Sein Rennrad für einen Traum.
Dass "relativ viele" vom eigenen Buch träumen, ist Torsten Woywod bewusst. Dem 1981 in Duisburg geborenen Germanisten ging es allerdings nicht bloß darum, die eigenen Texte endlich in gedruckter Form an den Mann bringen zu können. Er wollte mehr: Eine Anthologie mit jungen, viel versprechenden Autoren. Und zwar ganz nach der guten alten "Do It Yourself" Tradition!
"der regen in brailleschrift auf der haut."
(herbert hindringer, es fehlt etwas)
"Jungen, talentierten Nachwuchs-Autoren eine Plattform zu bieten, weil sie bisher leider nicht bei den – vermeintlich - großen Verlagen unterkamen, obwohl sie sich längst um einen größeren Namen verdient gemacht haben", so fasst Torsten Woywod das Konzept der von ihm herausgegebenen Anthologie "Sprach:RAUSCH" zusammen. Für dieses Projekt konnte er letztlich nicht nur Community-Autoren wie Anna Maria Dahms (vgl. auch den 600 Wörter Beitrag, Anm. d. Tippse) oder Natalia Breininger gewinnen, sondern auch die beiden Bachmann-Teilnehmer Susanne Heinrich und Michael Stauffer. Bei der Auswahl der Texte legte der Herausgeber großen Wert auf eine "besondere Sprache". Wortkompositionen, die die Erzählungen zu etwas besonderem machten.
Doch als nach etwa einem Jahr alle Autoren feststanden, war die Arbeit noch lange nicht getan – sie fing vielmehr erst richtig an. Plötzlich kam all der formelle, bürokratische Kram: Neben Lektorat und Layout mussten Verträge aufgesetzt und ein Gewerbe angemeldet, Steuer- und ISBN-Nummern beantragt werden. An vieles, so gibt Torsten zu, denkt man zunächst gar nicht. Und auch finanziell gesehen mag die ein oder andere Überraschung dabei gewesen sein. Stellt sich natürlich die Frage: Wie bezahlt ein Student aus dem Hochsauerland die Produktion eines ganzen Buches? "Die Antwort darauf ist ein bisschen blöd", findet Torsten, der nebenbei auch selbst schreibt und mit dem Text Die Traurigen Tapeten in "Sprach:RAUSCH" vertreten ist. "Ich habe mein teures Rennrad verkauft."
Dank dieses und sicher noch weiterer Opfer und seines leidenschaftlichen Einsatzes konnte er seinen Traum verwirklichen. Herausgekommen ist eine 112 Seiten starke Anthologie mit 30 Texten von 18 jungen Talenten, die in unterschiedlichsten Stilen fremde Orte, Menschen und Gedanken beschreiben und beim Leser die verschiedensten Gefühle heraufbeschwören. Sei es die vor Bildern sprühende, verstörende Geschichte Filz von Judith Sombray oder der von Herbert Hindringer eindringlich beschriebene Wendepunkt einer Beziehung in seinem Text Es Fehlt Etwas. Die "Sprach:RAUSCH" Geschichten schaffen es zu begleiten und zu beschäftigen. Sie beeindrucken tatsächlich durch Wortkombinationen und fantasievolle Metaphern, können aber auch einmal ganz schlicht daherkommen. Fast alle sind in Ich-Form verfasst, wie auch Emma & Jonas von Elisabeth Rank, neben Henry von Judith Sombray eine der zwei Fortlaufgeschichten, die aufgeteilt, durchnummeriert und auf das Inhaltsverzeichnis verteilt wurden und deren Figuren so immer wieder im Buch begegnen. Eine schöne, vielleicht verspielte Abwechslung.
Trotz dieser roten Fäden, die sich durch die Anthologie ziehen, funktioniert sie doch auf eine bestimmte Weise am besten und unterscheidet sich so von anderen Büchern. Denn durch die vielen starken Geschichten wird sie ihrem Titel sehr gerecht: Liest man das Buch am Stück, dann rauscht es nur so, vielleicht auch "nur so vorbei". Und um dieser Gefahr zu entgehen, sollte es vielleicht liegen gelassen und hin und wieder zur Hand genommen werden, um sich dann von einem oder zwei Texten beeindrucken zu lassen. So entfaltet "Sprach:RAUSCH" sämtliche Facetten.
Derweil ist auch der Herausgeber beeindruckt: Torsten Woywod freut sich über "durchweg positive" Reaktionen und das gebrauchte Rennrad, das er inzwischen als Ersatz hat. Sein Fahrrad verkauft zu haben, bereut er sicher nicht. Viel wichtiger war ihm, seinen langjährigen großen Traum umzusetzen. Jetzt blickt er glücklich und zufrieden auf das fertige Buch in seinen Händen – aber gleichzeitig auch in die Zukunft. Eine weitere Anthologie ist bereits angedacht.
foto: börsenblatt
torsten woywod (hrsg.)
"sprach:rausch"
torsten woywod verlag 2006
torsten woywod
Torsten Woywod (Hrsg.) [Sprach:Rausch]
Bewusst wurden dem "langjährigen Sprachästheten", wie er sich selbst nennt, Grundlagen seines späteren Konzeptes während der Arbeit als Buchhändler. "Dort fiel mir auf, wie oft Titel großartig von Verlagen beworben werden und letztlich inhaltlich relativ mager sind", beklagt er. Mit all dem Geld, das allein für Werbemaßnahmen "verschwendet" werde, könne man so vielen jungen, unbekannten Autoren eine Plattform bieten, die wirklich schreiben können und ein Buch verdient hätten. Mit diesem Hintergedanken las er in unterschiedlichen Internet Communities wie jetzt.de oder neon-magazin.de die Texte der dortigen User und filterte sich jene heraus, die zu seiner Idee passen könnten.