BootBooHook Festival [21. + 22. August 2010, Hannover]

Natürlich war die zuletzt geschriebene Ankündigung nicht nur ein bisschen Werbung, sondern auch eine Hypothese – und ein bisschen Hoffnung. Das BootBooHook hat sich der Prüfung unterzogen und sich, zumindest auf das Nötigste, bewährt.

„BootOoKooHooTooHook – or what?“ (Ninja, The Go! Team)



Unser Festivalwochenende beginnt nicht mit der euphorischen Bändchenabholung. Es beginnt mit dem Drücken der Klingel an einer Neuner-WG, denn: Das BootBooHook ist nur mit raren Campingplätzen ausgestattet, und weil das Campingticket auch noch studentischruinöse acht Euro extra kostet, haben wir uns fürs Couchsurfing entschieden, wobei man bemerken muss, dass wir eigentlich nicht so richtig wussten, auf welchen Host wir uns da einlassen.

Letzteren bekommen wir während des Wochenendes in Hannover in der Wohnung auch gar nicht zu Gesicht, dafür einige andere nette Menschen, die WG ist eigentlich eher ein persönlich eingerichtetes Hostel als ein persönlich belebter Raum – und ist und bleibt deswegen harte Konkurrenz für das schnuckelige Festival, wegen dem wir ja eigentlich von Berlin hierher getuckert sind. Nach Niedersachsen.

Dafür treffen wir auf dem Gelände, das wenige Minuten von unserer Unterkunft entfernt mitten im Studentenviertel Linden liegt, gleich ganz viele Freunde. Das ist ein undiskutierbarer Vorteil jeglicher kleiner Festivals, und auch der Grund aus dem ich sie einfach lieber mag als ihre großen Brüder. Die Musik wird, wie auf jedem Festival, ziemlich schnell eine besonders schöne Nebensache; das Publikum, auf dessen großer Anteil die Bezeichnung Hipster unüberraschenderweise sehr gut passt, die Location, die alte Bettfedernfabrik zwischen Wohnhäusern in Straßen, auf denen kleine türkische Kinder fangen spielen, und der Pizzastand sind mindestens genauso interessant. Wir verlieren uns schnell im Strudel des verlaufenden Tages, der mit Sonne gesegnet ist, und die Auftritte von Friska Viljor und The Notwist rauschen auf der Hauptbühne an uns vorüber. Sie sind legendär feuerwerksähnlich wie erwartet (und erhofft) und fabrizieren Gänsehaut sogar in den Gesichtern.

Als wir am nächsten Mittag ausgeschlafen und gutgelaunt zu unseren Bekannten treffen, die noch verkatert zwischen den Zelten hocken, gibt es Neuigkeiten, die ganz offensichtlich die Stimmung trüben: Nachts hat es Diebstähle gegeben, ganze Zelte wurden komplett ausgeräumt, Wertgegenstände wurden teilweise trotz Anwesenheit der Schlafenden aus den Zelten geklaut – zumindest ist es das, was gemunkelt wird. Jetzt gibt es mehr Ordner und mehr Zäune, die Organisatoren sind selbst schockiert und tun ihr Bestes; das muss man ihnen zugestehen. Es kann wohl nur besser werden. Wir werfen uns eindeutige Blicke zu: Unser Host klaut nicht. Es lebe das Couchsurfing.

Als wir neben der Hauptbühne das erste Bier erwerben, kommt statt Bambi Kino Teles Frontsänger, Francesco Wilking, auf ebendiese. Bambi Kino fallen aus, aber der Ersatz ist nicht schlecht, also: Alle zufrieden. Bernd Begemann hebt befreiend die Stimmung noch weiter hoch, denn er ist lustig und dreht ganz nebenbei auf dem BootBooHook den Trailer für den Bundesvision Song Contest, an dem er dieses Jahr augenscheinlich aktiv beteiligt ist. Dafür muss das Publikum sich natürlich von seiner besten Seite zeigen, deswegen ziehen wir uns mit unseren Pornobrillen in den Schatten zurück und jubeln von weiter hinten.

Den ganzen Nachmittag verbringen wir auf der großen, vollen Wiese vor der Blue Stage und freuen uns ganz besonders über The Go! Team: Die Briten beweisen wieder einmal, dass Gott sie auf der Bühne sehen will. Während der ersten drei Lieder ist Fotografieren im Graben erlaubt, und natürlich können es nur fantastische Bilder werden. Diese Frontsängerin! Sie kann nicht von dieser Welt sein. Ihre Energie ergreift die leuchtenden Gesichter der Menge, die fasziniert von unten heraufstarren und gar nicht verstehen, wieso ihre Beine sich ganz von selbst bewegen.

Die „Atmo“, wie Frank Spilker (Die Sterne) sagt, verändert sich, sobald Hot Chip die Bühne betreten – natürlich, die Jungs sind eben keine Ninjas, aber die Musik wirkt erfüllend und irgendwie befriedigend. Kurz bei Fertig, Los! Reingehört, zwei Lieder genügen, wir sind glücklich. Wir denken, nach diesen Auftritten kann es eigentlich nur schlechter werden, denn eine Steigerung ist kaum noch möglich – und leider haben wir auch Recht damit. Denn von der übrigen Musik sehen wir nicht mehr viel.

Die Hauptbühne wird geschlossen. Ein Hereinkommen in die Green Stage, die Bratze und Egotronic bereichern sollen, ist schier unmöglich. Wir versuchen es zwischen 24 und 3 Uhr ständig, aber die Schlange wird nur länger. Bratze wird, spontan scheinbar, auf eine Leinwand übertragen, die auf der Hauptbühne draußen hängt, aber wegen der Anwohner wird der Ton auf kaummehrhörbar gedreht. Wie sie aussehen wissen wir doch.

Tatsächlich schaffen wir es kurz bevor Egotronic Good-Bye sagen doch noch, uns irgendwie hereinzuquetschen, und das Quetschen hat sich gelohnt. Egotronic überziehen als könnten sie unsere Gedanken lesen, und wir kommen in den Genuss eines fast kompletten Konzerts. Wir kommen verschwitzt und euphorisiert zurück in die WG und freuen uns, dass wir am nächsten Tag an einem riesigen Tisch in Ruhe frühstücken können und kein Zelt abbauen müssen. So ein Festival mitten in der Stadt stellt alle anderen in der Pampa in den Schatten.

Tapete Records, die das BootBooHook-Festival dieses Jahr zum dritten Mal auf die Beine gestellt haben, entschuldigen sich auf ihrer Homepage offiziell für alles, was so schiefgelaufen ist. Natürlich läuft auf einem Festival immer etwas schief, aber meistens ist es vor allem das Wetter, zumindest in dieser Hinsicht ist das BootBooHook 2010 davongekommen. Aufgrund des Staus vor der Green Stage soll zu 2011 das Konzept nochmals stark durchdacht werden; was das für das BootBooHook, das sich ja gerade durch seine Lage und die Location definiert und außerhalb dieser Gemäuer kaum vorstellbar ist, bedeutet, wird sich wohl in naher Zukunft klären. Wie auch immer: Solang sich der tolle Name nicht ändert, werde ich auch nächstes Jahr wieder dort sein.

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Ankündigung: BootBooHook Festival [Hannover, 20.+21.08.2010]

Aller guten Dinge sind drei. Das BootBooHook wird beim dritten Mal nicht nur gut, sondern immer besser: In aller Hinsicht steigert sich das Festival in der Hannoveraner Innenstadt im Vergleich zum Vorjahr.



„Boot Boo Hook! Boot Boo Hook!“

(Montag, BootBooHook 2009)


In Linden-Nord, dem alternativen Studentenviertel der niedersächsischen Hauptstadt, wackeln in einer Woche die Wände. Direkt neben Supermärkten, Dönerbuden und der Straßenbahnhaltestelle findet – versteckt und geschützt – ein Festival statt, das immerhin 5000 Leute und 32 Bands beherbergen kann. Im Gebäude einer alten Bettfedernfabrik, der FAUST, finden drei Bühnen Platz für alteingesessene, kleine, große, neue, laute und leise Bands.

Dabei aufzuzählen sind zum einen Hot Chip, pflichterwähnenswert, wenn es um die britische Electroszene geht. Mit ihnen ziehen The Notwist, Die Sterne, Friska Viljor, Anajo und Superpunk aufs Gelände; Tocotronic und Bonaparte ließen sich 2009 unter anderem blicken. Bratze müssen angesichts ihrer Festivalauftrittsrate 2010 kaum erwähnt werden – der Auftritt von Bernd Begemann & Die Befreiung ist da doch eher überraschend, wenn man bedenkt, dass Herr Begemann ja eigentlich nicht nach Hannover wollte. Egotronic pumpen den Bass durch die Boxen. Als bunt, aber fein darf man diese Veranstaltung durchaus beschreiben.

Organisiert wird das Festival vom Label tapeterecords, die natürlich auch einige ihrer Schützlinge, die bereits Erwähnung gefunden haben, voraus schicken. Wie auch Men Among Animals, die sich schon auf dem Rokskilde beweisen konnten, beehren Bambi Kino das Festival mit einem Besuch. Diese Band, die sich aus ehemaligen Mitgliedern von Nada Surf, Maplewood und Cat Power zusammensetzt, interpretiert die Beatles neu: Vor dem Festival spielen sie in Hamburg die originale Setlist des ersten Hamburg-Gigs der Beatles am 17. August 1960.

Für nur 41 Euro (inkl. VVK-Gebühren) darf man, vorausgesetzt man verzichtet auf einen Fleck für sein Zelt, das Spektakel bewundern, für acht Euro mehr ist man einer der Auserwählten, die den Campingplatz direkt an der Ihme nutzen dürfen. Wer die acht Euro sparen will, kann sich auf der Website eine Liste billiger Hostels und Jugendherbergen runterladen – dort gibt es auch die Tickets, bei spät-dranner Ticketbestellung empfielt sich aber doch der Kauf an örtlichen VVK-Stellen.

Es darf gebootboohookt werden!
Und hoffentlich sieht man sich dann dort.

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Herpes [Das Kommt Vom Küssen]


"Herpes? Hatte ich auch schon mal. War keine gute Erfahrung!" Heute wird das alles anders. Versprochen.




"wir tanzten bis zum ende / zum herzschlag der besten musik / jeden abend jeden tag / wir dachten fast es wär ein sieg." (fehlfarben, "das war vor jahren")


Alles dreht sich. Wirklich alles. Ich stehe nur stumpf herum und staune. Über das, was dort passiert. Über die Reibungswärme im Publikum. Die zuckenden Leiber. Die Punks. Die Mädchen. Über die, die noch nicht genug bekommen haben vom Bier und nochmal nachlegen müssen. Und über die, die noch immer über den Namen der Band kichern: "Herpes? Hatte ich auch schon mal. War keine gute Erfahrung!“ Heute wird das alles anders. Versprochen.

Mit dem ersten Basston schmilzt der Raum zwischen Bühne und Tanzfläche. Wird immer kleiner. Verschwindet. Es wird noch eilig zugeprostet bevor die ersten quietschenden Turnschuhe auf dem Parkett eine Art Tanz hörbar machen. Überlagert werden diese ersten Gehversuche im Saal von Herpes und ihrem hysterisch-verspulten Artpunk, der sich Note um Note aus den Boxen schält und dabei immer wieder an 30 Jahren Musikgeschichte nach Punk vorbeischrammt: Von Devo die Reduktion, von den Fehlfarben die Gleichsetzung von Banalität und Politik, von der neuen deutschen Welle die Ironie. Herpes verwuseln diese Elemente auf Das Kommt Vom Küssen in zehn Songs, die so dringlich daher kommen als hätte man schon immer auf sie gewartet. Mit den Fehlfarben und 1000 robota teilt man sich nun auch das gleiche Label (Tapete), worauf man sicherlich sehr stolz sein wird. Für die Erstgenannten und das sollte man durchaus als Kompliment auffassen, dürfen Herpes sogar als Support einspringen.

Herpes haben sich also für 2010 prächtig positioniert. Und dennoch: sieht man von diesen ganzen internen Labelbefruchtungen und dem zunehmenden Fahrtwind ab, mit dem die Berliner auf der Spree in Richtung Ozean schippern, so ist dieser ganze Trubel keinesfalls unbegründet. Auf Tapete blüht ein Pflänzchen, das sich arg nach einem größeren Topf sehnt. Da passt einfach alles: der PR-Gag mit dem Namen, zusammenhängend damit, all die ganzen Infektionsmetaphern, die sich herrlich in Sätze packen lassen und letztlich auch die druckvollen Songs.

Weniger ist mehr. Und besser.

Sinn macht auch der musikalische Ansatz von Herpes. Dieser dreht sich um die Pole Reduktion und Verdichtung. Ein Kniff, den auch schon Devo vom Punk und Dadaismus gelernt und noch weiter verfeinert haben. Gut, dass das heute auch noch funktioniert. Doch wohingegen Devo den Minimalismus zum alleingültigen Prinzip erhoben haben, ist die Verkürzung bei Herpes nur ein Versatzstück aus einem großen Ganzen und fungiert als ausbalancierte Betonfläche für die hysterischen Worthülsen von florian pühs, der es versteht Intelligenz und Banalität auf kongeniale Weise miteinander zu verbinden. Pühs bettet zweckentfremdete lebensphilosophische Phrasen in Sätze, welche keine Angst vor Milieus oder Klischees haben. Und obgleich Zeilen wie "Der Kühlschrank ist leer / und ich nehm alles schwer" (Verzettelt) im ersten Augenblick den Reim-Dich-Oder-Ich-Hau-Dich-Knopf zum Aufleuchten bringen werden, so stimmig sind diese Floskeln im musikalischen Kontext. Denn was bei dieser Reduktion übrig bleibt ist das Wesentliche, in das sich auch keine Metaebene mehr einziehen lässt. Was gesagt werden soll, wird gesagt. So deutlich wie möglich.

An anderer Stelle ist genau das Gegenteilige der Fall. Während Synthesizer und Bass die immer gleichen Töne von sich geben und dabei keineswegs langweilig werden, schafft es Pühs sich in Rage zu reden und holt die Postmoderne für circa zwei Minuten an ihren angestammten Platz zurück. Wie eilig zusammengefügte Collagen wirken daher die Berlin-Stücke von Herpes (An Einem Sonntag Im August, Galeristin, Very Berlin), die das Banale dem Politischen gegenüberstellen. Das kennt man natürlich von den Goldenen Zitronen oder von Peter Hein, aber Herpes bewahren sich hier ihre eigene Ausdrucksweise, ohne als billige Epigone durchzugehen.

foto: tapete records



herpes
"das kommt vom küssen"
tapete records, 2010, cd
herpes

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600 Wörter [Nachbarn]

Sorry, aber du hast den geilsten Arsch der Welt.






Als die beiden einzogen, es war gegen elf Uhr abends, fielen sie uns zunächst durch die lebendige Art auf, in der sie ihre Sachen – vermutlich riesige Kisten mit tonnenschwerem Inhalt – die Stufen des Treppenhauses hinauf in ihre Wohnung wuchteten.

Nach den ersten beiden Wochen sporadischem doch gleichwohl konstantem Lärmens – welches ich fälschlicher und wie ich später eingestehen musste auch unvorsichtiger Weise als Eingewöhnungszeit abtat – klingelte ich das erste Mal an der Wohnungstür. Es war nur ein paar Tage nachdem der Lange seinerseits bei uns klingelte und bat unser WLan mitbenutzen zu können, da das Ihre noch nicht eingerichtet sei. Nachdem wir dies arrangierten, wähnte ich mich – völlig fehleingeschätzt – in gewisser nachbarschaftlicher Solidarität. Ich wies ihn, nachdem der Lange die Tür öffnete, auf das Übertragen des dumpfen Basses aufgrund der häuslichen Bauweise hin und bat ihn darum die Musik leiser zu drehen. Sicher, das sei kein Problem. "Aber", fügte er hinzu als ich bereits im Begriff war mich zu bedanken und umzudrehen, er höre nun einmal gern Elektro und dabei wären die Bässe eben notwendig.

Als ich eines nachts aus dem Schlaf gerissen wurde, kapitulierte mein Unterbewußtsein längst davor, die Geschehnisse wie sonst üblich, in meinen Traum einzuarbeiten. Als ich soweit wach war zu verstehen was sich begab, hatte sich diese eine Zeile bereits irgendwo in meinem Hinterkopf festgesetzt: Du hast den geilsten Arsch der Welt. Ich konnte, obgleich mir das seltsame Stück zuvor niemals begegnet war, jedes Wort des unerträglich eingängigen und gleichwohl unseligen Textes verstehen; schließlich spielte sich alles so ab, als fände es tatsächlich in unserem Zimmer statt. Hellwach und gleichwohl mürrisch stieg ich die Treppe hinunter, klingelte und der Kleine betrachtete mich nach dem Öffnen der Tür mit seinem stets aus einer Mischung von Unsicherheit, Angst und Abwesenheit zusammengesetzten Blick. Noch bevor ich etwas sagen konnte wendete er sich nach hinten: "Deine Musik". Der Grund meines nächtlichen Besuchs schien offenkundig, sicherheitshalber stellte mir der Lange dennoch die vermeintlich rhetorische Frage: "Zu laut?" Als ich erwiderte, das Stück problemlos in unserem Zimmer mitsingen zu können, ließ er es zum ersten Mal fallen, dieses salopp hingenäselte "Sorry", welches so vielversprechend wie das Schaben von Fingernägeln auf einer Tafel klang.

Als ich einmal Vormittags die verschiedenen Angebote von Klingeltonvertreibern durch den Fußboden unseres Wohnzimmers wabern hörte, wusste ich zwar, dass die beiden fern sahen, dass dies allerdings die musikalische Untermalung beim Duschen war ergab sich mir erst, als mir der Lange in Unterhose und nassen Haaren aus dessen Bad anstelle - wie von mir erwartet - aus dem Wohnzimmer, wo sich der Fernseher – mitsamt der Subwooferei - befinden musste, entgegen trat. Das "Sorry" entglitt ihm, ohne dass ich etwas sagen musste.

Die vielversprechende Hoffnung die bei meiner Freundin an einem sonnigen Frühlingsmorgen aufkeimte, als wir vom donnernden Rumpeln unter uns geweckt wurden, glich zunächst dem süßen Wunsch, die beiden würden überraschend ausziehen – und diese Hoffnung erhellte sich noch einmal, als wir beim aus dem Fenster schauen tatsächlich einen Umzugswagen sahen, nur um alsbald einzusehen, dass dieser zu jemand anderem gehörte - nicht jedoch das Geräusch. Wir konnten niemals tatsächlich in Erfahrung bringen, was dieses ungewöhnliche, mit dem ein oder anderen freudigem Jauchzen begleitete Rumpeln, Quietschen und Poltern war, doch würde ich noch immer eine gehörige Summe darauf verwetten, dass die beiden sich an besagtem morgen einen elektrischen Bullen gekauft und in Betrieb genommen hatten.

Marcel Proust bemerkte einmal, es gäbe etwas, „das einen so sehr zur Verzweiflung treiben kann, wie ein Mensch es niemals könnte: ein Klavier“. Ich freue mich nachträglich für ihn, dass er nur einen Klavierspieler als Nachbarn hatte.
Text: Cosmo Kramer
illustration: j.e. støresund

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Teen Vogue [An Insider's Guide to Careers in Fashion]

Ein buntes und wild bebildertes Buch über Mode als Branchenzweig. Der selbsternannte „Insider's Guide“ gibt durch Berichte über Designer, Redakteure & Co preis, wie man sich einen Platz im Modebusiness erkämpfen kann und gibt dabei Ratschläge, die teilweise so banal sind, dass man sie von Mama nie ernst genommen hätte, es jetzt aber tut. Danke Karl, Anna und Stella.

"i think it's very important to be open and listen to other people's advice. but you have to make a judgment about what makes sense for you. you have to go with your instincts."
(alexander wang)


Mode ist ein kurzes Wort das gut klingt und einen jeden betrifft. Ob gewollt oder ungewollt, man hat mit ihr zu tun und kann ihr nicht entkommen. Selbst Nacktheit gilt streckenweise als Mode, betrachtet man Bilder des amerikanischen Fotografen Terry Richardson, die nur selten Getragenes zur Geltung bringen. Mode existiert schon immer, auch wenn es nie sofort diesem Titel zugeordnet wurde, und wird es immer geben. Das, was mit der Zeit entstand und sich immer ändern wird, sind die Geschmäcker, wie man Mode definiert. Was gilt als schön und trendbewusst und was als einfach untragbar.

Und weil es jeden betrifft, lässt sich auch so scheinbar einfach darüber schreiben. Eine Tatsache, die sich in den letzten Jahren in Form von etlichen Modeblogs verdeutlicht zu haben scheint. Weltweit präsentieren Kids, Jugendliche und zumeist junge Erwachsene sich und ihr Verständnis von Mode im Internet. Outfitposts, Laufsteganalysen, Kleidungswunschlisten und die neusten Errungenschaften werden online gestellt für jedermann. Und so lautet auch die Devise: jedermann. Denn jeder kann es sehen, jeder kann sich beteiligen und jeder kann es selbst machen. Die einen erfolgreicher als die anderen, die einen mit mehr Geist als die anderen, aber jeder kann es nun mal machen und das ist die Krux am weltweit grenzenlosen Internet. Könnte man meinen. Doch ist Mode nicht erst mit dem Internet interessant geworden, denn Mama trug schon vorher Moschinogürtel und wusste, was sich schickt.

Zudem bietet das Internet dem jungen Mensch von heute die Möglichkeit sich von der schwer greifbaren und schnelllebigen Welt abzuheben. Sein Ding zu machen und sich dies beispielsweise durch einen eigenen Blog zu visualisieren. Nämlich dass man etwas ist in dieser Welt und eigentlich gar nicht so alleine ist, wie man oft meinen könnte. Zumindest mit den Dingen, die einen alltäglich, sowie kulturell interessieren und inspirieren. Man fühlt sich gewissermaßen mit anderen verbunden, die ähnlich in der Mode ticken und es entsteht dadurch eine weltweite Gemeinschaft von jungen Menschen, für die das Hobby Mode entstanden ist.

In einer Zeit, in der der Arbeitsmarkt durchweg mies gemacht wird und es womöglich auch ist, haben junge Erwachsene dennoch den Anspruch einen Beruf zu finden, der sie erfüllt. Der ihren Interessen entspricht und auch Spaß bringen könnte, komme was wolle. Nur wie kommt man beruflich überhaupt dahin, wenn Mode mehr als nur ein Hobby sein soll?

Dieser Tatsache hat sich Big Boy Condé Nast angenommen und Ende letzten Jahres das "Teen Vogue Hand Book – An Insider's Guide to Careers in Fashion" rausgebracht. Knapp 270 buntgestaltete Seiten sollen dem Leser einen Eindruck davon geben, welche zahlreichen Berufsmöglichkeiten man im Modebusiness finden und wie man womöglich selbst ein Teil davon werden kann. Bekannte und weniger bekannte Gesichter der Branche erzählen von ihrem Werdegang, ihrem Arbeitsalltag und betonen strikt und oft, dass man an sich glauben und hartnäckig sein muss, um erfolgreich zu sein. Letzteres überrascht zwar nicht wirklich, dennoch kann ich nicht verleugnen, dass mir der ein oder andere Bericht Mut und Lust gemacht hat. Das Meer an Berufsmöglichkeiten dieser Branche zeigt sich in Interviews und Berichten der für das Buch ausgewählten Rubriken Designers, Editors, Stylists, Models, Beauty oder Photo. Die Liste der Designer ist die wahrscheinlich Gängigste von allen, bei der man an Namen wie Karl Lagerfeld, Stella McCartney, Philipp Lim, Marc Jacobs oder Alexander Wang nicht umher kommt. Doch wie schon erwähnt, nicht nur bekannte Persönlichkeiten geben etwas aus ihrer Arbeitswelt preis, auch weniger bis hin zu unbekannte Gesichter, wie beispielsweise Praktikantinnen, geben ihre Erfahrungen an den Leser weiter.

Für jemanden ohne Erfahrungen und wenig Wissen über die Modebranche, ist dieses Buch durchaus ein lesenswerter und informativer Einstieg und mit Sicherheit ist es auch für Modeaffine besonders spannend zu erfahren, was beispielsweise Designer Marc Jacobs oder US-Vogue Chefin Anna Wintour über die Branche und sich selbst zu sagen haben. Allerdings sollte man mit genug Abstand und Ernsthaftigkeit seine angestrebte Karriere in der Modewelt in Angriff nehmen und dieses Buch nicht als tägliche Bibel für seinen Traumberuf ansehen. Zudem ist es mit der Modebranche wie mit den meisten kreativen Branchen auch: es führen viele und viele verschiedene Wege zum Ziel, man muss nur Talent, Zielstrebigkeit, Leidenschaft und manchmal eine Portion Glück haben. Und auch mal auf Mamas Rat hören.
foto:


teen vogue
"the teen vogue handbook - an insider's guide to careers in fashion"
teen vogue

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