Ben Kweller [Ben Kweller]

Ganz ehrlich: Ben Kweller sieht nicht aus wie 25. Eher wie 17, oder so. Aber mit 17 ging dieser Mann noch keine Solo-Pfade, sondern feierte mit seiner Punkband Radish durchaus beachtliche Erfolge. Zehn Jahre später ist er nun ein verheirateter Familienvater und Amerikas Vorzeige-Singer-Songwriter.


"i'm losing speed"
(red eye)


Wir hier in Europa wurden erst so richtig durch den allgemeinen Hype um Adam Green auf Ben Kweller aufmerksam. Die beiden sind befreundet, 2003 fand sich auf der B-Seite zu Greens Erfolgssingle Jessica Simpson eine gemeinsame Beach Boys Coverversion. Jetzt ist Kweller ein Liebling der Feuilletons, die ihn gerne mal als Wunderkind bezeichnen – wenn da auch eine neckische Betonung auf dem "Kind" mitschwingen darf. Weniger subtil untertitelte die FAZ neulich eines dieser typisch verschlafenen Ben Kweller Fotos: "Würden Sie diesem jungen Menschen Alkohol verkaufen?" Aber solange es nur die Bilder sind, welche immer wieder den Begriff "Milchbubi" aufkommen lassen, dürfte den Herrn das nicht so sehr stören. Denn rein musikalisch löst er sich mit seinem neuen Album gänzlich von diesem Image.

Eigentlich ungewöhnlich, die vierte Soloplatte nach tollen Vorgängertiteln wie "Freak Out, It's Ben Kweller!" oder "Sha Sha" plötzlich nach sich selbst zu benennen. Aber dafür gab es einen guten Grund, denn zum ersten Mal spielte Kweller alle Instrumente – von der Akustikgitarre bis zum Xylophon – selbst ein. "Ich hatte großen Respekt davor", gibt er zu, "und einige Leute sagten, dass das verrückt sei, aber die besten Sachen entstehen ja immer aus verrückten Ideen." Ob die neue Platte nun wirklich die beste ist, die wir je von Ben Kweller gehört haben, sei mal dahingestellt. Sicher ist aber, dass sie ganz anders ist als das, was schon im Schrank steht und vielleicht auch als das, was man erwartet hatte. Dieses Album klingt nicht mehr so rau, rockig und ursprünglich, sondern weich, runder und nach Studio. "Mir hat es immer gefallen, rohe Stücke zu nehmen und möglichst unbearbeitet zu lassen. Aber auch das Gegenteil davon kann wirklich schön sein", erklärt der Wahl-New Yorker.

In dieser gegensätzlichen Arbeitsweise unterstütze ihn der britische Produzent Gil Norton (Pixies, Foo Fighters). Ob er auch der war, der den Geschwindigkeitsregler zurückgedreht hat? Denn das ist wohl der einschneidendste Schritt in Richtung der neuen Platte: Wirklich tanzbare Stücke finden sich hier keine mehr, mit Ausnahme höchstens des nachdenklichen Penny On The Train Track über die Begegnung mit einem alten Schulfreund, der den Beruf des Polizisten ergriffen hat. Viel mehr zu hören sind dagegen Klavier und Orgel, die dem Ganzen den Rock nehmen. So oft sind da erste Sekunden, die schon in die Luft springen und auf das gewaltige WUMM warten lassen, das einen Indie Tanzklassiker für gewöhnlich einläutet – aber es bleibt einfach aus. Man kommt dumpf auf dem Boden auf, statt im siebten Pophimmel zu schweben, und muss sich erst mal wieder finden. Wummmm. Vielleicht hätte man also die ein oder anderen gehämmerten Tastakkorde durch eine nette Gitarre ersetzen können... So wie im letzten Track des Albums, This Is War, mit dem Kweller sowohl musikalisch als auch textlich noch einmal ganz andere Saiten aufzieht. Hier werden die alten Werte auf gekonnte Art und Weise mit neuen Erkenntnissen verknüpft – wie schön wäre mehr davon gewesen! Aber Schwamm drüber.

Denn zum Beispiel Kwellers persönlicher Höhepunkt entschädigt für diese verwehrten Freuden, obschon er das genaue Kontrastprogramm dazu bildet. Es handelt sich um das sparsam arrangierte, refrainlose Thirteen. Bei dieser Ballade hat das Klavier seinen großen Auftritt, und wenn dann noch die Mundharmonika einfällt, ist man immer noch oder schon wieder in diesen Typen verliebt, der keine großen Worte braucht, um Großes verständlich zu machen. "Während ich an dem Stück trieb, kamen diese ganzen Emotionen aus mir heraus", erzählt Kweller. "Ich habe an meine Frau Liz gedacht und an all das, was wir in acht Jahren gemeinsam durchgemacht haben. An die Freunde, die gekommen und gegangen sind und an Leute, die von denen ich glaubte, dass ich sie kannte und dann war es doch nicht so. Und auch an die unvorhersehbaren Ereignisse, von denen man aus der Bahn geworfen wird, die guten und die schlechten."

Klingt doch ziemlich erwachsen, oder? Eben. Vergiss die Fotos, Ben Kweller!
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ben kewller
"ben kewller"
red ink 2006 cd
ben kewller