I Harth Darth [The Dark Side Is The Best Sauce]

A long time ago, in a galaxy far, far away...
Ein kleines, unbedeutendes Webblog, dass kurze Geschichten mit schemenhaften Figuren erzählt, gewinnt ohne jegliche Promotion binnen zwei Wochen über 5000 Leser.


"darth? darth? please turn off your helmets itunes when i'm talking to you!"
(imperator palpatine)


Für eine ganze Generation bedeutete Star Wars Alles, für eine weitere kann es nicht mehr bedeuten, als drei hoch produzierte Filme mit geringem Handlungsspielraum im Kanon der Spezial Effekte Hollywoods. Dennoch wurden die Erwartungen, vor allem zu Beginn der Prequels so enorm in die Höhe geschraubt, dass ein einfacher Film diese niemals hätte befriedigen können. Der amerikanische Regisseur und Schauspieler Kevin Smith beklagte kürzlich argwöhnisch im Rolling Stone Magazin eben jene zynisch, freudlosen Fans, "die mit der Erwartung an die Prequels marschieren, Lucas solle ihnen ihre verlorene Star Wars Jugend wiedergeben". Smith, selbst Fan des lucasschen Universums, überträgt in den Filmen seiner New Jersey Trilogie, wie "Chasing Amy", "Clerks" oder "Dogma", die Star Wars Mythologie in subtilere Betrachtungsebenen. In "Clerks" etwa diskutieren die beiden Hauptdarsteller über den Tod unzähliger unschuldiger Handwerker, Klempner und Elektriker, als die Rebellen in "Episode IV : Eine Neue Hoffnung", den noch im Bau befindlichen Todesstern des Imperiums zerstören. "Okay, stell dir mal vor: Du bist ein selbstständiger Elektriker, und dann kommt da dieser fette Regierungsauftrag daher. Du hast Frau und Kinder, und dieser Regierungsauftrag macht für dich und deine Familie vieles leichter. Und dann tauchen aus heiterem Himmel linksradikale Rebellen auf, feuern ihre Laser auf dich ab und löschen jedes Leben im Umkreis von drei Meilen. Du hast nicht darum gebeten! Du hast mit Politik nichts am Hut! Du willst einfach nur über die Runden kommen! Opfer eines Krieges, mit dem sie nichts zu tun hatten."

Auf dieser Metaebene der Diskussion über Star Wars bewegen sich auch die kurzen Comic Strips von I Harth Darth, wobei hier ein gewisser Sarkasmus und Zweckpessimismus im Vordergrund stehen. Die ganze Idee hinter den Comics basiere ein wenig auf dem Zynismus den man entwickeln musste, als man in Episode I nahe gelegt bekam, dass Anakin Skywalker aus der alles umgebenden Macht heraus entstanden und von einer Jungfrau geboren wurde, so wird mir in einem kurzen Interview erklärt. In jeweils fünf Panels wird eine kurze, anekdotenhafte Parodie auf die ein oder andere Szene der gesamten Saga erzählt, oder – der weitaus gelungenere Teil – werden die Charaktere aus dem eigentlichen Handlungsstrang herausgenommen, und in einem gesellschaftlichen Kontext des 21. Jahrhunderts gestellt.

Die Comics sind mit der Maus am PC gezeichnete Skizzen, und werden mit Sprechblasen und Texten versehen. "It all takes about 8 minutes." Vielleicht geht die Idee hinter I Harth Darth auch gerade vor dem Hintergrund der Special Effekt Exploitation der neuen Episoden von George Lucas auf, bei welchen dieser bis an die Grenzen des guten Geschmacks stößt. Der slapstickhafte Humor basiert selbstverständlich zu einem gewissen Anteil auf Insider Wissen, andererseits werden den Charakteren befremdliche Worte und Einstellungen in den Mund gelegt, welche selbst den Imperator sehr menschlich wirken lassen. Etwa wenn es ihm gelingt, Anakin für die dunkle Seite zu gewinnen; ("Save your wife? Phenomenal cosmic power? Red Lightsaber? – OMG! Sign me up!") Besonders gelungen scheinen die beiden retrospektivischen Analysen der Episoden I und II, welche vor allem durch die seichte Handlung und Dialogregie kritisiert wurden. In "Episode I : A RETROSPECTIVE" etwa, wird die gesamte Handlung auf den absurden Gedanken kompremiert, dass die bereits pubertierende Königin Padme, sich in einen blondschöpfigen Fünfjährigen verlieben soll.

Die deplazierten Alltagsbeobachtungen, zu denen sich die Star Wars Charaktere äußern machen den Humor der kurzen Comics aus. "Wenn ich ehrlich bin sprechen die Charaktere meistens in der Weise,i harth darth wie ich spreche", bekomme ich zu hören, als ich nach der Idee frage. "Ich denke, ich habe mich sogar während dem Film zu meinem Nachbar herübergebeugt, und eben genau diese Zeilen gesagt, die ich jetzt für die Comics verwende. Es steckt nicht viel Methodik hinter all den Geschichten. Das bin einfach ich, wie ich bin." Binnen weniger Wochen sprach sich das Blog herum, in dem die Geschichten um den jungen Anakin Skywalker, der in seiner Darth Vader Rüstungen iTunes vorinstalliert findet und immer wieder mit seiner Roboclaw experimentiert, ein bis zweimalwöchentlich veröffentlicht werden, und hat jetzt eine treue Fangemeinde mit über 5000 Mitgliedern. Die tatsächliche Anzahl der Mitglieder ist fraglich, da der Webcounter bei 4996+ mit seiner Zählung endet. "Ich erwartete niemals einen solchen Enthusiasmus, da die Comics ursprünglich eine Art Insider Scherz für mich und drei Freunde waren. Und ich habe es auch bis heute noch nicht richtig verstanden."

Die Person hinter den Comics hüllt sich in verschwörerische Anonymität. Darth Harth oder Harth Darth, wer auch immer dahinter steckt, begründet diesen Abstand damit, dass er oder sie nicht möchte, dass man "aufgrund von ein paar dummen Zeichnungen auf meine anderen, weitaus persönlicheren Projekte im Web stößt. Mich verwirrt das alles, je mehr die Community wächst. Ich bevorzuge die Anonymität, da so der Humor innerhalb der Comics bleibt, ohne sich mit Persönlichkeiten dahinter zu beschäftigen."

Bei einer steigenden Beliebtheit und der systemimmanenten Verbreitung durch Hyperlinks im Netz, ist es nur eine Frage der Zeit, wann George Lucas selbst auf die kleine Comic Reihe stoßen wird. "Ich denke, als Fanart sind die Comics akzeptabel." Es handle sich lediglich um Satire und es werde auch nicht beabsichtigt Geld damit zu verdienen. "Sobald ich jedoch eine Mahnung von LucasArts erhalten sollte, würde ich jeder Zeit damit aufhören."

In der Hoffnung, dass dies nicht so bald geschehen wird, betrachten wir den wohl beliebtesten Bösewicht der Filmgeschichte weiter, und erfahren mehr über ihn, sein Interesse an Spaziergängen am Strand, iTunes, seinen beiden Kindern und der dunklen Seite der Macht. And That’s why we ♥th Darth.
foto: i harth darth


i harth darth
webcomic
63 folgen, juni - oktober 2005

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Olli Schulz Und Der Hund Marie [Das Beige Album]

Seiltanz mit Hund.
Das beige Album von Olli Schulz und der Hund Marie ist zwar nicht das weiße Album der Beatles, hat aber seine ganz eigenen Vorzüge.


"denn wenn du bei mir bist, die zeit mit mir vergisst,
dann ist das ein gefühl, als wenn das glück mich küsst.
"
(bettmensch)

Die Virtuosität eines Seiltanzes kann man schlecht bestreiten. Graziöse Bewegungen, halsbrecherische Sprünge und immer die Gefahr zu fallen, rauben uns dem Atem. Seiltänzer erscheinen meist unwirklich, kann es doch nicht möglich sein, dass Menschen sich in Schwindel erregender Höhe in Gefahr bringen, und das ganze auch noch freiwillig.

Doch eigentlich ist es im gewöhnlichen Leben ja nicht anders. Denn trotz festem Boden unter den Füßen gilt: wer sich nicht halten kann, der fällt. Ständig lauern Gefahren, die uns besagten Boden und den Füßen wegreißen können, wie ein starker Windstoß dem Tänzer sein Seil. Es sind alltägliche Gemeinheiten, peinliche Fehler oder ach so oft die große Liebe, die uns vor den Kopf stoßen und uns umschmeißen. Doch da es dort unten nicht sonderlich behaglich ist, stehen wir wieder auf. Und wieder auf und wieder auf.

Olli Schulz hat diese Erfahrung bereits gemacht, hat in seinen 30 Jahren Lebenszeit schon einige Fehler gemacht und dabei doch nie seinen Mut zum Aufstehen verloren. Denn "trotzdem ist er irgendwo angekommen", singt trotzdem "zuversichtlich seinen Song". Jetzt Gerade Bist Du Gut ist eine Perle des neuen "Beigen Albums" von Olli Schulz und der Hund Marie und gerade gut, das ist er wirklich.

Trotzdem, ein bisschen spaltet der kleine Mann mit dem sympathischen Akzent die Geister: die einen halten ihn für einen begnadeten Geschichtenerzähler und tief schürfenden Musiker, die anderen finden ihn eigentlich nur albern. Und überhaupt, der Hund Marie? Dieser heißt in der wahren Welt Max Schröder, ist vielschichtiger Musiker und trägt manchmal auf der Bühne ein Hundekostüm. Und hat außerdem ein Talent dafür, Ollis Songwriter Stärken zu optimieren.

"Manchmal singt man Lieder, die hält man selbst kaum aus."

Die Kluft zwischen anspruchsvoller Alltagstragik und fast schon peinlichem Scherzen kann man wirklich erahnen, wenn Olli beispielsweise in The Message eine Mitteilung in schlechtestem Englisch macht, die so albern ist, dass sie ihm wohl irgendwann selbst zu blöd wird. Doch Olli Schulz und sein Hund Marie halten die Balance zwischen Tragikomik, aufrichtigem Herzschmerz und abstruser Komik. Kein Mensch kann wie er über Affenbären, Plastiktüten und Pyjamas singen, ohne dabei albern oder kindisch zu klingen. Der frühere Roadie von beispielsweise Peter Maffay schafft geschickt eine gelungene Mischung aus zarten Songs über Liebe, Sehnsucht oder die kleinen Glücksmomente des Lebens und "den Mut, es mit allem Schwachsinn, den dieser Planet zu bieten hat, aufzunehmen". So sind einerseits eindringliche Balladen auf dem "Beigen Album", wie das unter die Haut gehende Der Film Beginnt ("Nimm es hin, es macht Sinn, die besten Szenen kannst nur Du sehen") oder das traurig-schöne Lange Was Defekt, welches allein mit Gitarre begleitet den schmerzhaften Untergang einer Liebe erzählt. Ein wenig eigenartig kommt der Affenbär daher, welcher angelehnt an den Hasen Harvey aus dem 1950er Film "Mein Freund Harvey" als unsichtbarer Freund den "erfolglosen Songwriter 'Stube'" begleitet. Das mag albern klingen, heraus kommt jedoch ein poetischer Song über Einsamkeit und Freundschaft. Neben diesen eher ruhigeren Nummern gibt es andererseits aber auch Songs, zu denen man ungestört gemeinsam mit dem Klappskalli, oder wie die wieder aufgeweckten Leichen in Jetzt Gerade Bist Du Gut durchs Zimmer tanzen kann. In Dann Schlägt Dein Herz singt Olli zwar, dieses Land sei "nicht für Rock 'n' Roll gemacht", die Band beweist mit ihrer bluesigen Rockmusik aber das Gegenteil. Und wer nach der Ankunft Der Marsianer, dem selbsternannten schnellsten Countrylied der Welt, immer noch nicht überzeugt ist, gehört eben zu den Bösen und wird vom Superhelden Bettmensch - halb Bett und halb Mensch - verschlafen. Ach nein, bestraft.

Das "Beige Album" ist ein ehrliches Album, dessen besonderer Charme gerade in der Kombination aus Ernsthaftigkeit und Komik liegt. Vielleicht sind, ähnlich dem Bettmensch, gerade die Schwächen seine Stärken. Ohne Frage ist Olli Schulz jedenfalls der neue alte Stern des Grand Hotel van Cleef und uneingeschränkt zu empfehlen. Die Welt bräuchte mehr solcher sympathischer Songschreiber, die sich selbst und die Welt nicht zu wichtig nehmen, trotzdem die Herzen bewegen und dabei so natürlich sind, dass man sie gerne als Nachbar hätte.
Wer behauptet da noch, Hunde könnten nicht seiltanzen?
foto: felix gebhard



olli schulz und der hund marie
"das beige album"
grand hotel van cleef 2007 cd
olli schulz und der hund marie

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Sonntag Nachmittag

Sonntag Nachmittag.
Eine monatliche Fotokolumne von Manuel Kaufmann.





"Ich finde es einen faszinierenden Gedanken und ich weiß nicht, ob er Dir schon mal kam, dass wir uns momentan in einem bemerkenswerten Zeitalter befinden: Zu keinem Zeitpunkt gab es auf der Welt mehr Bilder als jetzt. Und die Zahl der Bilder ist in den letzten und wird in den nächsten Jahren exponentiell steigen. Dank der Digitaltechnik. Die quantitative historische Entwicklung des Bildes ist äußerst spannend, vor allem weil Quantität direkt mit Qualität zusammenhängt. Die Zahl ist nicht nur so hoch, da es viel simpler und für Jedermann machbar ist in einer Sekunde 100 Bilder zu machen, sondern auch, weil es sehr viel unproblematischer ist ein Bild per Knopfdruck tausendfach zu kopieren. Dadurch steigt auch die Überlebenswahrscheinlichkeit um ein zigfaches. Alte Meister müssen auf das Penibelste vor dem Zerfall bewahrt werden, während der durchschnittliche Familienvater ein Bild vom ersten Erbrochenen seiner Tochter mit einem Klick an alle Mitglieder von TSV Helmstedt verschickt. Man könnte meinen, dass das einen größerer Prozess an Familiarität und Hinwendung zum privaten zur Folge habe (unsere Kinder werden die ersten sein die ihre Urgroßelterngeneration in Stereo und in Farbe zu Gesicht bekommt), wäre da nicht die direkte Verknüpfung von Qualität und Quantität. Meine These: ein Bild ist nicht ein Bild. Sondern ein Bild ist ein Wahrnehmungsprozess. Nur wenn dieser glückt, kann erst das Bild glücken. In einer Galerie in Halle wird derzeit montags kleinen Gruppen angeboten eine Ausstellung zu besuchen unter der Bedingung sich ein Bild auszusuchen und es eine Stunde zu betrachten. Liegen stehen bereit. Trotz aller Bashmassenflut Affinitäten, trotz des unglaublichen Fundus an privaten und voyeuristischen Annehmlichkeiten ist doch gleichzeitig das Dilemma unserer Zeit, dass dem Wahrnehmungsprozess keine noch so kleine Chance eingeräumt wird stattzufinden. Und zwar richtig stattzufinden, da ihm auf fotocommunity.de tausend kleine Thumbs entgegen rufen "nimm mich, nimm mich" und er spätestens nach den ersten fünf Bildern nur noch wahllos durch die Gegend klickt um ein stummes "gut" oder "schlecht" von sich zu geben und nach dem Zwanzigsten frustriert nach Hause geht. Um dem entgegen zu wirken gibt es auf lichter eine Serie zu einem Thema in einem Monat. Denn was man braucht sind nicht primär gute oder schlechte Bilder (falls es so etwas überhaupt gibt, ich habe meine Zweifel), sondern solche die wahrgenommen werden können. [...]"

Text: Manuel Kaufmann
Foto: Manuel Kaufmann

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