Dana Bönisch [Rocktage]

Der Debüt Roman der jungen Studentin der Literaturwissenschaften spielt in einer Welt, in der die titelstiftenden Rocktage solchen stereotyp gegenüberstehen, die Gummispülhandschuhtage lauten.



"die liebe in der zeit der maul-, und klauenseuche."
(dana bönisch)


Rocktage ist der Debütroman von Dana Bönisch und behandelt in seinem sehr eigenen Stil einen Lebensabschnitt den viele kennen: das Leben eines jungen Menschen Anfang zwanzig, der sich gänzlich anders sozialisiert zu haben scheint, als es die Diktatur des medialen Mainstream für einen jungen Menschen vorgesehen hat. Tobias Puck lebt in der Zeit nach dem Abitur und im Anfang seines Studiums und trägt in sich die schwere Last der Suche nach einem Sinn und der grenzenlosen Sehnsucht nach dem Leben. Alles Dinge die man selbst irgendwann in sich transportiert hat oder dabei ist sie in sich auszufechten. Tobias Puck, der von allen stets auf seinen nach Sommernachtstraum klingenden Nachnamen reduziert wird, lebt in einer Welt die sich in zwei Möglichkeiten aufteilt: es gibt Rocktage und es gibt Gummihandschuhspültage. Die Ersteren repräsentieren das, was sich Puck unter dem Leben vorstellt, die letzteren stellen die Unerträglichkeit der Realität dar, wie sie schmerzlicher nicht sein können. Und diese sind in der Überzahl. Zwischen diesen beiden Aggregatszuständen des Seins balanciert Puck durch sein Leben, beseelt von einem sehr übersichtlichen Freundeskreis der ihn gänzlich missverstehen zu scheint, seiner Mutter mit ihrem neuen Lebensgefährten, dem Kioskbesitzer Herrn Hürdiye, und den Gefühlen die ihn immer wieder Auftrieb auf der Suche nach Zielen seiner Sehnsucht machen. Dann trifft er eines Tages Gwen, ein Mädchen, welches genauso zu fühlen scheint, und in die er sich vom ersten Anblick an unsterblich verliebt. Rocktage.

Dana Bönisch hat eine Welt in ihrem Roman erschaffen, die, wenn der Name Kafka fallen würde, nicht Franz sondern Markus meint. Der Protagonist lebt und verzweifelt in der Medienhochburg Köln an Werten, die er sich in seinem Leben selbst aufgelegt hat, und die alles ihn Umgebende zu zerstören ersucht. Das Sehnsuchtsmoment aus den Leiden des jungen Werther scheint mit den Ausbruchsversuchen aus der künstlichen Welt die Jim Carreys Charakter Truman im gleichnamigen Kinofilm veranstaltet, verschmolzen zu sein. Hochkultur trifft Popkultur. Puck fühlt sich stets so, als würde ihn eine Kulisse umgeben, die man ihm immer wieder aufs Neue versperrt, wenn er einen neuen Versuch startet, sie zu durchbrechen, um an das wahre Leben dahinter zugelangen. Ein großes Thema, welches sich die junge Autorin ganz bestimmt nicht dadurch erleichtert hat, dass sie das Leben durch die Augen eines Jungen betrachtet. Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit.

Die Autorin verspielt Mal um Mal die Chance einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit dem Thema, zu Gunsten von oberflächlichen Gefühlsausbrüchen, ihrer Art die Interpunktion neu.zu.gestalten oder desolaten Wortkonglomeraten wie Gitarrenwandglücksschutzpanzer. Motive werden entwickelt, Metapher erschaffen, bleiben dann jedoch unberührt, während der langatmigen Beziehungsentwicklung zwischen Puck und Gwen, und die Autorin beschäftigt sich erst zum Ende hin nur unzulänglich mit ihnen. Auf diesen wenigen letzten Seiten entfaltet die Geschichte eine neue Perspektive, einen neuen charakterlichen Aspekt, welchem mehr Aufmerksamkeit hätte geschenkt werden sollen.

Und dann ist da noch das Identitätsstiftende Motiv der Musik. Dieses Thema der immensen Wichtigkeit dieses als Hobby verunglimpften Lebensinhaltes ist schwerlich zu beschreiben, wenn man nicht gerade Nick Hornby heißt. Auf dem neuen Album der Sportfreunde Stiller singen diese ironisch "Jetzt zum allerletzten Mal, wir waren nie die erste Wahl", und genau das ist der Punkt. Bönisch scheint Puck von dem vermeintlichen Hauptstrom der popkulturellen Wahrnehmung abgrenzen zu wollen, nur um seine Wünsche und Hoffnungen doch auf Texten der Songs basieren zu lassen, die sich in dem Spalt angesiedelt haben, welchen die Musikindustrie eröffnete, als man bemerkte, dass sich ein neuer, ertragreicher Markt jenseits des gecasteten Irrsinns erschließen ließe. In sakramentalem Eifer entdeckt Puck einen hell leuchtenden Stern am Himmel und Peter Brugger erscheint ihm als Prophet, woraufhin er das Bizarre Festival bereist, als wäre es sein Mekka, nur um die schmerzliche Erfahrung machen zu müssen, dass sein Messias (Ash Frontmann Tim Wheeler) ihm nicht den Weg zur Ewigkeit beschreiben kann. Eine überzogen unecht wirkende Religiosität, welche der Musik, oder vielmehr ihrer vermarktenden Umgebung aufgebürdet wird, hinterlässt einen unangenehmen Geschmack auf der Zunge
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dana bönisch
"rocktage"
kiwi 2003