Wider politischem Konsens und kultureller Einfältigkeit
Hinter jedem guten Debüt steckt ein guter Hype, oder die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative.
"das gute und das böse werden eins / mit dem plan planlos zu sein"
(schockwellen auf's parkett)
Dieses Sicherheitsbedürfnis bedienen Von Spar ganz bewusst nicht mit ihrem Debüt "Die Uneingeschränkte Freiheit Der Privaten Initiative". Thomas Mahmoud, Christopher Marquez und Jan Philipp Janzen, ersterer auch Stimme der Oliver Twist Band, letzterer gemeinsam mit Georg Brenner Urlaub in Polen, haben, wie auch immer man sich ihnen gegenüber positionieren wird, eine diskussionswürdige Kontroverse aufgetischt. Neubeschriftete Schubladen wie Electroclash und Electropunk werden geöffnet, Verweise zu The Rapture und sogar Prodigy werden nicht unbedingt verständlich gezogen, nur weil hier scheinbar jemand Punk, House, New Wave, Pop und Funk zu vermischen ersucht. Unter den drei Musikern wird der Geist von Punk und Dada als Hintergrund der Musik diskutiert, wobei man Ansätze beider Ideenwelten in den Songs auffinden kann. Ideologie als Grundstein guter Musik.
Vielleicht haben Von Spar aus der Not eine Tugend gemacht, als sie sich, aufgrund mangelhafter Möglichkeiten erlesene Fragmente adäquat nachzuspielen, darauf besonnen haben, zunächst am Computer Tracks mittels ausgewählter Samples aus allen Stilrichtungen zu konstruieren. Klischees aufbauen um sie zu demontieren und, einem selbst bestimmten Zeitgeist unterliegend, neu zu interpretieren. Diese abstrahierten Klänge, ein repräsentatives Profil der eignen wohnzimmerlichen Plattensammlungen, wird dann als Live Band versucht umzusetzen. Die Uneingeschränkte Freiheit Der Privaten Initiative, der Titelsong, mit seinen Breaks und unvermittelten Wendungen oder auch Bunsenwahrheiten, ein nach vorn zielendes Versatzstück mit Rock und sogar Free Jazz Elementen, machen dies deutlich. Das vielleicht beste Beispiel für die erwähnte Herangehensweise ist jedoch Schockwellen Auf's Parkett: in dem Stück mit dem treibenden, perkussiven Rhythmus, geht Mahmouds burlesker Gesang in B-52 Anspielungen über, während die schranzige Gitarre unerwartet My Sharona von The Knack aufzugreifen scheint. Der Gesang, mal hochgepitcht, mal am Computer dekonstruiert, ist ein eklatantes Merkmal der Band. Mahmoud agiert immer wieder am Rande der Hysterie, so scheint es, und lässt so, die von der Band ungeliebten Vergleiche mit den Fehlfarben oder den Goldenen Zitronen nicht nur auf inhaltlicher Ebene ins Auge fallen.
Agitprop mag ein sehr kurzlebiges und ungeliebtes Gebiet sein, welches von den gesellschaftlichen Diskrepanzen genährt wird, und nicht zwingend deren Beseitigung fordert. Von Spar glänzen, ähnlich früher Hamburger Schule Bands, mit dem schlagzeilenhaften Ausformulieren politischer Slogan. Einerseits nutzen sie dafür obligate Statements wie "Mach kaputt was dich kaputt macht", oder auch den Fehlfarben Seller "Geschichte wird gemacht" – auf der Platte originalgetreu von Peter Hein skandiert - andererseits stehen sie großen Bands in dieser Hinsicht in nichts nach: "Wir brauchen mehr Dynamit, Regie" rufen sie in Kopfsteinpflaster, "Geld tut nicht weh" wird im Titelsong propagiert, ein hysterisches "PanikPanikPanikPanik" durchzieht Schockwellen Auf's Parkett und Distelmeyers "Ich Maschine" wird in einem tagespolitischen Bezug mit der Ich AG der Agentur für Arbeit verbunden. Jeder dieser Aussagen würde sich auch auf einem T-Shirt gut machen, denkt man, während Von Spar im letzten Stück Bis Es Wehtut scheinbar gegen eben diese Art der Propaganda wettern: "Die Bösen haben keine Melodien, nur Parolen aus bunten Schlagzeilen". Dennoch gelingt es Von Spar vielleicht gerade auf diese Weise immer wieder aufs Neue den Kopf tanzbar zu machen, ist der Körper doch unlängst nach dem ersten Stück in pausenloser Bewegung.
Und vielleicht hatte Frank Spilker seine Kritik formuliert, wohl wissend, dass Von Spar in diesem Sommer zu einigen Diskussionen, nicht zuletzt auf politischer Ebene Anlass geben würden; im, von der ersten Sekunde an brodelnden Stück Ist Das Noch Populär?, singt er schließlich als Gast "Ein Bild ohne Worte, ein Bild ohne Gleichen, das Funkeln der Sterne, das Lächeln im Gesicht. Komisch wie schnell sich die Dinge verändern, ich sing es noch einmal, ich sing es für dich."
Schön, dass ihr dabei seid.
foto:
von spar
"die uneingeschränkte freiheit der privaten initiative"
lado 2004 cd
von spar
Von Spar [Die Uneingeschränkte Freiheit Der Privaten Initiative]
Noch vor kurzem hatte Sterne Sänger Frank Spilker in der taz das Fehlen einer politischen Stimme im aktuellen Hoch der deutschsprachigen Musik bemängelt, womit er namentlich sowohl oberflächlichen gute Laune Pop im Stil der Sportfreunde Stiller, als auch das plumpe proklamieren eines neuen Patriotismus wie MIA. ihn betreiben, meinte. Während man den skeptischen Blick auf das eigene Land bei amerikanischen Bands gern sieht, wird in Deutschland die neue Rechtschaffenheit bevorzugt. "Sozialdemokratische Musik von sozialdemokratischen Menschen", benannte dies Spilker, und beanstandete damit auch, dass sich diese eklektische Monotonie im Musikgeschäft immer mehr durchsetzt. Korporative Identität ist der Gral der Globalisierung, und nach eben einer dementsprechenden klanglichen Einheitlichkeit, streben in der heutigen Zeit auch eine Großzahl der, von der Medienmaschinerie hervorgebrachten Interpreten. Es geht darum den Wiedererkennungseffekt ihrer Musik beim Rezipienten beliebig oft auslösen zu können. Massenkompatibilität.
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Von Spar