We vs. Death [We Too Are Concerned]

Gemeinsam gegen den Tod.
Nach viereinhalb Jahren veröffentlicht das Utrechter Sextett endlich ihr Debütalbum. Reich an postrockenden Klängen machen sie mit We Too Are Concerned / We Are Too Concerned aber nicht bei der Musik allein halt.


"no hope for rock, no hope for me."
(jeremiah day)


Allein schon wegen der detailverliebten Gestaltung des Artworks kann man für das Debüt der niederländischen Band eine Kaufempfehlung aussprechen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Dennoch wäre es natürlich reichlich unreflektiert sich vom wunderschönen Klapp Digipak, den beiden Minipostern, der beiliegenden DVD und dem ausführlichen Booklet blenden zu lassen, geht es am Ende doch maßgeblich um die Musik.

"Postrock with Brass", beschreibt sich die Utrechter Band selbst, wobei Ersteres per definitionem Letzteres ja nicht ausschließt. Das Sextett - man selbst rechnet den für die graphische Gestaltung verantwortlichen Roel Dalhuisen als siebtes Bandmitglied ein und weist sich damit klar als ein umfassenderes, Kunst übergreifendes Projekt aus - betrachtet seine Musik als staubigen, sommerlichen Großstadtsound, eine Reminiszenz an Orte, die es laut ihnen in den Niederlanden nicht zu geben scheint.

Ich höre Musik oft emotional, seltener assoziativ, weshalb ich die Großstadt Bezüge nicht gleich erkennen, vielleicht aber doch erahnen kann. Das sehr rhythmische Intro von And How To Translate It, dem ersten Stück des Albums, lässt vielleicht Vergleiche mit urbanem Leben zu, bewegt sich zwischen Hektik und Entspannung. Es wird rasch deutlich, dass man nicht gewillt ist auf stereotype Muster zurückzugreifen, wie man sie von den stilprägenden Epigonen gewohnt ist. Man strapaziert kein leise-laut-lauter Schema und bleibt doch explosiv indem vielschichtig Melodien, Rhythmen und Sounds über die gesamte Länge eines Stückes variiert werden und man als Hörer immer wieder durch geschickt inszenierte Wendungen und natürlich den Klang der Bläser überrascht wird.

Emotional beginnt das Album dennoch erst mit Pictures From Stanford, einem leicht melancholischen Behemoth, der ein Gros der konventionellen Mittel zum Vereinnahmen des Hörers in sich vereint; die leicht verzögernd einsetzende Trompete, das etwas wehmütige Grundthema der akustischen Gitarre, die wechselnden Tempi des mal dezenten, mal treibenden Schlagzeugs, die kleinen Klangspielereien, die es zu entdecken gibt. So vereint es die unterschiedlichen Spielweisen und Ideen des gesamten Albums als Collage in sich. Das herausragendeste Stück des Albums ist vielleicht das nachfolgende Snow Cushioned The Fall mit seinem elegischen Piano Thema und dem zaghaften Dialog der beiden Gitarren. Ähnlich beeindruckend ist auch das äußerst reduzierte One Light Will Do, mit seinen zweieinhalb Minuten auch die kürzeste Komposition. Gerade diese zurückhaltenderen Momente, die intime Intensität widerspiegeln, zeugen nicht nur von einem hohen Grad an musikalischer Reife, sondern auch von einem sensiblen Gespür für Schönheit und Anmut. Sie sind den hektischeren, lauteren Kompositionen wie Thomas Corner And The Valley Houses oder (Yes,) We Went To Novgorod klar überlegen und lassen den Hörer für kurze Augenblicke an diese verzweifelt optimistische Maxime des Bandnamens glauben; We vs. Death. (Bestimmt tut die selektive Wahrnehmung meiner emotionalen Hörgewohnheit und der daraus resultierenden Erwartungshaltung ihr übriges.)

In den drei, dem Album beiliegenden Videos werden mit schnellen Schnitten urbane Architektur und stille Naturaufnahmen eindrücklich kontrastieret; Hektischen und schier unendlichen Autofahrten durch lange Strassen einer nächtlichen Großstadt, mit all den blinkenden Lichtern und anonymen Plätzen, werden langsame Kamerafahrten vorbei an alten, winterlich kahlen Bäumen gegenübergestellt. (Für alle Videos wurde das gleiche Bildmaterial verwendet und jeweils neu zusammengeschnitten, weshalb es so mehr an eine Videoinstallation als an die konventionell narrative Bildhaftigkeit von Musikvideos erinnert.)

Dennoch sind die Herren besorgt, ist "Concerned" der zentrale Begriff der beiden unterschiedlichen Betonungen des Debüttitels; "We Are Too Concerend", bzw. "We Too Are Concerned". Die Linernotes des Albums greifen diese Frage nach dem Betroffen-Sein auf, konkretisieren sie in sechs kurzen Kapiteln. Jeremiah Day, so der Name des Verfassers, stellt in seinen kurzen Anekdoten popkulturelles Wissen in gesellschaftlichen und politischen Kontext. Der Biker, den man zunächst wegen des "Boys N The Hood" Shirt Aufdrucks für einen HipHop Fan hält, bei näherer Betrachtung jedoch "The Boys N The Hoods" zu lesen ist. Ronald Reagan, der den kritischen Song Born In The USA von Bruce Springsteen unreflektiert für seinen Wahlkampf verwendet und die Kritik eines konservativen Rock Hörers bei Amazon.com, der sich über den kruden Gesinnungswechsel vom "Boss" ärgert, nachdem dieser - früher doch so patriotisch – heute offiziell gegen die republikanische Regierung unter George Bush wettert. Aspekte einer kurzen, aber kompetenten Auseinandersetzung mit der Rezeption von Pop im Alltag und dem notwendigen Wissen zum Entschlüsseln der popkulturellen Codes. Auch hier wird deutlich, dass es We vs. Death um mehr als ihre eigene Musik geht. In dieser Hinsicht ist "We Too Are Concerned / We Are Too Concerned" ein äußerst ambitioniertes Konzeptalbum zwischen Musik, Artwork, Videoinstallation und Wortbeiträgen und sollte jeden dazu bewegen die Band in nächster Zeit im Auge zu behalten.
illustration: martin boehnert



we vs. death
"we too are concerned / we are too concerned"
zabel muziek 2006 cd
we vs. death