte. Andernorts waren Bands wie Ostinato, Brockdorff Klanglabor oder auch Sometree zu bestaunen, auch wenn letztere mit erheblichen technischen Problemen zu kämpfen hatten. Dreh- und Angelpunkt der abendlichen Musikunterhaltung war jedoch zweifelsohne Ilses Erika. In diesem engen und verwinkelten Kellerclub wurden vier Nächte zum Tag gemacht. Deren Höhepunkt wiederum waren die (Mini) Monsters Of Spex: Zwar wussten die Dänen von Epo-555 durchaus zu begeistern, doch verblasste deren Auftritt im Schatten der vermutlich heißtesten Band des gesamten Pop Up: Amusement Parks On Fire machten klar, weshalb es sich nur für diese eine Band gelohnt hätte, nach Leipzig zu fahren. Riesige Gitarrenwände und neblige Gesangslinien durchfuhren den eigentlich viel zu kleinen Raum, der Auftritt ließ jeden Körper Adrenalin und Glückshormone in rauen Mengen ausschütten. Und ist es nicht letztendlich das, worum es bei so einer Veranstaltung gehen muss?
foto: simon traut

(pop up